Ideenwettbewerb für den Schlossplatz: „Die Mitte komplexer machen“
Ein Verein will den Palast der Republik wieder aufbauen – dort, wo jetzt das Stadtschloss steht. Das ist durchaus nicht als Witz gemeint.
taz: Frau Bargholz, Herr Schöll, Sie fordern und fördern mit Ihrem Verein den Wiederaufbau des Palasts der Republik in seinem Zustand von 2005. Was soll denn das heißen?
Ortrun Bargholz: Der Förderverein will das Stadtbild Berlins heilen, das heißt für uns auch, die Mitte komplexer zu machen. Deshalb fordern wir, dass die vier Fassaden des Palastes der Republik wiederaufgebaut werden.
Und wie soll das vonstatten gehen?
Clemens Schöll: Wir werden in den nächsten Jahrzehnten Öffentlichkeitsarbeit betreiben und Spenden sammeln. Und eines Tages, wenn es zum Wiederaufbau kommt, wird der Bund die Gelder bereitstellen und einen Wettbewerb ausschreiben.
Ortrun Bargholz
geboren 1989, hat Architektur studiert und arbeitet beim DFG-Graduiertenkolleg Identität und Erbe an der TU Berlin.
Clemens Schöll
geboren 1994, hat Informatik und Kunst studiert, den Wohnungsbot zur Erleichterung der Wohnungssuche entwickelt und ist Medienkünstler.
Was gibt Ihnen die Hoffnung, dass das klappen wird?
Bargholz: Beim Schloss hat es ja auch geklappt. Erschreckenderweise, denn an drei Seiten gibt es von außen keinerlei Hinweis darauf, dass dieses Schloss als Neubau, also in der Form, wie es jetzt dasteht, nicht schon immer hier stand. Und genau das wollen wir ändern.
Wie sind Sie darauf gekommen?
Schöll: Wir haben die Spendenkampagne im Sommer 2021 gestartet, als das Humboldt Forum seine erste physische Teileröffnung gefeiert hat. Wir fanden es wichtig, dass ausgerechnet in dem Moment, wo der fertiggestellte Schlossneubau eröffnet wird, die Schlossdebatte nicht endet. Da haben wir uns als Angehörige einer jüngeren Generation in der Rolle gesehen, den Staffelstab zu übernehmen. Das ist die eine Seite. Und die andere ist, dass wir diese Mechanismen des Wiederaufbaus interessant finden. Wir wollten das wiederholen. Diese Schritte, die wir uns jetzt in einem 5-Punkte-Plan vorgenommen haben, die sind bewährt. Die funktionieren. Das hat die Realität gezeigt. Und das finden wir interessant.
Sie verfolgen genau denselben Plan, den der Förderverein Berliner Schloss beim Wiederaufbau des Schlosses verfolgt hat?
Bargholz: Ja, aber als Erstes wollen wir nun eine Bronze gießen lassen, die hier gut sichtbar auf dem Schlossplatz stehen soll. Dafür haben wir über 9.000 Euro Spenden und Mitgliedsbeiträge gesammelt. Für den Guss der Bronze reicht das wahrscheinlich, es fehlt nur noch die Finanzierung für den Sockel und die Aufstellung.
Wann soll die Bronze aufgestellt werden?
Schöll: Wir sind gerade dabei, für 2023 einen Ideenwettbewerb zu der Ausgestaltung der Bronze vorzubereiten. Da stellen sich Fragen der Kontextualisierung. Was wird an diesem Ort passieren? Welche Informationen werden mitgegeben? Wie kann ein Denkmal heute aussehen? Gerade an diesem Ort soll eine vielschichtige und multiperspektivische Erinnerung möglich werden. Es gibt ja sehr unterschiedliche Erinnerungen an den Palast der Republik. Wir hoffen, dass dieser Wettbewerb die widersprüchlichen Erinnerungen an dieses Gebäude spiegeln wird.
Sie sind zwar weiß und wenigstens einer von Ihnen ist auch männlich. Aber bislang gehören Sie anders als die Gründer und Mitglieder des Fördervereins Berliner Schloss wahrscheinlich aufgrund Ihres Alters eher noch keiner gesellschaftlichen Elite an. Habe ich recht?
Schöll: Das ist richtig, ja.
Also muss man annehmen, dass auch Ihre Spender nicht so vermögend sind wie die Spender, die das Schloss zurückhaben wollten.
Bargholz: Zunächst einmal sind wir absolut überwältigt von dem Zuspruch, den wir bisher bekommen haben, und die Spendenbeträge sind nach oben nicht begrenzt. Nur die Fördermitgliedschaft möchten wir allen Menschen ab einem Euro pro Jahr zugänglich machen. Inzwischen haben wir über 150 Fördermitglieder – was das allerdings für Leute sind, das können wir nicht sagen, weil wir darüber keine Daten erheben. So weit wir das aus den persönlichen Begegnungen beurteilen können, sind gesellschaftlicher Hintergrund und Alter aber sehr gemischt. Und was unser Alter angeht: Wir werden bis zur Verwirklichung unseres 5-Punkte-Plans auch nicht mehr die Jüngsten sein und müssen dann die kommenden Generationen einbinden.
Vielleicht könnten Sie diesen Plan mal genauer erklären?
Schöll: Punkt zwei nach der Aufstellung der Bronze ist die Simulation der Planung. Die fanden wir beim Berliner Schloss 1993/1994 wie übrigens auch bei der Bauakademie ja sehr inspirierend. So eine stadträumliche Simulation hat sich in Sachen Wiederaufbau sehr bewährt. Also werden auch wir nach der Aufstellung der Bronze als Punkt zwei ein Baugerüst ums Schloss bauen lassen, auf das eine Plane aufgespannt wird, die mit dem Palast in Originalgröße bedruckt sein wird. Hinter den Planen könnten erste Veranstaltung stattfinden, bei denen die Besuchenden schon mal ein Gefühl für zukünftige alternative Veranstaltungsräume entwickeln könnten. Das wird die öffentliche Meinung ändern. Auf dieser Grundlage wird sich dann ganz automatisch ein Bedarf entwickeln.
Bargholz: Punkt drei ist dann die Errichtung einer Musterfassade der nordöstlichen Ecke des Palasts am Originalstandort. Das hat sich beim Schloss und der Bauakademie als sehr nützlich erwiesen. In dieser Phase könnten detaillierte Forschungen zur historischen Bautechnik der siebziger Jahre stattfinden. Wir denken ja schon, dass das Schloss noch etwa 30 Jahre stehen bleiben kann, so wie auch der Palast 30 Jahre stand. 30 Jahre brauchen wir ohnehin für diesen Prozess.
Sie wollen, dass das Schloss etwa um 2050 abgerissen wird?
Schöll: Ja, das ist dann Punkt vier unseres Plans. Die Bestandteile können recycelt werden. Die Spender*innen und deren Erb*innen können ihre Steine gerne abholen und wieder mitnehmen. Ja, und dann kann man – und das ist Punkt fünf unseres Plans – ein Konzept für den neuen Palast der Republik entwickeln. Erst das Gebäude abtragen und dann überlegen, was genau da reinkommt: Auch das hat sich sehr bewährt in der Vergangenheit.
Was gefällt Ihnen eigentlich persönlich so gut am Palast der Republik?
Bargholz: Er erzählt sehr viel Geschichte.
Ach so?
Schöll: Der Palast der Republik steht für ganz viele Konflikte, schon zu DDR-Zeiten, als er noch Ort der Volkskammer war und gleichzeitig teilweise wirklich ein offenes Haus für das Volk. Es ist ein architektonisch beeindruckender, wichtiger Bau der Ostmoderne. Aber auch nach der Wiedervereinigung war der Umgang mit dem Palast sinnbildlich für die Entsorgung von Zeugnissen der Ost-Geschichte.
Sie sind beide erst nach der Wende geboren und in Westdeutschland aufgewachsen. Sie wissen sicher, dass es ehemalige Bürger der DDR gibt, die niemals einen Fuß in diesen Palast gesetzt hätten?
Bargholz: Der Förderverein arbeitet für eine Stadt, in der Widersprüche sichtbar sind und nicht einfach überbaut werden. Deshalb wollen wir den Palast in seiner politischen Funktion ja auch nicht wiederaufbauen, sondern ohne politische Insignien und in einem Zustand, als er schon transformiert wurde, als er nach der Wende schon angeeignet wurde. Also in einem Geist der Offenheit. Es geht uns nicht darum, die DDR zurückzufordern. Wir wollen fragen: Wie fühlte sich der Palast vor 1989 an und wie nach der Wiedervereinigung, als hier noch mal ein anderer Möglichkeitsraum entstand.
Sie sprechen von der künstlerischen Zwischennutzung?
Schöll: Ja, ganz genau.
Bargholz: Das hier ist der zentrale Ort Berlins, geografisch, symbolisch, aktuell touristisch und potenziell auch gesellschaftlich. 2004 und 2005 wurde gezeigt: Der Ort hätte weitergedacht werden können. Es hätte hier ein Ort entstehen können, der ein attraktives Kulturangebot für die Stadtbevölkerung bietet und gleichzeitig eine historische Integrität hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was