Historische Wahl im Kongo: Die Menschen stehen im Regen
Bei der Wahl in der Demokratischen Republik Kongo läuft vieles schief. Die elektronischen Wahlmaschinen vergrößern das Durcheinander.
Landesweit melden Wähler über die sozialen Medien Komplikationen in den rund 75.000 offiziellen Wahlbüros. Registrierte Wähler finden ihre Namen nicht auf den Listen. Viele vom Regen nass gewordene Wahllisten sind unleserlich. Zahlreiche Wahlmaschinen bleiben ohne Strom. In vielen Regionen, die der Opposition nahestehen, klagen Wähler über „strategische Sabotage“ oder „gezieltes Versagen“. Das Vertrauen der Bevölkerung in diese Wahl ist ohnehin sehr gering.
In Ostkongos Provinzhauptstadt Goma wurden Wahllokale mit falschen Stimmzetteln ausgestattet. In einem Wahlbüro in Kinshasa fehlte der USB-Stick mit dem digitalen Schlüssel, womit sich die Wahlmaschinen starten lassen. In Kalemie, Mbandaka und Kindu mussten Wahlmaschinen ersetzt werden, weil sie nicht funktionierten. In Kamina, im Süden des Landes, sprangen die Wahlmaschinen überhaupt nicht an.
Aus der Region Lubero im kriegsgeplagten Osten melden Wähler, ihre Wahllokale seien von Milizen belagert, die den Leuten sagen, für wen sie wählen sollen. In der Region Rutshuru sollen Polizisten der Bevölkerung gedroht haben, wenn sie nicht für Emmanuel Shadary stimmen, den Wunschnachfolger von Präsident Joseph Kabila und Kandidaten der Regierungspartei PPRD (Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie).
Wahllokale in Kasernen und Polizeiwachen
Am Vormittag des Wahltages veröffentlicht eine Allianz unabhängiger kongolesischer Wahlbeobachterorganisationen, darunter die katholische Bischofskonferenz (Cenco), eine erste Bilanz: von 4.857 observierten Wahllokalen befänden sich 846 woanders als angekündigt, nämlich in Kasernen, Polizeiwachen, Bars oder Privathäusern, und 830 weitere hätten nicht pünktlich um 6 Uhr früh geöffnet. Manche öffnen erst mittags. Die Verspätungen sind signifikant: Pro Wähler sind durchschnittlich nur 90 Sekunden für die Stimmabgabe vorgesehen.
Die Wahlkommission (Ceni) hat zum ersten Mal über 100.000 elektronische Wahlmaschinen installiert, und nur die wenigsten wissen, wie die funktionieren. Auf dem Bildschirm muss der Wähler per Klick seine Wunschkandidaten aussuchen. Nach der elektronischen Stimmabgabe druckt die Maschine den Stimmzettel aus. Der Wähler muss ihn dann in die Urne werfen. Das dauert, wenn es überhaupt funktioniert.
Die Spannungen vor der Wahl waren groß. Kongos Armee hat Soldaten und Polizisten in Kinshasa zusammengezogen. Die Regionalorganisation SADC (Entwicklugsgemeinschaft des Südlichen Afrikas) trommelte noch am Samstag Vertreter aller Parteien und der Wahlkommission zusammen, um eine Vereinbarung über friedliche Wahlen zu unterschreiben. Die Opposition weigerte sich, weil die Vereinbarung nicht auch eine transparente Stimmauszählung gewährleistete.
Überraschende Nachrichten gibt es hingegen aus der von Ebola betroffenen Region Beni. In der gleichnamigen Stadt im Osten sowie in der benachbarten Stadt Butembo sind die Wahlen aufgrund des grassierenden Ebolavirus sowie der Bedrohung durch Rebellen ausgesetzt – beide Städte sind Hochburgen der Opposition. Am Wahltag organisierten die Einwohner in Beni ihre Wahl einfach selbst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste