piwik no script img

Impeachment gegen US-Präsident TrumpDie Demokraten sind sich uneins

Junge Demokraten-Abgeordnete wollen US-Präsident Trump schnellstmöglich aus dem Amt entfernen. Die alte Garde gibt sich zurückhaltender.

Alexandria Ocasio-Cortez reagierte am Mittwoch in einem Tweet lediglich mit dem Wort „Impeach“ Foto: Joshua Roberts/reuters

New York City taz | „Impeach“ ist das einzige Wort in einem Tweet, mit dem die New Yorker Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez am Mittwoch auf den Sturm auf das Kapitol reagiert. In den darauffolgenden Stunden machte sich eine wachsende Zahl von Demokraten die Forderung zur Amtsenthebung Donald Trumps zu eigen. Nach dem Sturm seiner Anhänger auf den US-Kongress sowie auf die Residenzen von Gou­verneuren in verschiedenen Bundesstaaten, und nach Trumps Aufrufen zu Gewalt und zu Wahlfälschung halten sie den US-Präsidenten für zu gefährlich, um ihn noch weitere zwei Wochen im Amt zu lassen.

Die linke Abgeordnete Ilhan Omar aus Minnesota verfasste eine Resolution, Trump erneut anzuklagen. „Wir haben einen Eid auf die Verfassung geleistet“, so Omar. Aber die demokratische Chefin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in deren Büro im US-Kongress sich am Mittwoch ein Trump-Unterstützer aus Arkansas in ihrem Sessel fläzte und seine Schuhe auf ihren Schreibtisch legte, hat sich bislang nicht zu der Mög­lichkeit eines neuen Impeachment gegen Trump ge­äußert.

Am Mittwoch, als Trump-Anhänger im Kapitol wüteten, appellierte Pelosi, zusammen mit dem Chef der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, noch an den Präsidenten. Statt sein Amtsende zu beschleunigen, drängten sie Trump, seine Anhänger zur Vernunft zu rufen. Auch der künftige Präsident Joe Biden setzte am Mittwoch vor allem auf Appelle an den Mann im Weißen Haus. „Gehen sie ins nationale Fernsehen, erfüllen Sie Ihren Amtseid, verteidigen Sie die Verfassung, verlangen Sie ein Ende der Belagerung“, drängte er Trump.

Biden machte in seiner Ansprache klar, dass die Stürmer des Kongress einen „Aufruhr“ organisiert und die Demokratie angegriffen hatten. Aber zugleich versuchte er, die Reputation und Ehre seines Landes zu retten. „Sie sind eine kleine Gruppe von Extremisten“, sagte er, „sie repräsentieren nicht Amerika“. Biden will weiterhin daran glauben, dass eine parteiübergreifende Zusammenarbeit mit den Republikanern möglich ist.

Parlamentskammern demokratisch

Der Demokrat, der im letzten Frühling mit seiner Unterstützung für Biden dessen unerwarteten und rasanten Aufstieg zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten ausgelöst hatte, hatte noch am Tag vor dem Sturm auf den Kongress erklärt, ein zweites Impeachment gegen Trump sei verlorene Zeit. Der Abgeordnete Jim Clyburn aus South Carolina, der über eine breite Basis bei afroamerikanischen Wählern verfügt, reagierte damit auf das Ansinnen, Trump schon wegen seines Anrufs bei dem republikanischen Innenminister von Georgia anzuklagen. Bei dem später veröffentlichten Telefonat vom Wochenende hatte der Präsident gedrängt, das Wahlergebnis in Georgia zu seinen Gunsten zu manipulieren.

Der Tag, an dem Trumps Stürmer das Kapitol besetzten und die Kongressabgeordneten in Verstecke trieben, war ein düsterer Tag für die US-Demokratie. Und kein Redner der Demokraten versäumte, darauf hinzuweisen. Doch zugleich war Mittwoch auch der Tag, an dem die Demokraten eine gangbare, wenngleich hauchdünne Mehrheit im US-Kongress eroberten.

Der unerwartete Wahlsieg von zwei demokratischen Senatoren bei Stichwahlen in Georgia wird dafür sorgen, dass die künftigen Mehrheitsverhältnisse im US-Senat 50 zu 50 betragen werden. Der Republikaner Mitch McConnell, der schon Barack Obamas Innen- und ­Außenpolitik sowie seine Nominierungen nach Kräften sabotierte, muss den Vorsitz des Senats aufgeben. Ein Demokrat, vermutlich Schumer, der bisherige Chef der demokratischen Fraktion, wird seine Nachfolge antreten. Bei Pattsituationen wird die Vizepräsidentin Kamala Harris mit ihrer Stimme den Ausschlag geben.

Erstmals seit 2010 verfügen die Demokraten damit wieder über Mehrheiten in beiden Kammern. Aber der Graben zwischen linken Demokraten, deren Zahl im neuen Kongress gewachsen ist, und Zentristen bleibt groß. Das zeigen auch die Reaktionen auf die Erstürmer des Kapitols. Während Ex-Präsident Obama den Angriff einen „Moment der Entehrung“ nannte, ging die frisch gewählte Abgeordnete aus Missouri und Black-Lives-Matter Aktivistin Cori Bush in die frontale Gegenoffensive. Wie viele Linke in den USA verlangt sie, dass sämtliche Republikaner, die wie Trump zu „dieser heimischen Terrorattacke“ gehetzt haben, aus dem Kongress ausgeschlossen werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ".......wachsende Zahl von Demokraten die sich für die Amtsenthebung (....) einsetzen"



    ==



    Senate Democrat Patty Murray:



    "The most immediate way to ensure the President is prevented from causing further harm in coming days is to invoke the 25th Amendment...



    I urge Vice President Pence and the President’s cabinet to put country before party and act."



    ==



    Angele Merkel



    ""I regret very much that President Trump since November has not conceded his defeat, and not yesterday either."



    ===



    washington post

    "" “After Wednesday’s riot at the U.S. Capitol, it’s time for a criminal investigation —one that includes Trump himself.”"



    ===



    New York times

    Justice Department. ""Open to Pursuing Charges Against Trump in Inciting Riot.""



    ===



    thedailybeast

    ""President was trying to stage a coup""



    ==



    Speaker Nancy Pelosi threatened to pursue impeachment if President Trump's cabinet did not invoke the 25th Amendment to strip him of his powers.



    ==



    Republican Stephen Hayes



    @stephenfhayes



    ""President Trump needs to be impeached and removed, immediately. And responsible Republicans need to lead the effort.""



    ==



    And unlike a year ago, several principled Republicans like @Replican Kinzinger



    would now agree that this president is dangerous to the constitutional republic and unfit to remain in office.



    ==

    Das sind ein paar Stimmen die fordern Trump zu entsorgen - die aber klar machen das Trumps Amtszeit defacto beendet ist.

    Resultat:



    Ob Trump/ Regierung noch in der Lage sind überhaupt noch Amtsgeschäfte wahrzunehmen ist zweifelhaft - genauso, ob die Grand old Party (GOP) dieses selbstverschuldete katastrophale Chaos überhaupt übersteht.

    Jede Stunde länger, in der Trump im Amt ist, schadet dem Land.

  • "When they go low, we go high."

    Realpolitik funktioniert halt manchmal anders als die ethische Wertung. Um Ereignisse wie vorgestern in der Zukunft zu verhindern, sollte man jetzt eher der Versuchung widerstehen, aus Trump oder den Krawallmachern noch Märtyrer zu machen.

    Vorgestern ging es nicht um Respekt vor der Rechsordnung, "was wäre wenn das keine Weißen gewesen wären" etc.. Es ging um Macht (bzw. wütende Ohnmacht, je nachdem wie die Beteiligten ihre Chancen einschätzten, den amtsantritt Bidens tatsächlich aufhalten zu können). Und die Macht liegt nicht mehr bei Trump - spätestens seit den Ausschreitungen nicht mehr. Sie liegt wieder beim Washingtoner Estblishment, allen voran den Demokraten.

    Diese Macht jetzt mehr als unbedingt nötig zu nutzen, gäbe der Gegenseite nur Zündstoff für weitere Eskalation. Denn machen wir uns nichts vor: Der umsichtige bis verständnisvolle Umgang vieler Städte und Staaten mit den BLM-Unruhen war aus Sicht vieler rechtslehnender Amerikaner AUCH ein eine Faust ins Gesicht des Rechtsstaates.

    Die meisten von denen sind am Mittwoch (noch) nicht aufs Kapitol marschiert. Um zu erreichen, dass das auch so bleibt, ist es ein erträglicher Preis, die letzten zwei Wochen Trump auch noch zu überstehen.

    Taktischer Zusatzpunkt: Ein präventives "presidential pardon", das sich Präsident Trump selbst ausstellte, stünde auf äußerst wackeligen Füßen. Käme es hingegen - nach Trumps Absetzung - von Präsident Pence, hätte es ziemlich sicher Bestand. Pence möchte mit Sicherheit auch nicht auf den heißen Stuhl, von dem aus diese Begnadigung ausgesprochen werden könnte. Denn egal wie er sich da entscheiden würde, er hätte danach sehr viel mehr Feinde.

    • @Normalo:

      Kluger Beitrag - vor allem sollte niemand, der jetzt harte Vergeltung fordert, noch einmal beklagen, das Trump-Lager habe die USA gespalten. Das haben schon andere vor Trump angefangen und offenbar wollen es einige auch weiter treiben.....

  • Die einen stürmen das Parlament, die anderen plündern 😬.

  • Gedankenspiel: Ich, als Ausländer, stürme mit meine Leuten die ich irgendwie vorher organisiert habe das Kapitol in Washington und laufe dann später in den nächsten Pub um das abzufeiern, und keiner will was von mir... und jeder ist ja froh dass ich das Kapitol wieder verlassen habe?



    Nein, das Resultat: Ich fahre wegen Umsturzversuch, Terrorismus, Aufruhr, und sonstwas für geschätzt 184 Jahre ein.



    Trump, das sagt Biden gestern, solle doch bitte seine Anhänger zurückrufen o.ä.



    Ja spinn ich?



    Der Präsident ist in den USA sowas wie eine heilige Kuh und Nestbeschmutzer ist der, der das nicht anerkennt. Aber wenn sich die Demokratie nicht eindeutig positioniert, egal ob bei uns gegen Höcke und Co. oder eben in den USA, dann ist es irgendwann vorbei mit der Demokratie. Die Typen meinen das ernst, das ist eben kein Spiel auch wenn die so tun. Klare Kante zeigen, den namenlosen www-Verschwörungstheoretikern und Lügenverbreitern in dunklen braunen Ecken bis zu den offiziellen Vertretern. Jeden Tag denen das Leben schwermachen, kein Recht auf Hass und Menschenverachtung, Löschzwang von erwiesenem Schwachsinn und Hass. Antidemokratie als Straftatbestand. Zur Verantwortung ziehen, vor Gerichte zerren, Strafen aussprechen.



    Die Demokratie muss Spielregeln aufstellen die etwas anderes als eine Demokratie ausschließt. So irgendwie!



    Sorry, aber das habe ich jetzt gebraucht.

    • @Tom Farmer:

      "Nein, das Resultat: Ich fahre wegen Umsturzversuch, Terrorismus, Aufruhr, und sonstwas für geschätzt 184 Jahre ein."

      Mit viel Glück vielleicht. Die Chance, schon wenn es radikale BLM Aktivisten gewesen wären, das man den Leuten in der ersten Reihe auf der Treppe erstmal zwei Kugeln in die Brust verpasst, halte ich für ziemlich hoch.

      • 9G
        97075 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        Yep. 100 %



        Die Reaktion der offiziellen Kräfte hat mich auch extrem verwundert, denn wenn Sie bei einem dieser bärtigen Zauseln, die das Capitol gestürmt haben versehentlich das Grundstück betreten wird der Sie abknallen. Und geht völlig im "Land of the free" völlig legal straffrei aus...

    • @Tom Farmer:

      "Die Demokratie muss Spielregeln aufstellen die etwas anderes als eine Demokratie ausschließt. So irgendwie! "

      vollkommen richtig!