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Homeschooling wie vor der PandemieVon wegen Digitalisierung

Nadine Conti
Kommentar von Nadine Conti

Dass beim digitalen Unterricht immer noch wenig klappt, hat liegt am Versagen der Verwaltung – und an der Technikfeindlichkeit des Bildungsbürgertums.

Wer was ausprobiert, wird garantiert ausgebremst: Lehrerin allein im Netz Foto: Kay Nietfeld/dpa

E in weiteres E-Mail-Postfach. Wenn mich jemand nach dem Stand der Digitalisierung an Niedersachsens Schulen fragt, ist das die Antwort, die ich aus eigener Anschauung dazu geben kann: Ich habe jetzt ein weiteres E-Mail-Postfach. Auf der von der Schule bevorzugten Plattform, auf der sich immerhin auch das Kind selbstständig die Arbeitsblätter herunterladen und ausdrucken kann – und manchmal sogar Fragen stellt und Ergebnisse zurückschickt.

Soweit ich es beurteilen kann, ist das der einzige Fortschritt. Von den iPads oder sonstigen Endgeräten, von denen viel die Rede war und auf die sich die Kinder schon gefreut haben, ist hier bisher nichts angekommen. Obwohl diese Pandemie schon einen altersschwachen Laptop und ein Tablet endgültig in die Knie gezwungen hat.

Ich mag mich darüber aber auch kaum noch aufregen. Ich nehme an, dass uns diese Endgeräte auch nichts nützen würden, weil nach wie vor ein großer Teil der Lehrerschaft keine Vorstellung davon hat, wie man diese Dinger sinnvoll nutzen könnte.

Es gibt zwei Dinge, an denen die Digitalisierung der Schulen gerade scheitert: Das eine ist das seit Jahren zur Perfektion getriebene System der organisierten Verantwortungslosigkeit, bei dem garantiert jedes Rädchen neben das andere greift; und das andere ist das Personal.

Lehrers Bauchschmerzen heißen Datenschutz

Nur ein kleines, absurdes Beispiel für die Idiotie des Systems: Zuständig für die Anschaffung der Ausstattung sind in der Regel die Schulträger, also die Kommunen. In anderen Organisationen würde das nun so laufen, dass man – beim Einkauf neuer Geräte oder neuer Software – die entsprechenden Schulungen für die Mitarbeiter gleich mit einkauft. Das geht hier aber nicht, weil die Kommunen den Lehrern nichts zu sagen haben – die sind ja schließlich Landesbedienstete und ihre Fortbildung ist ein Kapitel für sich.

Außerdem haben sie bestimmt ein Datenschutzproblem. Das ist nämlich die willkommene Ausrede für alle, die keine Lust haben, sich mit diesem neumodischen technischen Schnickschnack auseinanderzusetzen. Der Datenschutz ist für Lehrer, sonstige Beamte und auch manche Eltern das, was für das Schulkind die diffusen morgendlichen Bauchschmerzen sind. Ohne sich auch nur 30 Sekunden damit auseinandergesetzt zu haben, auf welche Daten ein Programm überhaupt zugreift und welche Gefährdungen davon ausgehen: Uh, nein, aua, geht gar nicht.

Dieses akute Bauchweh hängt vor allem damit zusammen, dass im deutschen Bildungsbürgertum seit Jahrzehnten die Auffassung gepflegt wird, Bildschirme seien böse. Und zwar vollkommen unabhängig davon, was man mit diesen Bildschirmen so tut. Immer ist nur von den Gefahren die Rede gewesen, der verheerenden vollrausch-artigen Wirkung auf das arme Kindergehirn, der unweigerlichen Vernichtung von Kreativität, Konzentrationsvermögen und motorischen Fähigkeiten.

Wie soll man sich denn da so plötzlich umstellen? Nein, nein, besser man beschränkt die Benutzung auf ein Minimum und nutzt die Geräte allenfalls dazu, Hausaufgaben zu verteilen und wieder einzusammeln.

Zumal, seien wir mal ehrlich, das mit dem Umstellen ja ohnehin so eine Sache ist. Veränderungen haben die wenigsten Menschen gern. Und offenbar zieht dieser Lehrer­beruf noch einmal überdurchschnittlich viele Menschen an, die es a) gern sicher und überschaubar haben und sich b) dann darüber beklagen, dass Kinder irgendwie auch nicht mehr so sind wie noch vor zehn Jahren.

Natürlich, nicht alle Lehrer, es gibt auch andere: Menschen, die tatsächlich gern mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und die über die dazu nötige Offenheit, Neugier und geistige Beweglichkeit verfügen. Das sind die, die sich auch mit Begeisterung auf neue Mittel und Wege stürzen – und dann todsicher ausgebremst werden.

Das darf in diesem System nämlich auch nicht sein: dass da irgendeiner einfach macht und ausprobiert. Da muss man erst die Förderrichtlinie abwarten, einen Konferenzbeschluss herbeiführen, einen Beauftragten ernennen, einen Arbeitskreis gründen und die nötigen Ausgleichsstunden in den Stundenplan einspeisen. Das kann dann halt schon einmal drei bis vier Pandemien lang dauern, bis so etwas wie digitaler Unterricht tatsächlich möglich ist.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Mich ärgert dieser Artikel sehr. Es sollte berücksichtigt werden, dass als erstes die Infrastruktur passen muss. Jetzt, wo alle im Onlineunterricht sind, stürzt das System ab, weil es überlastet ist.

    Ein Lehrer darf auf dem PC keine Personenbezogenen Daten speichern oder muss diese verschlüsseln. Wie das geht, muss er sich selbst aneignen, den PC muss er sich selbst kaufen. Aus meiner Sicht liegt es am Arbeitgeber diese Infrastruktur bereitzustellen.

    Die Programme, die von den Schulen bevorzugt werden Office 365 sammelt Daten ohne Ende. Wer trägt die Verantwortung dafür? Am Ende, so befürchte ich, müssen die Lehrer dafür gerade stehen, weil Sie die Software benutzt haben. Hier sollte als erstes Rechtssicherheit herrschen, und die Verantwortungen klar festgelegt werden.

    Des Weiteren müssten Fortbildungen stattfinden, damit ein qualifizierter Unterricht stattfinden kann und nicht über „Learning by Doing“ die Schüler darunter leiden müssen, dass die Lehrer die Software nicht ausreichend beherrschen. Wir wollen doch nicht, dass die Qualität des Unterrichts darunter leidet. Das wäre so, als würde man einen Zeitungsartikel schreiben ohne Ahnung von der Materie zu haben.

  • Ehrlich gesagt macht mich dieser Artikel richtig sauer. Vor 10 Jahren, als ich an meine Schule kam, wurden hier schon digitale Plattformen eingesetzt. Seit 3-4 Jahren nutzen wir Office 365 mit TEAMS. Technisch versierte Kollegen übernehmen die Aufgaben, die normalerweise in einem Betrieb dieser Größe eine ganze IT-Abteilung leisten würde (wir haben inzwischen mehr Tabletklassen als tabletfreie Klassen und geschätzt 10 Computerräume). Der Online-Unterricht mit Kamera war natürlich ein harter Break. Das liegt aber daran, dass wir das vor Corona ja gar nicht üben durften (Präsenzpflicht). Und übrigens durften wir in diesem Schuljahr zum ersten Mal letzten Mittwoch online unterrichten. D.h. seit Mai eine Fortbildung nach der anderen, nur damit ein großer Teil des Wissens durch Nichteinsetzen wieder verschüttet ging, Gerne hätte ich ab September bei den älteren Schülern an einem Tag in der Woche Online-Unterricht gegeben, damit wir alle langsam dazulernen können, anstatt jetzt wieder alles auf einmal - von heute auf morgen - umzustellen.

    Stichwort Datenschutz: Meiner Meinung stimmt meistens eher das Gegenteil dessen, was im Artikel einfach mal behauptet wird. Ja, viele haben Bauchweh wegen des Datenschutzes - aber deswegen, weil sie in Kauf nehmen, irgendwann mächtig Ärger zu bekommen, weil es kaum möglich ist, alles richtig zu machen, ohne ein halbes Jurastudium abgelegt zu haben. Das kann man kritisieren. Aber sicher nicht, dass wir wegen des Datenschutzes unsere Aufgaben nicht wahrnehmen.

    Ich nehme den Artikel als dreiste Unterstellung auf, der nur in Einzelfällen etwas mit der Realität zu tun hat. Ja, es gibt sie überall - die Faulen und Trittbrettfahrer - in der freien Wirtschaft wie auch in der Schule. Aber ich komme ja auch nicht auf die Idee, meinen Schülern zu erzählen, Journalisten seien ein faules Pack, weil es Fälle gibt, in denen nicht anständig recherchiert wurde - wie in diesem Fall hier.

  • In einigen Punkten mag Frau Conti durchaus Recht haben, aber in Sachen Datenschutz macht sie es sich zu leicht. Man kann der Bildungspolitik und Verwaltung vorwerfen, sich nicht rechtzeitig um das Angebot von datensicheren Alternativen für den Unterricht gekümmert zu haben. Aber Lehrkräfte, die fehlenden Datenschutz bei den Softwareangeboten von Microsoft, Google, Zoom usw. anmahnen, Technikfeindlichkeit vorzuwerfen, ist ziemlich ignorant. Denn hier handelt es vor allem um diejenigen, die sich viel und gerne mit Technik und digitalen Möglichkeiten auseinandersetzen. Und die Lehrkräfte und Datenschutzbeauftragte tun gut daran, Microsoft 365, Google Classroom, Apple Classroom und WhatsApp aus den Schulen rauszuhalten, denn diese sammeln nicht nur Nutzungsdaten der Schüler*innen, sondern speichern unter Umständen auch deren selbstverfassten Texte und andere Arbeiten und machen sie unbekannten Dritten zugänglich.

    Der Verein Digitalcourage hat dazu eine hervorragende Materialsammlung angelegt und stellt auch viele datensichere Alternativen vor, die in Schulen genutzt werden können. Auch Frau Conti sei diese Weiterbildung ans Herz gelegt:



    digitalcourage.de/...fresser-an-schulen

  • 0G
    02881 (Profil gelöscht)

    Tja, ich denke auch es liegt am System UND am Personal. Denn seltsamerweise funktioniert der Online-Unterricht an den Hochschulen ganz ok.

    Noch vor Corono war es ja "in" geworden ordentlich auf die Quereinsteiger, von denen viele aus der Selbständigkeit aber auch der freien Lehrtätigkeit an Hochschulen kommen, einzuknüppeln. Jetzt sag ich mal: wären mehr Quereinsteiger in unserem Schulbetrieb involviert, und auch entscheidungsbefugt, sähe dieses digitale Disaster evtl. nicht ganz so schlimm aus.

    • @02881 (Profil gelöscht):

      Wir haben an unserer Schule sowohl viele Technikleher (Quereinsteiger) als auch Allgemeinbildner (Lehramtstudium). Sie werden lachen, aber es sind überwiegend die Allgemeinbildner, die beim Online-Unterricht vorne mit dabei sind (also was z.B. zeitgemäße Unterrichtskonzepte angeht).

      • 0G
        02881 (Profil gelöscht)
        @Parabel:

        Interessant! Ich höre leider fast ausschließlich Gegenteiliges...das allerdings weniger vom Lehrkörper als von Elternseite.

        Erläutere ich dann wie aktuell der Onlineunterricht an den Hochschulen abläuft, höre ich stets: "Undenbkar an den allgemeinbildenden Schulen". Vielleicht darf man aber auch Uni und Schulen einfach nicht vergleichen...