Hillary Clintons Schwächeanfall: Wer hat den Längsten?
Mit einer vulgären Männlichkeitsshow dominiert Trump den US-Wahlkampf. Clintons Gesundheit bedient das Muster von Stärke und Schwäche.
The Donald hat selbst schon mit der Größe seines Penis geworben. Wer das wissen will? Vermutlich niemand. Das jedoch wird Donald Trump nicht davon abhalten, in größtmöglicher Öffentlichkeit die bewusste Grenzüberschreitung zu vollziehen.
„Seht diese Hände, sind das kleine Hände?“, fragte Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung im März in Detroit das Publikum. Einer seiner damaligen Gegenkandidaten, Marco Rubio, hatte Trumps tatsächlich kleine Hände zum Thema gemacht. Ungefragt versicherte Trump, weder bei seinen Händen noch bei anderen Körperteilen bestehe ein Problem.
Die US-Öffentlichkeit zeigte sich irritiert ob dieser vulgären Worte. Hatte es doch den Anschein gehabt, als sei Trump schon im August 2015 auf seinen gendermoralischen Tiefpunkt angekommen. In einer TV-Kandidatenrunde hatte Megyn Kelly, CNN-Moderatorin, ihm seine Geschichte frauenverachtender Sprüche vorgehalten. Er konterte nach der Show verächtlich, es sei „Blut aus ihr herausgeflossen, wo auch immer“. Auch diese Obszönität war wohl formuliert, es bestand kein Zweifel daran, was er damit gemeint hatte.
Donald Trump demonstriert, worum es 2016 im Wahlkampf um das mächtigste Amt der Welt nicht zuletzt auch geht. Im Duktus eines Donald Trump: Wer hat den Längsten?
Die Frau, der bessere Mann
Und Hillary Clinton, die im Juli in Philadelphia beim Nominierungsparteitag der Demokraten wie eine Königin gekrönt wurde, die explizit darum wirbt, als erste Frau in der Geschichte ins Oval Office einzuziehen? Sie umgibt sich mit dem Image absoluter Härte und Standhaftigkeit; die Frau, der bessere Mann.
Dafür mutet sich die bald 70-Jährige einen gnadenlos anstrengenden und viele Monate dauernden Wahlkampf zu, bei dem auch deutlich Jüngeren längst die Kräfte ausgegangen wären – egal ob Mann oder Frau.
Nachdem sie sich am Sonntag in die Wohnung ihrer Tochter in New York zurückgezogen hatte, erschien Clinton etwas später wieder auf der Straße. Professionell winkte sie den Reportern zu und rief, sie fühle sich „großartig“. „Es ist ein wunderschöner Tag in New York.“ Erst am Abend wurde bekannt, dass Clinton wegen einer Lungenentzündung auch ihre Wahlkampftour in Kalifornien absagen musste.
Dem Trump-Lager wird Clintons Schwächeanfall, unabhängig von der umstrittenen und schon jetzt verschwörungsumwobenen Ursache, eine stets wiederverwendbare Vorlage bieten. Er wird dafür dienlich sein, die Kandidatin auf den ihr vermeintlich angestammten Platz zu verweisen: den der Schwächeren. Und Schwäche ist nichts, was in den Vereinigten Staaten einen legitimen Stellenwert hat.
Der Wettkampf um die größte Virilität
Gegen die auf Lügen und Verleumdungen aufgebaute Männlichkeitsshow eines Donald Trump hat Hillary Clinton nichts Ebenbürtiges aufzubieten. Den Wettkampf um die größte Virilität, der Definition nach die biologische und psychische Veranlagung als Mann, kann sie nicht gewinnen.
Der US-Wahlkampf 2016 ist wie nie gekennzeichnet vom Regiment der Gefühle. Donald Trump zielt nicht auf die Vermittlung von Informationen, weder zum Stand seines Körpers noch zu der Zahl der ohne legalen Status in den USA lebenden Einwanderer. Die hatte er zwischenzeitlich freihändig um 20 Millionen nach oben korrigiert. Auch gegen den Untergang des Faktischen hat Hillary Clinton mit rationalen Argumenten noch kein Gegenmittel gefunden.
Wie ein Gift könnte jetzt das Bild der schwachen Frau ins Unterbewusstsein der US-amerikanischen Wählerschaft einsickern. Es ist unwahrscheinlich, dass überzeugte Wählerinnen und Wähler der Demokraten ihre Stimmen Trump geben könnten, nur weil Clinton mit Schwäche ertappt wurde. Die Wahl jedoch wird zu großen Teilen davon abhängen, welches Lager am Ende wie viele Wähler mobilisiert. Dann könnte das Gift wirken.
Selbst eine Veröffentlichung ihrer medizinischen Befunde wird dem kaum noch Abhilfe verschaffen. Schließlich denken bis heute Millionen Amerikaner, US-Präsident Barack Obama sei in Kenia geboren, dessen US-amerikanische Geburtsurkunde gefälscht. Diese These hatte Donald Trump aufgebracht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern