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Ideen zum Umbau des Berliner SchlossWie wäre es mit einer postpreußischen Kulturmaschine?

Die „Initiative Schlossaneignung“ veröffentlicht 21 Entwürfe für die Umgestaltung des umstrittenen Preußenschlosses. Über einige lässt sich nachdenken.

Das Schloss als Solarkraftwerk, es fiele auch angenehm informell aus: Entwurf „Time Flies Like an Arrow“ aus dem besprochenen Heft Foto: Michael Birn

Berlin taz | Postpreußen, nicht Ostpreußen. Den Begriff werfen die Kulturwissenschaftlerin Agnieszka Pufelska und der Historiker Felix Ackermann in einem programmatischen Text zur „Initiative Schlossaneignung“ auf, um die nun ein kostenloses Heft des Architekturverlags Dom Publishers erschienen ist. Es geht darin um das Berliner Schloss, mal wieder.

Denn der rekonstruierte Brocken in Berlins Mitte bleibt ein schwer belastetes Ding. Seine idealisierte Architektur manifestiert, dass die Politik und eine finanzstarke Spenderlobby, teils aus rechtsextremen Kreisen, über mehrere Dekaden hinweg eine komplexe Geschichte der Stadt aus dem öffentlichen Raum haben verschwinden lassen.

Dabei kann das Schlossprojekt sogar offiziell einer kritischen Revision unterzogen werden. Kürzlich verkündete etwa das Humboldt Forum, dass der Freiraum im Süden des Preußenschlosses, den bbz-Landschaftsarchitekten eigentlich schon einer barocken Schlossanlage gemäß ziemlich zugepflastert hatten, nun doch etwas klimawandelgerechter mit mehr Bäumen ausfallen soll. Wenn nun für das Klima Veränderungen am Schlossprojekt möglich sind, warum kann dann nicht auch der geschlossenen Architektur etwas mehr Gegenwart, etwas mehr „Postpreußentum“ und auch Aufklärung über die Geschichte des Ortes eingehaucht werden?

Das ist das Anliegen der „Initiative Schlossaneignung“ um den Architekturpublizisten Philipp Oswalt. Sie lobte im Sommer einen Ideenwettbewerb aus, 21 der eingereichten Entwürfe hat sie nun in dem Heft von Dom Publishers veröffentlicht.

Ideenwettbewerb „Schlossaneignung“

Dom Publishers: „Dom Magazine 17“. Berlin, November 2024. Kostenlos abrufbar unter: www.schlossaneignung.de

Umgestalten statt boykottieren

Man kann darin eine gewandelte Haltung unter den Berliner Schloss­krit­ke­r:in­nen erkennen. Haben sie doch bislang eher auf Boykott gesetzt, so geht es ihnen nun darum, das Schloss öffentlich umzudeuten. Das kann zuweilen zu lustig absurden Ideen führen. Das Duo aus Sinus 3 und Anna Krenz will etwa die gigantische Kopie einer Tasse der Königlichen Porzellan Manufaktur aus einer Sammlung des Humboldt Forums an die Stelle der umstrittenen Kuppelrekonstruktion setzen.

Da denkt man kurz an den Pop-Art-Künstler Claes Oldenburg. Der hat am Kölner Neumarkt einst eine riesige Eistüte auf die Eckkante eines Gebäudes fallen und mit den Kirchtürmen Kölns in den Wettstreit treten lassen. Warum nicht nun eine Tasse mit den preußischen Kuppeln Berlins? Doch solch ein kritischer Witz kommt bei der Tasse nicht vor, eher eine schnulzige Symbolik. Sie soll nämlich um Porzellanscherben ergänzt werden, um die „Brüche und Zerstörungen“ der Kriege Preußens in Osteuropa wachzurufen.

Um die Risse der Vergangenheit geht es auch beim Entwurf von Andreas Kopp, der das Schlossäußere mit einem Netz aus Messingrohren überziehen will, die Fassade sähe dann aus, als blättere sie ab wie alte Wandfarbe.

Studiert man die 21 Entwürfe, bekommt man einen unguten Eindruck. Trotz all der berechtigten Mahnungen an der kriegerischen und kolonialen Geschichte Preußens, die man an dem Schlossneubau nun sichtbar zu machen wünscht, schleicht sich in diese Entwürfe häufig etwas Belehrendes, moralisch Überlegenes ein.

Viel Mahnung, wenig Offenheit

Nur wenigen Beiträgen ist der Versuch abzulesen, auch auf ästhetisch offene Weise mit dem Schlossneubau zu brechen. Da fallen die Schiffscontainertürme von Christoph Balzar und Fabian von Ferrari positiv auf. Sie wollen die großen Portale des Preußenschlosses mit einer Funktionsarchitektur verrammeln und den neubarocken Sandsteinornamenten ein bunt rostendes Sinnbild des weltweiten Warenhandels gegenüberstellen – da ist selbst Kritik am Kolonialismus dabei. Oder die großen Solarpaneele von Michael Birn: Sie würden das Humboldt Forum zu einem städtischen Kraftwerk umfunktionieren. Beide Vorschläge erinnern irgendwie an das Centre Pompidou von Renzo Piano und Richard Rogers in Paris.

Kein falscher Vergleich, hatte man doch in den Nullerjahren kurz darüber nachgedacht, den noch stehenden Palast der Republik zu einer solchen Kulturmaschine, wie sie in Frankreichs Hauptstadt steht, umzubauen. Das war eine von mehreren verpassten Chancen in der traurigen Geschichte des Schlossneubaus. Oder vielleicht doch nicht? Man kann da vielleicht nochmal ernsthaft drüber nachdenken.

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2 Kommentare

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  • Das wirkt alles so krampfhaft und muffig wie vieles in Berlin. Dir Stadt ist im internationalen und auch nationalen Vergleich keineswegs avantgardistisch, sondern verharrt vielmehr in jeder Hinsicht in einer Sehnsucht nach imaginierten 90er Jahren. Wenn man sich über Berliner Architektur aufregen will, dann doch bitte über so die ganzen Enttäuschungen wie Media Spree oder Heidestrasse. Selbst Städte wie Straßburg und Oslo kriegen so etwas viel, viel besser hin.

  • Die Beiträge in der taz zu diesem Thema bestärken mich in meiner Auffassung, dass in den Nullerjahren alles richtig gemacht worden ist. Optisch konnte noch kein Alternativszenario überzeugen.

    Ein Abklatsch des Centre Pompidou hätte die ganze Gegend nur verschandelt. Und wer die "komplexe Geschichte der Stadt im öffentlichen Raum" erleben möchte, der wird am Alexanderplatz fündig.