Heuschreckenschwärme in Uganda: Wann kommen sie endlich wieder?

Zur Adventszeit fliegen eigentlich unzählige Heuschrecken über die Felder Ugandas. Doch dieses Jahr bleiben sie aus – zum Leid vieler Feinschmecker.

Frauen verkaufen frische Grashüpfer auf einem Markt in Kampala

Als das Angebot auf den Märkten in Kampala noch üppig war Foto: Xinhua/imago

KAMPALA taz | Auf sämtlichen sozialen Medien beschäftigt die Menschen in Uganda nur noch ein Thema. „Ich vermisse euch so sehr“, schreibt etwa eine Userin auf X (früher Twitter). Ein Kommentar darunter lautet: „All denjenigen, die Nsenene essen, was ist eigentlich euer Problem?“ Auch in Radio- und Fernsehtalkshows: Uganda diskutiert über das Ausbleiben der diesjährigen Heuschreckenschwärme in Ostafrika. Denn gerupft und in Zwiebeln und Tomatenmark frittiert werden die proteinreichen Insekten, in der lokalen Sprache Luganda „Nsenene“ genannt, als Snack in der Adventszeit vernascht.

Doch dieses Jahr ist das anders. Bislang wurde kaum ein einziger Grashüpfer gesichtet – geschweige denn die gigantischen Schwärme, die sich normalerweise in dieser Jahreszeit über das Land ergießen.

Was in der Bibel als Plage steht, ist in Uganda ein wirtschaftlicher Segen: „Normalerweise ist jetzt Hochsaison, und wir könnten so viel Geld machen“, erklärt ein Farmer gegenüber der ugandischen Tageszeitung Daily Monitor. „Ich hatte so viel Hoffnung, dass ich diese Saison richtig viel Geld verdiene, weil es so viel geregnet hat, doch dann kam es anders“, klagt ein weiterer Bauer.

Im landwirtschaftlich geprägten Land lebt ein ganzer Wirtschaftszweig von Nsenene. Farmer bauen jährlich im Oktober Fallen auf, um die fliegenden Hüpfer zu fangen. Dazu schleppen sie Dieselgeneratoren in die Sumpfgebiete, bauen grelle Scheinwerfer auf und richten sie in den Himmel. Das soll die Schwärme anziehen – sie fliegen vor allem nachts.

Knusprige Insektensnacks

Unter die Lichtkegel spannen die Bauern reflektierende Wellbleche und Netze, sodass sich die Insekten darin verfangen und in eine Tonne rutschen. Darin betäubt sie Rauch. Ist die Tonne voll, rupfen viele flinke Finger den Insekten die Flügel und waschen sie. Eine Armada an Frauen frittieren sie dann zu knusprigen Snacks.

Restaurants und Sportsbars werben sonst um diese Jahreszeit mit ihren Nsenene-Angeboten. Entlang der Hauptverkehrsstraßen, wo sich in Stoßzeiten die Autos stauen, werden die Nsenene normalerweise aus Eimern heraus in kleine Plastiktüten abgefüllt und an die wartenden Autofahrer verkauft. Gerade in der Vorweihnachtszeit, wenn Ugander zu Partys einladen, darf dieser Snack auf keinem Buffet fehlen.

Doch warum sind die Heuschreckenfallen in diesem Jahr leer? Darüber spekuliert das ganze Land. Selbst Ugandas Präsident Yoweri Museveni äußerte sich dazu. Es sei der Monat der Heuschrecken, schrieb er auf seinem X-Account, doch: „Wo sind sie? Ist es der Klimawandel?“ Er selbst esse Nsenene zwar nicht, wünsche den Fans allerdings viel Glück, so der Präsident. Man solle ihm Bescheid geben, wenn sie auftauchen.

Die Frage beschäftigt auch Wissenschaftler – und die schlagen nun Alarm. „Die Bevölkerung muss ihre Haltung gegenüber der Umwelt verändern“, mahnt Philip Nyeko, einer der führenden Insektenforscher an Ugandas staatlicher Makerere-Universität. Die meisten Grashüpfer brüten in den Sumpfgebieten entlang des Nils oder rund um den Victoriasee. Doch diese Feuchtbiotope, die zwar per Gesetz geschützt sind, werden zunehmend zerstört. „Die meisten unserer essbaren Insekten werden für immer verschwinden, wenn wir ihre Brutgebiete nicht schützen“, warnt er.

Ein weiterer Insektenforscher, Javira Beturumura, nennt den zunehmenden Klimawandel als weitere Ursache. In diesem Jahr führt das sogenannte El-Nino-Wetterphänomen im Pazifik wieder zu starken Regenfällen in der Region. Doch bei Nässe schlüpfen die Grashüpfer nicht aus den Eiern.

Wer Nsenene mag, hofft nun auf ein Nachlassen der Regenzeit. Unterdessen tauschen sich Heuschrecken-Farmer jede Nacht auf X aus, wo vereinzelt Heuschrecken auftauchen. Am Donnerstagmorgen dann endlich: Das erste Video, nachts aufgenommen, von einer Wolke fliegender Hüpfer. „Sie sind endlich da … sie sind herzlich willkommen! Unsere ugandische Delikatesse!“, heißt es darunter.

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