Hooligan-Posing: Rechte auf Revier-Erweiterung
Bremer Nazis suchen zunehmend Gelegenheiten zum Hooligan-Posing. Bei der EM in Frankreich, aber auch bei einem missglückten Fackelzug an der Uni.
Das will die Bürgerschafts-Fraktion der Grünen nun wissen und hat eine umfangreiche Anfrage zu den Aktivitäten der Bremer Hooligan-Szene – und den Gegenaktivitäten des Senats – in den letzten Jahren eingereicht.
„Keine Erkenntnisse über einen Aufenthalt“
Bei der Polizei Bremen lägen „keine Erkenntnisse über einen Aufenthalt von Bremer Hooligans bei der EM in Frankreich vor“, erklärte Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin des Innenressorts, auf Anfrage der taz. Ebensowenig weiß man über eine Beteiligung von Bremer Hooligans an Gewalttaten während der EM. Auch Ausreiseverbote gegen Bremer Hooligans für die EM habe es keine gegeben. Aus Gründen der Gefahrenabwehr hätte das Stadtamt die Möglichkeit, eine Meldeauflage auszusprechen. Sei eine Person in der letzten Zeit nicht polizeilich in Erscheinung getreten, gebe es keine rechtlichen Möglichkeiten, einer Person die Ausreise zu untersagen.
Nach Informationen der taz indes sind mindestens vier Anhänger der Bremer Hooligan-Gruppe „Nordsturm Brema“ bei einem Deutschlandspiel in Frankreich gewesen. Wie die „Standarte Bremen“ und andere Hooligan-Gruppen hatte „Nordsturm Brema“ sich Anfang 2015 angeblich selbst aufgelöst, nachdem ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes ermöglichte, Hooligan-Gruppen als kriminelle Vereinigungen einzustufen.
Fotos von der EM zeigen nun unter anderem den Kopf der Truppe, Mirko H., wie er mit insgesamt zwölf Männern in der unterirdischen Metro-Station „Grands Boulevards“ hinter einer großen Deutschlandfahne posiert. Auf einem weiteren Fotos hängen einige Männer vor einer Sportsbar am Boulevards Poissonière, einer Verlängerung des berühmten Boulevards Hausmann, unweit der Metro-Station eine Deutschland-Fahne mit dem Schriftzug „Bremen“ auf.
Thomas Hafke, Fan-Projekt Bremen
Überfall auf antirassistische Ultras
Der Hooligan Mirco H. ist dabei kein Unbekannter: 2007 war er am Überfall auf eine Party von antirassistischen Ultras im Ostkurvensaal beteiligt, 2012 tauchte er in einem Video auf, das ihn zusammen mit anderen Bremer Hooligans bei einer verabredeten Schlägerei mit einer Duisburger Gruppe in einem Waldstück zeigt und bei dem er ein Hakenkreuz auf dem T-Shirt trägt. H. hatte bis 2013 ein bundesweites Stadionverbot.
Zuletzt tauchte er in Bremen im April 2015 auf – beim Nordderby gegen den HSV: Beobachter identifizierten ihn als Teil der Gruppe rechter Hooligans vor der Kneipe Verdener Eck, zusammen mit Hannes Ostendorf, dem Sänger der rechtsextremen Band „Kategorie C“ und „Captain Flubber“, einem der Organisatoren des Vereins „Gemeinsam Stark Deutschland“, einer Abspaltung der „Hooligans gegen Salafisten“. Aktenkundig wurde Mirko H. bei der Gelegenheit allerdings wohl nicht: Laut dem Bremer Rechtsanwalt Horst Wesemann wurden im Zuge der Auseinandersetzung am Verdener Eck von der Polizei nur die Personalien der linken Ultras aufgenommen. Wesemanns Mandant Valentin S. war im Juni unter anderem für seine Beteiligung an der Auseinandersetzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.
Aus Bremen nach Frankreich zur EM aufgemacht hat sich auch Felix S., ein Nachwuchs-Hooligan aus dem Bremer Umland, der seine politische Karriere einst im Umfeld der neonazistischen „Aktionsgruppe Delmenhorst“ begann. Heute taucht er bei verschiedenen Anlässen unter anderem mit Anhängern der Hooligan-Gruppen „Nordsturm“ und der „Standarte“ auf.
Mit Baseball-Schlägern auf den Campus
Wie es um diese Gruppen nun eigentlich steht, welche Erkenntnisse der Senat über die rechten Hooligans in Bremen hat, haben die Grünen gefragt. Und auch, was die Polizei über die Hintergründe der jüngsten Vorfälle in Bremen weiß: Am 18. Juni war eine mit Baseball-Schlägern ausgestattete Gruppe mit Fackeln über den Campus der Bremer Universität marschiert. Und am 12. Juni hatten einige Personen am Ostkurvensaal im Weser-Stadion posiert und Aufkleber gegen Flüchtlinge verklebt, wo das antirassistisch engagierte Bremer Fan-Projekt seine Räume hat.
Beide Male hatten sich die Personen selbst gefilmt und mit grün-weißen Sturmmasken vermummt – ein ungewöhnliches Utensil, dass bereits bei einer Fahrt eines Schiffes voller Hooligans auf der Weser anlässlich des 100. Nordderbys zum Einsatz kam. Die Polizei hatte damals nur 43 der 137 Personen kontrolliert, im Anschluss waren die Hooligans unter anderem auf die Journalistin Andrea Röpke losgegangen.
Die Grünen wollen nun auch wissen, ob Hooligans nach der jüngsten Aktion vom Ostkurvensaal womöglich anschließend zum EM-Vorrundenspiel der deutschen Nationalmannschaft nach Lille weitergereist sind, wo es auch zu Ausschreitungen kam. Thomas Hafke vom Fan-Projekt Bremen hält das zumindest zeitlich für möglich. Zu den Vorfällen am Ostkurvensaal und an der Uni sagte er: „Mein Eindruck ist, dass die Hooligans sich wieder trauen, öffentlich aufzutreten und wieder anfangen, ein Bein auf den Boden in der Fan-Szene zu kriegen“.
Zum Vorfall an der Uni erklärte die Sprecherin des Innenressorts gegenüber der taz, die Polizei gehe derzeit davon aus, dass sich die Personengruppe „in optisch martialischer Art und Weise vermummt und skandierend inszenierte und filmte, um möglicherweise ein entsprechendes Video im Internet zu publizieren“. Einen Zusammenhang zur EM gebe es nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht.
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