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IWF-Papier zu Griechenlands SchuldenDie Bombe aus Washington

Der Rettungsplan für Griechenland reicht hinten und vorne nicht, warnt der IWF. Doch Deutschland lehnt den nötigen Schuldenerlass ab.

Reicht es wieder nicht für die Griechen? Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Nur einen Tag nach der Einigung mit Griechenland auf neue Finanzhilfen wackelt der Milliardendeal schon wieder. Die Euro-Finanzminister konnten sich Dienstag in Brüssel nicht auf eine kurzfristige Brückenfinanzierung einigen, die zur Rettung der griechischen Banken dringend nötig ist. Zudem deckt der 80-Milliarden-Euro-Plan in keiner Weise den langfristigen Finanzbedarf des Landes ab, wie der Internationale Währungsfonds (IWF) kritisiert.

Das IWF-Papier, das offenbar bereits beim Krisengipfel am Wochenende bekannt war, schlug in Brüssel wie eine Bombe ein. Es bedeutet nämlich, dass der Schuldenberg Griechenlands trotz des nun versprochenen dritten Hilfsprogramms ungebremst weiter wächst – womit die Grundlage für eine weitere IWF-Beteiligung entfällt. Der Fonds darf nur helfen, wenn die Schuldentragfähigkeit gesichert ist.

Davon kann jedoch keine Rede sein. Der Schuldenberg werde bis 2018 von derzeit knapp 180 auf 200 Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung wachsen, heißt es in der dreiseitigen, vertraulichen Note, die der taz vorliegt. Angestrebt waren eigentlich einmal 120 Prozent. Das Problem lasse sich nur durch einen massiven Schuldenerlass oder direkte Subventionen für das griechische Staatsbudget lösen. Beides lehnt Berlin aber ab.

„Die dramatische Verschlechterung der Schuldenlage machte Schuldenerleichterungen in weit größerem Umfang nötig“, warnen die IWF-Experten. Die Lage sei noch ernster als vor zwei Wochen, als sie eine Studie zur Schuldentragfähigkeit vorgelegt hatten. Diese Studie hatte die EU offenbar bewusst unter dem Deckel gehalten. Dennoch forderte IWF-Chefin Christine Lagarde vor dem Euro-Gipfel am vergangenen Wochenende öffentlich einen Schuldenschnitt – ebenso Frankreich und Griechenland.

Doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte Nein. Ein Schuldenschnitt sei mit EU-Recht nicht vereinbar. Griechenland müsse kurzfristig benötigte Hilfen von 7 Milliarden Euro selbst auftreiben, sagte er. Zur Not könne es ja Schuldscheine ausgeben. Doch das würde auf eine Parallelwährung hinauslaufen und könnte den Grexit vorbereiten.

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23 Kommentare

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  • Schäuble vor einem Monat in der FAZ

    "Nein, der Internationale Währungsfonds drängt die Euroländer nicht dazu, Griechenland Schulden zu erlassen" http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/iwf-dringt-laut-wolfgang-schaeuble-nicht-auf-schuldenschnitt-13575691.html

     

    Finde den Fehler!

  • Es ist also nicht das US-Finanzkapital, "die tödliche Federal Reserve", wie Montagsmahnwachen und Friedenswinter propagierten, sondern die Härte des deutschen Weltmarktkapitals, das für GriechInnen tödliche Auswirkungen hat.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Ich freue mich, daß Frau Merkel auf ihre alten Tage doch noch ein bißchen was zu tun kriegt bis zu ihrem Abtritt. Erst mal sollte sie den schwäbischen und machtbesessenen Opa außer Betrieb nehmen. Wenn sie wirklich gedacht hatte, daß dieses monströse Abkommen 3 Jahre halten könnte, kennt sie aber wirklich weder die Menschen, noch die sozialen Bedürfnisse hier und in Griechenland, noch die Rachsucht und Geiermentalität der eigenen Truppe. Heute habe ich den CSU-Ferber im Fernsehen gesehen, als er sagte: 'Wenn ich den Tsipras schon sehe, dann ...'. Und Kommunisten gehen sowieso gar nicht, gell Frau Merkel.

    Also viel Spaß, Frau Merkel (sehr unpassend 'Mutti' genannt), laufen Sie sich schon mal warm für die Spanier und die Engländer und die Italiener. Der ursprünglich griechische Marathonlauf ist nicht einfach.

  • Schliesslich ist es Deutschland, das sich mit einem Exportfinanzierungspyramidenspiel höhere Einnahmen verschafft.

    • @tätig ist:

      es sind nicht höhrer einnahmen, sondern zu allererst mal forderungen. ob die jemals erfüllt werden steht noch in den sternen. wahrscheinlich werden wir diese forderungen als uneinbringlich ausbuchen können und unsere schönen exporterfolge slebst bezahlen. hauptsache unsere statistiken konnten eine zeitlang schön aussehen.

  • "Ein Schuldenschnitt sei mit EU-Recht nicht vereinbar." Ein Schuldenschnitt ist die gesetzlich einzig mögliche Konsequenz aus der Tatsache der Insolvenz. Entweder der Gläubiger macht ihn selbst oder ein Gericht verordnet ihn. Der Versuch eines Gläubigers, die Insolvenz des Schuldners zu verdecken, indem er das Geld zur Rückzahlung erneut leiht, kann nur als Insolvenzverschleppung berurteilt werden. Daran ändert auch die politische Versklavung des Schuldners nichts.

  • "Das Vernünftigste ist, jetzt einen echten Schuldenschnitt zu machen. Wer Griechenland Geld geliehen hat, müsste dann auf einen beträchtlichen Teil seiner Forderungen verzichten. Das würden einige Banken nicht verkraften, also müsste es neue Hilfsprogramme geben. Für Deutschland könnte das teuer werden, aber zahlen müssen wir so oder so. Und immerhin hätte Griechenland dann die Chance auf einen Neuanfang."

     

    – Albrecht Ritschl, Juni 2011

     

    in: "Euro-Krise: 'Deutschland ist der größte Schuldensünder des 20. Jahrhunderts' – Griechenlands Pleitekarriere lässt sich nicht überbieten? Doch – von Deutschland, sagt der Wirtschaftshistoriker Albrecht Ritschl im Interview. Er warnt: Die Bundesrepublik muss sich in der Euro-Krise zügeln, sonst könnte sich die Stimmung gegen das Land drehen.", Yasmin El-Sharif, Der Spiegel 21.6.11 http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/euro-krise-deutschland-ist-der-groesste-schuldensuender-des-20-jahrhunderts-a-769052.html

     

    Albrecht Ritschl: http://www.google.com/search?q=Albrecht+Ritschl+(Prof)

  • Immer diese Behauptung: "Ein Schuldenschnitt sei mit EU-Recht nicht vereinbar." Wer macht denn hier einmal den berühmten Faktencheck ? Ein solcher Journalist würde vermutlich feststellen: die Frage lässt sich nicht sofort eindeutig klären lässt - zumindest aber ist es eine Rechts-Frage (!! ), die sich hier stellt, ein Fall für ein europäisches Gericht, man kann doch hier nicht einfach Schäubles persönliche Auslegung der Verträge für rechtsverbindlich erklären!

     

    Es geht doch darum: Für die Schulden eines Landes in der Euro-Zone darf kein anderes Land haften. Die Grenze zur Haftung aber wurde schon mit der ersten Leihgabe überschritten. Schäuble tut so, als habe die Leihgabe selbst nichts mit Haftung zu tun, erst wenn man auf die Rückzahlung der Leihgabe verzichten würde, würde eine "Haftung" beginnen. Das ist aber meines Erachtens nicht korrekt: Ich übernehme schon mit der ersten Leihgabe die Haftung, denn Haftung heißt ja nicht, dass das Geld sofort weg ist, sondern nur, dass ich für den Verlust einstehe. Das tue ich mit einer Leihgabe natürlich, denn ich gehe das Risiko ein, dass der Beliehene zahlungsunfähig wird. Das ist jetzt eingetreten: Griechenland ist erklärtermaßen und vom IWF bestätigt, zahlungsunfähig (was den Gesamtbetrag angeht). Das heißt, hier wird deutlich: Deutschland hat mit seiner Leihgabe die Haftung übernommen und hat verloren. So sieht es aus. Wenn es eine Übertretung des Haftungsverbots gab, dann beim ersten "Rettungspaket", als man verhindern wollte, dass Griechenland sich insolvent erklärt. Abstreiten kann man die Haftung durch die damalige Leihgabe nur, wenn man die Möglichkeit der Insolvenz des Schuldners prinzipiell leugnet. Aber wie soll das gehen??

     

    Insolvenzverschleierung ist übrigens auch eine Straftat.

  • Die Haupt-Agenda des NeoLiberalismus ist, wie Karl Marx in seiner Kritik der politischen Ökonomie des Kapitals mit ungewöhnlichr Kälte und Schärfe diagnostizierte, nur sovie für die Arbeit auszugeben, dass "die Arbeiterrasse (gerade) überleben kann". Sind zuviel Arbeitsvermögen und Arbeitskraft auf dem Markt, scheut man auch nicht vor Verschrottung zurück; Der National-Sozialismus ging mit seinen KZ´s und Arbeitslagern so vor.

    Eine linksorientierte, progressive und und dazu noch moralisch integre Regierung Regierung war schon für die Neolibs in der EU unerträglich, erst recht, als auch noch das Grieschische Volk sie so eindruckvoll bestätigte und ihre Angebote zur weiteren Vergiftung und Verschlimmerung der ökonomischen und damit auch sozialen Lage, denn das bildete einen festen Zusammenhang, ablehnte. Jetzt mit aller "strukturellen" Gewalt, und die hat geht eindeutig von Deutschland aus; England macht da gerne mit. Kriegt man Tsipras schon nicht weg, das muss irgenwie doch der Grexit mit allen Mitteln her. Das ist die Politik und die SPD macht mit, Wetten?!

    • @Hajü der Weisse:

      Hat Karl Marx diese Kritik posthum verfasst? Ich dachte der wäre 1883 gestorben.

       

      Ansonsten kann ich Ihnen versichern: Ich als Angehöriger der "Arbeiterrasse" kann sehr gut überleben und befürchte auch nicht dass eine absolute Mehrheit der neoliberalen FDP dazu führt dass ich als Teil überschüssiger Arbeitskraft in einem KZ "verschrottet" werde.

      Ich bewerte den ersten Absatz nicht weiter, das wäre dem Umgangston hier nicht zuträglich

      • @Questor:

        Ja sicher Posthum, Karl Marx war halt ein Humanist. Es freut mich sehr, dass Sie wahrscheinlich zu einem priviligierten Teil der "Arbeiterrasse", O.-ton Marx, gehören, dem auch die FDP nichts anhaben könnte, und nicht zum überflüssigen Personal der Gesellschaft gehören, wie die Langzeit-Hartzler, oder die Almosen-, äh Grundsicherungsempfänger.

        Wollen wir es mit den Bewertungen gegenseitig lassen?

    • @Hajü der Weisse:

      "Eine linksorientierte, progressive und und dazu noch moralisch integre Regierung Regierung", sie meine jetzt aber nicht die aktuelle griechische Regierung, an der auch eine rechtsnationale Partei beteiligt ist, die mit der Vetternwirtschaft genauso weitergemacht hat wie ihre Vorgänger, die den Militärhaushalt nicht senken will. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

      • @hansen hansen:

        Vielleicht braucht Tsipras die, um sich die rechte Flanke, Militär, Polizei und Geheimdienst frei zu halten. Georg Schramm hat das in seiner letzten Rede jedenfalls als Vermutung geäußert. Mir kommt das sehr plausible vor. https://www.youtube.com/watch?v=c8H58ccYaLk

        • @Hajü der Weisse:

          Ja klar, dass nennt man dann "der Zweck heiligt die Mittel", aber was daran dann progressiv und und dazu noch moralisch integer ist verstehe ich nicht, vielleicht passt es zu linksorientiert, dies ist ja sowieso ein schwammiger Sammelbegriff

          • @hansen hansen:

            Nun so sprichwörtlich platt, ist die Strategie nicht. Es war immer ein Fehler der Linken, nicht auf nationale Identitässuche zu gehen, mit im Volk verbreiteten Mythen zu arbeiten, u.a.. Taktisch gesehen ist das Einbinden und damit ein Stück Kontrolle über rechte und populistische Bewegungen, wenn sie sich daraufhin ziemlich lautlos verhalten, mehr noch als nur der Vorteil des Schutzes der rechten Flanke in diesem Kampf: Arbeit gegen das Kapital. Das ist der grundlegende Gegensatz, nach K.Marx.

            Zur Bestimmung von "Links" H.H:.

  • "… Zudem deckt der 80-Milliarden-Euro-Plan in keiner Weise den langfristigen Finanzbedarf des Landes ab, wie der Internationale Währungsfonds (IWF) kritisiert.…"

     

    That makes the difference -

    Die - haben halt Varoufakis

    (aber auch Krugman&Stieglitz et al) Gelesen - get it!

    &können rechnen - & zwar -

    Nicht nur im eigenen Portemonnaie.

    Bitter!

    • @Lowandorder:

      I love you mit Wucht für deine Kommentare!

  • Griechenland ist sowohl im europäischen wie auch im globalen Gefüge eine Mücke. Wirtschaftlich & politisch.

     

    Wie kann es angehen, daß wirtschaftliche und politische Schwergewichte anfangen zu zittern ?

     

    Und dem 'Mini-Dracula' die Euro-Blutkonserve sogar noch hinterher getragen wird.

  • Mal eine Frage: Wenn Schäuble nicht "nein" sagen und damit einen Bruch des EU-Rechts planen würde, wäre er dann noch tragbar?

    • @Questor:

      Wie kommen Sie denn als Quaestor

      auf dieses schmale Brett - ?!

      Tatsache ist doch vielmehr -

      daß seit Jahren mit Gremien/Konsortien/

      Konferenzen & ähnlich freihändig geschaffenen Orgs - außerhalb jeglicher rechtlicher Absicherung hantiert wird

      - vgl nur Vogl Der Souveränitätseffekt -

       

      Und eben das - einem eingefleischten Carl-Schmitt-Apologeten wie Wolfgang Schäuble volle Kanne in die Karten spielt.

      (Nur zur Erinnerung - als IM Mielke 2.0 - war er heftigster Anhänger des Feindstrafrechts -

      vulgo - Freund/Feind-Denken ala

      Carl - Der Führer schützt das Recht - Schmitt!)

       

      Jetzt will er halt als FiMi - der

      Souverän sein - der den behaupteten

      Ausnahmezustand bestimmt.

      Unsere Verfassung wie die EU-Verträge sagen zwar was anderes -

      Aber das eben - schert GroßKotz -

      nicht die Bohne.

      "Parlamente ¿ - zu Quasselbuden!"

  • Ah ja. Ich hatte mich schon gewundert. Sieht aus, als käme nicht einmal der IWF mit dem Trotzköpfchen Schäuble auf vernünftige, erwachsene Art und Weise klar. Es bleibt Frau Lagarde offensichtlich nur, den „Mann“ so lange gewähren zu lassen, bis er sich selbst (und seine Kanzlerin, die ihm offenbar partout nicht ihr Vertrauen aussprechen will) vollkommen isoliert hat mit seinem irrationalen Gebaren. Man kann nur hoffen, dass die Griechen clever sind, die unausgesprochene Botschaft kapieren und ihrem gewählten Regierungschef lange genug die Treue halten. Womöglich ernten sonst die Krisenverursacher einmal mehr die Früchte der harten Arbeit Anderer. Mitunter sieht es ja tatsächlich aus, als würde der Teufel immer auf den größeren Haufen... - na, wir wissen schon.

    • @mowgli:

      Schuldenschnitt oder nicht? Die Rueckzahlung ist um Jahrzehnte verzoegert. Das ist kein heisses Thema. Das Baltikum, Slowenien, die Slowakei, und viele andere Staaten haben nach Einschnitten zu Wachstum zurueckgefunden. Das ist normal. Ich muss auch sparen, wenn ich mal weniger einnehme oder zu viel ausgegeben habe.