Impfen in Berliner Einkaufszentrum: Warten, bis der Arzt kommt
Pieksen lassen, wo andere shoppen: In der Mall in der Frankfurter Allee ist das möglich.
Die Impfstation befindet sich ein Stockwerk höher. Dort sieht es schon ganz anders aus: Eine längere Warteschlange mit geschätzt 200 Menschen, die über drei Stockwerke bis nach unten auf die Straße führt, sowie Sicherheitspersonal, das dafür sorgt, dass sich alle ordentlich anstellen. Der Andrang ist also groß. Aber wer ist heute zum ersten Impftermin da?
„Ich bin keine Impfgegnerin“, beteuert eine 55-jährige Verkäuferin, „ich hatte schlicht Angst vor den Nebenwirkungen. Jetzt lass ich mich impfen, weil man ja sonst nirgendwo mehr reinkommt.“ Ein paar Plätze hinter ihr steht ein 32-jähriger Pfleger, der bis jetzt mit der Impfung gewartet hat, weil er gerne Langzeitstudien gehabt hätte. „Ich lass mich impfen, weil ich weiter arbeiten möchte. Im Pflegedienst kommt ja bestimmt die Impfpflicht“, erzählt er. Die Impfquote der vollständig Geimpften in Berlin liegt momentan bei knapp 70 Prozent und somit knapp über dem Bundesdurchschnitt.
Im Ringcenter in Friedrichshain arbeiten zehn Ärzt*innen und spritzen im Schnitt 1.000 Impfdosen täglich in die Arme der Impfwilligen. Die Geschäftsführerin der Arbeiter-Samariter-Bund-Nothilfe, Dr. Sarah Maaß, berichtet, dass das Impfzentrum gut angenommen wird und vollkommen ausgelastet ist. Momentan wird mit Moderna geimpft, für alle unter 30 Jahren und Schwangere gibt es den Impfstoff von Biontech.
Zurück in der Warteschlange und mittlerweile zwei Stockwerke tiefer: Auf die Frage, wie lange er schon warte, sagt ein 24-jähriger Student: „zwei Stunden“, er hat gerade mal die Hälfte geschafft.
Immer noch Bedenken gegen die Impfung
Viele der Impflinge, die in dem kalten Außentreppenhaus des Ringcenters stehen, vertreiben sich die Zeit mit Kopfhörern auf den Ohren. Im untersten Stockwerk steht ein junger Erzieher für die erste Impfung an. Er erzählt, dass er sich durch die Kommunikation bezüglich der Impfung seitens der Politik verunsichert gefühlt hat. Als Beispiel nennt er den noch amtierenden Gesundheitsminister Jens Spahn, der seiner Meinung nach zur Auswahl der Impfstoffe undeutliche Aussagen getroffen habe. Auch er sei kein Impfgegner. „Aber ich finde, die Debatte um das Thema wird momentan in Deutschland zu scharf geführt“, fügt er hinzu.
Fast am Ende der Schlange und somit draußen auf der Straße im Nieselregen steht eine 23-jährige Mutter von zwei Kindern. Eigentlich wollte sie sich nicht impfen lassen, da sie Angst vor Nebenwirkungen hat. „Ich bin auf Bus und Bahn angewiesen, um zur Arbeit zu kommen, und da muss man jetzt ja quasi für geimpft sein“, so die Frau.
Die Erstimpflinge im Ringcenter sind im Durchschnitt recht jung. Viele betonen, keine Impfgegner:innen per se zu sein, sondern dass sie lediglich Bedenken bei der Corona-Impfung hätten. Die Hauptmotivation scheinen die momentanen 2G-Regelungen zu sein, wodurch die Türen für Ungeimpfte oftmals verschlossen bleiben. Denn momentan ist der Impfnachweis die Eintrittskarte in Restaurants, Cafés und Clubs. Die Erstimpflinge kommen also zwar etwas spät zur Party, aber dafür kommen sie jetzt rein.
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