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Hoffen auf den Schröder-Bonus

Neuwahlen wird die Berliner SPD erst riskieren, wenn das volle Ausmaß des Finanzdebakels untrennbar mit den drei Buchstaben CDU verbunden ist

aus Berlin RALPH BOLLMANN

Bald hat es Klaus Landowsky überstanden. „Anfang Mai werde ich unsere Fraktionsklausur im bayerischen Kloster Banz leiten“, verkündete der frühere Strippenzieher der Berliner CDU rechtzeitig zum Parteitag des Koalitionspartners SPD – ganz so, als würde es sich schon um die Urlaubsreise eines Vorruheständlers handeln. „Und eine Woche darauf werde ich auf dem Landesparteitag den Bericht des Fraktionsvorsitzenden geben“, schiebt er hinterher, das Wort „Abschlussbericht“ nur mit Mühe vermeidend.

Kaum jemand in Berlin zweifelt noch: Am 12. Mai wird die CDU ihrem Fraktionschef, der durch eine Spenden- und Finanzaffäre schwer angeschlagen ist, einen „würdevollen Abschied“ bereiten. Soweit das bei einem Politiker noch möglich ist, der den Zeitpunkt für einen Rücktritt in Ehren längst verpasst hat.

Mit seinen Andeutungen hat Landowsky erreicht, was er wollte: Der Bruch der großen Koalition in der Hauptstadt, der in den letzten Wochen greifbar nahe schien, ist vorerst wieder abgesagt. Auf einem effektvoll inszenierten Landesparteitag hakte die Berliner SPD das Thema am Wochenende eher routinemäßig ab. Noch einmal brüllte der Landesvorsitzende Peter Strieder die Forderung in den Saal, die von den Berliner Sozialdemokraten seit Wochen gebetsmühlenartig wiederholt wurde: „Wenn die CDU an Landowsky festhält, werden wir die Koalition beenden und Neuwahlen anstreben.“

Doch zu diesem Zeitpunkt war bereits klar: Ans Festhalten denkt die Union gar nicht mehr. Deshalb konnten dem Junktim auch jene Sozialdemokraten zustimmen, die eine vorgezogene Neuwahl um jeden Preis verhindern wollen. Ausgerechnet die Hassfigur Landowsky verhalf der notorisch zerstrittenen Berliner SPD also zu ungewohnter Geschlossenheit: Der Parteitag stellte sich am Samstag ohne Gegenstimmen hinter die Rücktrittsforderung.

Doch mit Landowskys erwartetem Rücktritt ist die Berliner Senatskrise keineswegs beendet. Nicht nur politisch, sondern auch finanziell steht der Stadtstaat vor dem Bankrott. Schon im Mai wartet deshalb die nächste Belastungsprobe auf das Regierungsbündnis aus CDU und SPD: Bis Pfingsten müssen die Koalitionspartner entscheiden, wie sie ein Milliardenloch im laufenden Etat stopfen, verursacht unter anderem durch die Verluste der landeseigenen Bankgesellschaft, bei der Landowsky bis Anfang März als Immobilienvorstand amtierte.

Die nötigen Einschnitte sind alles andere als populär. Schon deshalb kann die SPD kein Interesse daran haben, den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) kurzfristig durch ein Bündnis mit PDS und Grünen abzulösen. Konkrete Sparvorschläge sind von den Sozialdemokraten nicht zu hören, die Drecksarbeit überlassen sie erst einmal dem Finanzsenator Peter Kurth, der glücklicherweise der CDU angehört. Kurth wird es nicht leicht haben. SPD-Landeschef Strieder zündelt bereits. Er will nicht ausschließen, „dass das Regierungsbündnis mit der CDU an der Sanierung des Landeshaushalts scheitert“.

In jedem Fall will die SPD Neuwahlen erst dann riskieren, wenn das volle Ausmaß des Finanzdebakels in den Köpfen der Berliner angekommen und mit den drei Buchstaben CDU untrennbar verbunden ist. Dass der amtierende Diepgen-Senat noch bis zu den regulären Wahlen im Herbst 2004 durchhält, glaubt allerdings kaum noch jemand.

Den Sozialdemokraten wäre es am liebsten, wenn sie den Bruch der Koalition noch bis ins kommende Jahr hinauszögern könnten. Würde am Tag der Bundestagswahl auch ein neues Abgeordnetenhaus gewählt, könnten die Genossen vom Schröder-Bonus profitieren: Den Weg ins Wahllokal fänden dann auch jene SPD-Wähler, die sich für die mediokre Landespartei sonst nicht erwärmen können.

„Solche taktischen Spielchen schätzen die Wähler nicht“, warnt allerdings der PDS-Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi, der schon lange mit einer Spitzenkandidatur in Berlin kokettiert. Sollte noch in diesem Jahr neu gewählt werden, will er allerdings nicht antreten. Berlins Lokalpolitiker hätten „den Ernst der Lage noch nicht erkannt“, sagt Gysi. Der Politstar setzt darauf, dass sich CDU und SPD weiter demontieren. Ist das Versagen der Lokalpolitiker erst offenkundig, dann, so hofft er, könnte auch ein Bürgermeister mit PDS-Parteibuch als Retter in der Not willkommen sein.

Auch deshalb ist es für den Frontstadtpolitiker Landowsky so schmerzlich, dass ihn die eigene Partei jetzt aus dem Rennen nimmt. Gerne hätte er den Kampf gegen ein rot-rot-grünes Bündnis noch aufgenommen, wäre ein letztes Mal unter dem Motto „Freiheit oder Kommunismus“ in die Wahlschlacht gezogen, um für seine Partei vielleicht sogar die absolute Mehrheit zu holen. Sein Pech: An die Zugkraft solcher Parolen glaubt selbst die eigene Partei nicht mehr, vor allem dann nicht, wenn sich in Umfragen nur noch 24 Prozent der Berliner für einen Verbleib des CDU-Fraktionsvorsitzenden aussprechen.

Das Einzige, was Klaus Landowsky noch bleibt, ist die Verteidigung seines verqueren Ehrbegriffs. Wenn er schon zurücktreten muss, dann sollen ihn nicht die Sozialdemokraten dazu gezwungen haben. Er werde „in den nächsten Wochen“ nicht zurücktreten, verkündete er am Wochenende trotzig. Das ist nicht nötig. Die SPD verlangt nur einen Amtsverzicht „vor der Sommerpause“, und bis zum CDU-Parteitag hat Landowsky ja noch einen Monat Zeit.

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