Homeoffice in der Berliner Verwaltung: Kommando Schlepptop
Viele Senatsverwaltungen hatten im März zu wenig Rechner, um MitarbeiterInnen ins Homeoffice zu schicken. Nicht überall hat sich die Lage verbessert.
Fünf Wochen später kam Corona, und die Arbeitsumgebung mit Zukunft war plötzlich eine ganz andere – zu Hause am Esstisch zum Beispiel. Im Sinne des Infektionsschutzes lautete die Devise ab Mitte März: Homeoffice für möglichst viele MitarbeiterInnen. Doch die meisten Senatsverwaltungen wurden davon kalt erwischt, wie aus einer jüngst veröffentlichten Antwort auf eine Kleine Anfrage des linken Abgeordneten Tobias Schulze hervorgeht.
Ganz gut sah es da noch bei der Senatsverwaltung für Finanzen aus: Auf rund 680 Beschäftigen in der direkten Verwaltung kamen Anfang März 329 mobile Arbeitsplätze. Allerdings drückten die Finanzämter die gute Quote: Dort arbeiten mehr als 6.500 Menschen, aber nur 800 mobile Arbeitsplätze standen zur Verfügung.
Auch im direkten Verantwortungsbereich des Regierenden Bürgermeisters hatte die Zukunft schon vor den Herausforderungen der Pandemie begonnen. Der Michael Müller (SPD) zugeordnete Bereich Wissenschaft und Forschung verfügte im März über 132 Mobil- und Heimarbeitsplätze und war damit voll ausgestattet; in der Senatskanzlei waren es immerhin 132 für 275 MitarbeiterInnen – knapp die Hälfte.
Nur acht Mobilarbeitsplätze
Ganz anders sah die Lage aus bei der Justizverwaltung, die lediglich acht Mobilarbeitsplätze zählte; allein die eigentliche Senatsverwaltung beschäftigte damals 420 MitarbeiterInnen. Dazu kommen die Gerichte, Staatsanwaltschaften und Knäste, was die Zahl auf fast 10.000 MitarbeiterInnen steigen lässt.
Tobias Schulze, Linke
Bescheiden waren die Möglichkeiten, sich vor Corona ins Heimoffice zu flüchten, auch in den Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr oder Bildung.
„Die Pandemie hat uns damals sehr, sehr unvorbereitet getroffen“, bilanziert Tobias Schulze, Sprecher der Linksfraktion für Netzpolitik und Digitalisierung. Ihn hätten in der Hochphase der Pandemie viele Beschwerden von Mitarbeitenden über fehlende Laptops erreicht. Mehrere Verwaltungen mussten in der Not auf private Geräte der Mitarbeitenden zurückgreifen.
So war es zum Beispiel PolizistInnen vom 20. März bis 19. April gestattet, „private, nichtdienstliche Geräte“ zu nutzen. In einigen Verwaltungen wurden sogar private E-Mail-Adressen für die Arbeit verwendet. „Der Gebrauch von privaten Rechner war als Kompromiss damals vertretbar“, sagt Schulze heute. Es sei aber keine Dauerlösung.
Inzwischen sind laut dem linken Abgeordneten „relevante Fortschritte“ erzielt worden: So wurde eine aufwendige Struktur mit 12.500 sogenannten VPN-Tunneln aufgebaut für den sicheren Zugang von außen ins Netzwerk der Verwaltungen. Die Lieferengpässe bei Laptops jener Zeit seien überwunden, die Bestellungen abgearbeitet.
Martin Klesmann, Schulverwaltung
Tatsächlich haben Mitte August zum Beispiel in der Senatskanzlei knapp zwei Drittel der Mitarbeitenden mobile Arbeitsplätze. In der Finanzverwaltung hat sich die Zahl derer, die „mobil ausgestattet sind“, seit Mitte März verdoppelt. „Für mindestens 80 Prozent der Dienstkräfte wurde ein Telearbeitsplatz bereitgestellt“, teilte ein Sprecher der Finanzverwaltung auf taz-Anfrage mit. Auch andere Verwaltungen konnten die Zahl der externen Zugangsmöglichkeiten deutlich hochfahren.
Die Bildungsverwaltung hingegen gilt weiterhin als eines der digitalen Sorgenkinder. Zwar sind im ministeriellen Bereich der Bildungsverwaltung „rund ein Viertel aller Arbeitsplätze“ mit mobilen Endgeräten ausgestattet, wie Sprecher Martin Klesmann auf taz-Anfrage erklärt. Laut der Antwort auf die Kleine Anfrage sei die Nachfrage nach Telearbeit aber „stark steigend“.
Es fehlten allein in der Bildungsverwaltung rund 1.500 Notebooks für eine „auskömmliche Ausstattung“ im Falle einer erneuten Homeoffice-Phase. Weitere Geräte zu bekommen sei jedoch auch aktuell eine Herausforderung, berichtet Klesmann: „Gemäß Aufforderung waren Notebook-Bestellungen bisher nur mit personengebundenem Bedarfsnachweis möglich.“ Zudem bestünden weiterhin „Lieferzeiten zwischen 8 und 13 Wochen“.
Gänzlich unverändert ist zudem die Lage der LehrerInnen. „Die technische Ausstattung der Lehrkräfte wurde im Zuge der Pandemie nicht verbessert“, heißt es in der Antwort. Ein Konzept, wie die für LehrerInnen, pädagogisches Personal sowie die SchülerInnen benötigten exakt 365.225 mobilen Endgeräte beschafft werden sollen, „befinde sich in der Abstimmung“. Laut Klesmann laufen dazu Absprachen: „Hierzu soll es ja Bundesprogramme geben, die die Länder kofinanzieren.“
Die Lage bleibt kritisch
Und auch anderswo bleibt die Situation verbesserungswürdig: Mehrere Verwaltungen teilten in der Antwort auf die Linken-Anfrage mit, dass der zusätzliche Bedarf an Computern weiterhin groß sei – in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beträgt er danach 350 mobile Geräte – und oft nur durch die weitere Nutzung privater Geräte gedeckt werden könne.
Sehr kritisch bleibt die Lage auch in der Justizverwaltung. Bis August sei die Zahl der externen Zugriffe auf Arbeitsplätze auf lediglich 12 gestiegen. Für eine auskömmliche Ausstattung brauche es aber 300 Endgeräte.
Langfristig strebt der Senat an, alle Arbeitsplätze homeofficefähig zu machen. Um diese „One Device“-Strategie umzusetzen, sollen Laptops angeschafft werden, die dann im Büro mittels einer Docking-Station an einen großen Bildschirm angeschlossen werden können. Jedes Jahr, so die Antwort auf die Anfrage, sollen ein Fünftel aller Rechner damit ersetzt und so mobil werden – wo das nötig ist.
Tobias Schulze geht derweil davon aus, dass bei einer zweiten Welle nicht mehr so viele MitarbeiterInnen wie möglich überstürzt ins Homeoffice geschickt würden. „Wir haben jetzt Hygienepläne aufgestellt und viele Erfahrungen gesammelt.“ Aber die Aufgabe, die Verwaltung für Krisen aufzustellen, bleibe erhalten.
„Es kann jederzeit passieren, dass Mitarbeiter zu Hause bleiben müssen.“ Um die technischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, wollen die rot-rot-grünen Netz-PolitikerInnen sich dafür einsetzen, dass im dritten Nachtragshaushalt ein „niedriger Millionenbetrag“ bereitgestellt wird.
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