Homophobe Zeitungsbeilage in Bayern: Die Liminski-Connection
Eine Zeitungsbeilage wirbt in Bayern für homophobe Positionen. Dahinter steckt ein Netz aus reaktionären Hardlinern und CSU-Politikern.
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Vor gut zwei Jahren setzte der verurteilte Rechtsterrorist Dominique Venner seinem Leben ein Ende, um gegen die „abscheuliche“ Homoehe zu protestieren. Er tötet sich selbst in der Pariser Kathedrale Notre-Dame. In seinem Abschiedsbrief heißt es: „Ich lehne mich auf gegen die überhandnehmenden selbstischen Sehnsüchte, die (…) vor allem die Familie, Grundlage unserer jahrtausendealten Zivilisation, zerstören.“
Dass man Dominique Venner auf Deutsch zitieren kann, verdankt sich der Übersetzung von Jürgen Liminski, nachzulesen auf der Webseite der Jungen Freiheit. Der „rechts-konservative Hardliner“ (Süddeutsche Zeitung) ist nicht nur tätig als Überbringer schlechter Nachrichten und Moderator einer der renommiertesten Sendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den „Information am Morgen“ des Deutschlandfunks. Darüber hinaus nimmt Liminski auch andere Aufträge als Autor an.
Aktuell schrieb er in der Familienbunt, einer vom Familienbund der Katholiken im Bistum Augsburg herausgegebenen Publikation, die an diesem Wochenende der Augsburger Allgemeinen beilag. Diese Ausgabe von Familienbunt wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familien und Integration gefördert. Zu verantworten hat das die Staatsministerin Emilia Müller.
In seinem von der bayerischen Steuerzahlerin mitfinanzierten Dreiseiter streitet Liminsksi für die Anerkennung des „Berufs Mutter“: „Mütter streiken nicht“, weiß Mutter Liminski. Er ficht gegen die Fremdbetreuung von Kindern unter drei Jahren, die keine „Bindung“ ermögliche, weil das „Körpergefühl“ in der Krippe „zu kurz komme“, denn: „Körpergefühl ist in der frühesten Kindheit Mama-Gefühl“, weiß ‚Mama of the year‘ Jürgen Liminski. Kein Wunder, dass diese Analyse in eine Verteidigung des Betreuungsgeld mündet – über das heute in Karlsruhe entschieden wird – und in eine Verteidigung der Familie als „Kern jeder Sozialordnung“ im Sinne des größten Familiengründers aller Zeiten: Joseph Ratzinger.
„Diktatur der Verwirrung“
Mit dem Beitrag des Subventionsritters Liminski hat sich das von keinem Franziskus-Geist angekränkelte reaktionär-katholische Potenzial von Familienbunt aber keineswegs erschöpft.
Prof. Hans Peter Klein darf auf zwei Seiten ausführen, „wie Minoritäten – offenbar mit politischer Unterstützung – der Mehrheit ihre Vorstellungen mit fast religiösem Eifer diktieren können.“ Es geht – natürlich, falls man das hier sagen kann – um die massenhafte „Genderisierung der Universitäten“.
Als Höhepunkt erwartet die interessierte Leserin ein Pamphlet zur „Diktatur der Verwirrung“ oder, wie es die Redaktion in einfacher Sprache sagt: „10 Thesen gegen die Homoehe“.
Verfasser ist hier der französische Theologe Bertrand Vergely. Von da an beginnt sich alles im Kreis zu drehen, weil man erneut auf die üblichen Verdächtigen stößt: Entnommen ist der Text nämlich nach Angaben des Familienbundes dem Blog „Die Entdeckung des Eigenen“. Gibt man dort im Suchfenster ganz unschuldig den Namen Jürgen Liminski ein, so stößt man auf einen Bericht zur Tagung einer „iDAF-Konferenz“ in München, in dem einen erneut die Thesen Liminskis zur frühkindlichen Erziehung begrüßen.
Die Krude-Thesen-Verbreiter
Geschäftsführer beim „Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e. V“ (iDAF) ist: Jürgen Liminski. Und bei der 2013 im Haus der CSU nahen Hanns-Seidel-Stiftung in München abgehaltenen Konferenz steuerte Christine Haderthauer – unglückliche Vorgängerin von Emilia Müller als Staatsministerin – ein Grußwort bei. Ein illustrer, aber gleichwohl eingeschworener Kreis also, der hier in Form eines reaktionär-katholischen Netzwerks – und auf Kosten der bayerischen Steuerzahlerin – munter krude Thesen verbreitet.
Ob und für welches Honorar Jürgen Liminski auch die Thesen von Bertrand Vergely gegen die Homo-Ehe übersetzt hat, erfahren wir nicht, das muss auch nicht mehr sein: Im vergangenen Jahr sind in Deutschland 217.716 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten. Das ist Rekord. Die Benediktkamarilla in den Medien lässt das kalt – im Zweifelsfall steht der CSU-Staat hilfreich zur Seite.
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