Identitäre Bewegung räumt Hausprojekt: Identitäre ohne Zentrum
In Halle kündigt die Identitäre Bewegung ihre Räume. Das rechtsextreme „Leuchtturmprojekt“ scheiterte auch dank Druck aus der Gesellschaft.
Im April 2016 hatte der Leiter des Instituts für Staatspolitik (IfS) und hessische AfD-Landtagsabgeordnete Andreas Lichert das Haus mit einer Grundfläche von 338 Quadratmetern für 330.000 Euro erworben. Knapp ein Jahr später, im Frühjahr 2017, zog die regionale Gruppe der IB in das Gebäude gleich gegenüber der Universität ein.
Auch andere neurechte Projekte nutzten die Räume. In einem Spendenaufruf für das Objekt legte Kubitschek, der das IfS gründete und den Antais Verlag betreibt, dar, dass das rechte Milieu für die Verstetigung der politischen Arbeit mehr feste Orte mit „Strahlkraft“ bräuchte. Im ersten Jahr fanden auch Salons, Partys, Konzerte und Vortragsabende statt.
Die Veranstaltungen der IB waren aber immer wieder von Protesten begleitet. Auf ihrer bundesweiten Webseite räumt die IB ein, dass dieser Druck ein Grund dafür gewesen sei, dass das „Leuchturmprojekt AK 16 den ersten echten Rückschlag“ erlitt. Das Mietverhältnis sei seit Oktober aufgelöst, im November hätten sie endgültig die Räume geräumt.
Lebenslüge von der gewaltfreien rechten Gruppe
In diesem Jahr waren die Aktivitäten der IB in der Adam-Kuckhoff-Straße 16 auch schon zurückgegangen. „Die Idee eines Zentrums hier in Halle ist gescheitert“, sagt Torsten Hahnel, Rechtsextremismusexperte von „Miteinander e.V.“. Den anhaltenden Protest gegen die Nutzer des Hauses nennt auch Hahnel als wichtigen Grund dafür, dass „das Leuchtturmprojekt nicht mehr leuchtet“. Gegen diesen Druck von Anwohner*innen, der Universität und der Stadt Halle hätte die IB kein Konzept gehabt. Mit ihrem Versuch, am 20. Juli einen Aufmarsch auszurichten, scheiterte sie zuletzt an breitem Protest.
Hahnel denkt aber auch, dass „die Lebenslüge der IB, gewaltfrei zu sein“, längst entlarvt sei. IB-Anhänger*innen griffen aus dem Haus heraus unter anderem zwei Zivilbeamte an. Erst am Abend des 29. November durchsuchte die Polizei das Gebäude. Der Grund: Identitäre hatten Gäste einer Geburtstagsfeier in der Nähe angegriffen. Vier Menschen mussten medizinisch versorgt werden.
In seinem Statement zur IB auf sezession.net schreibt Kubitschek die Mär von der gewaltfreien Gruppe fort und sieht sie als Opfer politischer Verhältnisse. „Es ist dem Staat samt seinen gewalttätigen Helfern aus Antifa-Kreisen gelungen, einen jungen, patriotischen Ansatz zu kriminalisieren und letztlich zu marginalisieren“, schreibt Kubitschek.
„Bio und Jute“ statt „Glatze und Bomberjacke“
Ohne die Unterstützung von Kubitschek wäre die IB schon 2013 gescheitert. Seit 2012 ist der eingetragene Verein mit rund 500 Anhängern in Deutschland aktiv. Bundesweit bekannt wurden die Identitären 2016 mit der kurzfristen Besetzung des Brandenburger Tors. Immer wieder versuchen sie durch Aktionen vor dem „großen Austausch der eigenen Bevölkerung“ und der „Islamisierung des Landes“ zu warnen.
Die moderne Präsenz in den sozialen Medien brachte ihnen viel Resonanz. Aber auch dass sie Klischeevorstellungen zum Rechtsextremismus unterliefen. Die Anhänger*innen machten eher auf Jute und Bio statt auf Glatze und Bomberjacke.
In der Auseinandersetzung legten Rechtsextremismusforscher*nnen und Journalist*innen die Blut-und-Boden-Ideologie der IB jedoch bloß. Verfassungsschutzstellen stuften den Verein als rechtsextremistisch ein und Facebook sperrte ihre Seiten. Eine Geldspende des neuseeländischen Christchurch-Attentäters an die IB führte zu Ermittlungen.
In einzelnen Regionen ist die IB weiterhin aktiv. Aber nicht mehr in Sachsen-Anhalt. „Die Jungs müssen jedenfalls neu nachdenken, sich neu erfinden“, schreibt Kubitschek und weiter: „Das wird aber nicht mehr im Haus in Halle stattfinden, denn über dieses Haus müssen nun auch wir neu nachdenken“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu