Im Gespräch als AfD-Kandidat: AfD will Otte als Bundespräsident
Die AfD will Max Otte, den Chef der Werteunion, nominieren. Der Christdemokrat hat gute Verbindungen in die AfD, in der es deswegen Streit gibt.
Der AfD-Bundesvorsitzende und Fraktionschef im Bundestag, Tino Chrupalla, soll nach Informationen der taz auf eine Kandidatur Ottes gegen innerparteiliche Widerstände bestehen – auch weil dessen mögliche Kandidatur bereits bekannt geworden sei.
Beschlossen ist die Kandidatur allerdings noch nicht, wie mehrere Mitglieder des Vorstands der taz sagten. Zunächst sollte am Abend der Bundesvorstand gemeinsam mit den Landesvorsitzenden der Partei per Telefonschalte über Otte als AfD-Kandidaten beraten – ein formaler Beschluss könnte im Laufe der Woche bevorstehen. Die AfD wolle dann, so heißt es, Otte im Laufe der Woche als Kandidaten offiziell präsentieren.
Otte selbst wollte sich gegenüber der taz nicht äußern, ob er für die AfD antreten würde. Er dementierte den Vorgang aber auch nicht. Parteivize Brandner, Abgeordneter aus Björn Höckes rechtsextremem Landesverband Thüringen, sagte zur Personalie: „Ich finde das eine gute Idee. Die AfD schaut über den Tellerrand hinaus und zeigt, dass sie jemanden nominiert, der nicht Mitglied ist. Und die CDU muss gucken, wie sie darauf reagiert.“
Meuthen spricht von Fehlentscheidung
Ganz anders sieht das der Noch-Parteivorsitzende Jörg Meuthen, Gegner der im scheinaufgelösten „Flügel“ organisierten völkischen Parteiströmung. Er sagte: „Ich halte die Entscheidung, Max Otte zu nominieren, für sowohl inhaltlich als auch strategisch falsch und unklug.“ Zugleich nannte er die Personalie „nicht wirklich wichtig, weil ein von der AfD nominierter Kandidat ganz gewiss nicht ins Schloss Bellevue einziehen wird“. Inhaltlich ordnete Meuthen Otte „selbst für AfD-Verhältnisse ganz rechts außen“ ein. Dessen Kandidatur werde nicht zufällig aus Thüringen unterstützt.
Otte ist Ökonom und Fondsmanager und seit vergangenem Mai Vorsitzender der Werteunion, jener kleinen, mitunter lautstarken Truppe am rechten Rand der CDU. Die Werteunion ist keine Parteiorganisation, sondern ein unabhängiger Verein, die Wahl Ottes zum Vorsitzenden hat sogar intern für Wirbel gesorgt. Denn Otte ist zwar seit 1991 Mitglied der CDU, macht aus seinen Sympathien für die AfD aber keinen Hehl – und mehr als das.
Vor der Bundestagswahl 2017 hat er öffentlich angekündigt, die radikal rechte Partei zu wählen. Sein Gewissen ziehe ihn dorthin, so Ottes Begründung. Zweieinhalb Jahre lang war er zudem Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES). Anfang 2020 sagte er der taz: „Rein persönlich bin ich der Ansicht, dass die CDU die Möglichkeit für bürgerliche Koalitionen mit der AfD auf allen Ebenen ausloten sollte.“
Zuletzt hatte Otte vor einer Woche bei einer digitalen Veranstaltung der Werteunion über die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel in AfD-Manier hergezogen. „Die Dame war durch und durch DDR, sie war Apparatschik, sie war Funktionär, sie war völlig sozialisiert im Sozialismus“, sagte Otte. Es sei ihm bis heute unerklärlich, dass sich ein ganzes Land von ihr habe täuschen lassen. „Das ist ein unglaubliches Meisterwerk, was sie da vollbracht hat und das ist ein Zerstörungswerk.“
Wahl ist am 13. Februar
Die stellvertretenden Vorsitzenden der Werteunion haben unterdessen am Montag den neuen CDU-Chef Friedrich Merz in einer Pressemitteilung aufgefordert, ihrerseits Otte als Kandidaten der Union für das Bundespräsidentenamt zu nominieren. Schon länger gibt es Stimmen innerhalb der CDU, die einen Parteiausschluss Ottes und einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Werteunion fordern. Sollte er wirklich für die AfD kandidieren, dürfte diese Debatte wieder aufflammen.
Die Union ihrerseits hatte bereits Anfang Januar angekündigt, die Kandidatur des Amtsinhabers Frank-Walter Steinmeier (SPD) zu unterstützen. Steinmeier ist auch Wunschkandidat der rot-grün-gelben Ampelkoalition. Die Linkspartei schlägt ihrerseits mit Gerhard Trabert einen aussichtslosen Kandidaten vor.
Der Bundespräsident wird am 13. Februar von der Bundesversammlung gewählt, abstimmen dürfen Bundestagsabgeordnete sowie Delegierte aus den Ländern. Die Delegierten müssen dabei keine Abgeordneten sein. So schicken die Grünen aus Berlin dieses Jahr etwa den Virologen Christian Drosten in die Bundesversammlung. Interessant ist aber auch, wen die AfD Berlin entsenden will: Carl-Wolfgang Holzapfel, einen rechtsextremen Politikaktivisten, der 1973 drohte, ein Passagierflugzeug zu entführen, um den Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess freizupressen. Dessen Stimme hätte Otte wohl sicher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs