Schuldenstreit mit Griechenland: Jetzt muss das Parlament entscheiden
Die Abgeordneten in Athen sollen nun über Reformen abstimmen. Vize-Finanzministerin Valavani trat im Vorfeld zurück. Mehrere Proteste sind angekündigt.
ATHEN dpa | Mit der Abstimmung über die Spar- und Reformauflagen der internationalen Gläubiger entscheidet Griechenlands Parlament am Mittwochabend auch über das Schicksal der eigenen Regierung. Die Billigung im Eilverfahren ist Voraussetzung dafür, dass die Kreditgeber mit Athen über neue Finanzhilfen verhandeln. Regierungschef Alexis Tsipras warb trotz eigener Bedenken um Zustimmung zu dem Paket. Verweigern ihm allzu viele Parteifreunde die Gefolgschaft, drohen ein Koalitionsbruch und Neuwahlen.
Eine erste Folge gab es bereits vor der Abstimmung: Die stellvertretende griechische Finanzministerin Nadja Valavani ist am Mittwoch zurückgetreten. Zur Begründung erklärte die Syriza-Politikerin, sie könne das von den internationalen Gläubigern geforderte Sparprogramm und die damit verbundenen harten Einschnitte nicht unterstützen.
Nach der für den Nachmittag angesetzten Parlamentsdebatte sollen die Abgeordneten gegen 23.00 Uhr (MESZ) über das vier Milliarden Euro schwere Sparpaket namentlich abstimmen. Es umfasst vor allem höhere Mehrwertsteuern und Zusatzabgaben für Freiberufler sowie Besitzer von Luxusautos, Häusern und Jachten. Auch sollen Frühverrentungen größtenteils abgeschafft werden.
Damit soll das Parlament quasi in Vorleistung treten für ein drittes internationales Hilfsprogramm im Umfang von bis zu 86 Milliarden Euro. Griechenland wurde bereits seit 2010 mit zwei Hilfspaketen im Gesamtvolumen von fast 240 Milliarden Euro vor der Pleite bewahrt.
Im Regierungslager regt sich heftiger Widerstand. Sollten mehr als 40 Abgeordnete der linken Regierungspartei Syriza ausscheren, steht die Koalition trotz angekündigter Abstimmungshilfe der Opposition vor dem Aus. Auch eine Neuwahl schloss Tsipras nicht aus.
Werbung für das Reformpaket
In einem TV-Interview am Dienstagabend hatte der Ministerpräsident eindringlich für die Billigung des Reformpakets geworben. Zwar sei dieses auf Druck einflussreicher EU-Staaten zustande gekommen und widerspreche dem europäischen Geist. Dafür solle es noch 2015 eine Diskussion über Griechenlands Umschuldung und Großinvestitionen von 35 Milliarden Euro für mehr Wachstum geben.
Von dem Parlamentsbeschluss hängt auch die Zwischenfinanzierung Athens für die kommenden Wochen ab. Bislang ist offen, wie die bis Mitte August benötigten rund 12 Milliarden Euro aufgebracht werden sollen – zumal Athen beim Internationalen Währungsfonds (IWF) bereits im Zahlungsrückstand ist. Ohne zustimmendes Parlamentsvotum dürfte die Europäische Zentralbank auch ihre Notkredite für Griechenlands Banken nicht aufstocken, die laut dem Finanzministerium bis mindestens Donnerstag geschlossen bleiben werden. Außerdem muss Athen am Montag (20. Juli) 3,5 Milliarden Euro an die EZB zahlen.
Protest gegen Einsparungen
Gut 70 Prozent der Griechen sind laut einer Umfrage der Zeitung “To Vima“ für die Billigung des schmerzhaften Reformpakets. Das linke Blatt „I Efimerida ton Syntaktón“ klagte hingegen über „Maßnahmen, die wie Feuer brennen“.
Aus Protest gegen die Einsparungen traten griechische Staatsbedienstete am Mittwoch in einen 24-stündigen Streik, dem sich auch das Personal staatlicher Krankenhäuser und Eisenbahner anschlossen. Für den Nachmittag und Abend riefen Gewerkschafter zu Demonstrationen im Athener Stadtzentrum und vor dem Parlament auf.
Die Kritik des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras am Schuldenkompromiss der Eurozone erregt in Deutschland Missfallen. Finanzstaatssekretär Jens Spahn sagte am Mittwoch, Tsipras Äußerungen seien wenig hilfreich. Es stärke kaum das Vertrauen, wenn der Regierungschef zu verstehen gebe, dass er nicht an das glaube, was er nun tue, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch in der ARD.
Leser*innenkommentare
Markus Maria Strobl
Verständlich, dass Tsipras dem 17-stündigen Psychoterror nicht standhielt. Vielleicht hält das Parlament stand? Er hätte umgekehrt drohen sollen: mit Euroaustritt, EU-Austritt, Nato-Austritt. Dann wären die Berliner Durchmarschierer/innen vielleicht zur Besinnung gekommen und hätten wirklich einen ehrenvollen Abschluss statt nackter Erpressung angeboten.
Professor Wagstaff
Sprache ist wichtig.
Es wäre schön der Wahrheit dienlich, wenn wenigstens die taz Wörter wie "Hilfsprogramm" oder "Hilfspaket" zumindest in "" setzen oder sie, besser noch, generell durch passende Begriffe ersetzen würde.
Was auch immer da gemacht wurde und nun wieder gemacht werden wird: Eine Hilfe für Griechenland ist es jedenfalls nicht.
Georg Schmidt
also, ich hab dies nun 2 Wochen erfolgt, zum SChluss bin ich nur noch gespannt welche Kaninchen aus den Hüten gezaubert werden, scheinbar ist die Trickkiste noch nicht leer
Nicky Arnstein
Ob die das Oxi beim Referendum berücksichtigen werden?
Peter Meisel
ATHEN dpa | Mit der Abstimmung über die Spar- und Reformauflagen der internationalen Gläubiger entscheidet Griechenlands Parlament am Mittwochabend auch über das Schicksal der eigenen Regierung.
Mir gefällt die Idee, dass das demokratische Parlament von Athen entscheidet! DEMOS hat die Macht KRATEIN! Über Allem wacht die Göttin Athene. https://www.dropbox.com/s/cnw0jdf3sgjf118/Screenshot%202015-07-12%2020.49.16.png?dl=0 In der lebendigen Demokratie zu Athen heute wacht die jetzige Athene darüber: https://www.dropbox.com/s/x9avzzm6vjxjzmt/Screenshot%202015-07-15%2013.48.00.png?dl=0 Das macht mich zuversichtlich.
Auch wir könnten wieder mehr Humanistische Bildung gebrauchen, statt BILD-DUNG?
Der Zorn des Achilles, wie in der Ilias beschrieben und der Städtezerstörer Odysseus vernichten Troija (Troika), das Dreigespann ohne legitimierten Lenker. Am Ende werden die gierigen Freier getötet. Soweit die Erzählung von Homer.