Hessens Finanzminister Schäfer: Abschied eines Hoffnungsträgers
CDU-Politiker Thomas Schäfer wurde über Parteigrenzen hinweg geschätzt. Nun ist er tot. Staatsanwaltschaft und Polizei gehen von Suizid aus.
Wie immer formulierte der erfahrene Politiker frei, ohne Aufzeichnungen und druckreif. Die Programme von Bund und Ländern nannte er ein „Gesamtkunstwerk“. Der Sorge, dass sich Unternehmen mit zwielichtigen Anträgen bereichern könnten, trat der 54-Jährige entschlossen entgegen: „Wenn sich aus den Statistiken ergibt, dass jemand mit dem Vertrieb von Klopapier sogar einen kräftigen Gewinn gemacht hat, und trotzdem einen Antrag gestellt hat, dann werden wir den erwischen.“
Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/1 11 01 11 oder 08 00/1 11 02 22) oder www.telefonseelsorge.de besuchen. Dort gibt es auch die Möglichkeit, mit Seelsorger*innen zu chatten.
Drei Tage später, am Samstag Vormittag, wurde an der ICE Strecke im Rheingau bei Hochheim die Leiche eines Mannes aufgefunden. Aufgrund der Verletzungen benötigten die Polizei Wiesbaden und die Staatsanwaltschaft Westhessen einige Zeit, um die Identität des Mannes festzustellen. Dann stand fest: Der Tote war der einstige Hoffnungsträger der hessischen CDU.
„Aufgrund der Gesamtumstände, der umfangreichen Tatortarbeit, der Befragung zahlreicher Zeugen, der Auffindesituation vor Ort sowie technischer und kriminalwissenschaftlicher Auswertungen und Untersuchungen, ist von einem Freitod von Herrn Dr. Schäfer auszugehen“, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Samstagabend in einer gemeinsamen Erklärung mit.
Die Hoffnung des Finanzministeriums
Dass der Bankkaufmann und promovierte Jurist zuletzt in großer Sorge war, hatte er auch bei der Online-PK zu Protokoll gegeben. Einen „dringenden Appell“ an die Verantwortlichen der Europäischen Union hatte er formuliert, weil die Beihilferegelungen der EU kontraproduktiv seien. Wenn sich da nichts ändere, „dann wird das nix“, sagte er.
In den 40 Minuten dieser ungewöhnlichen Schaltkonferenz zeigte Schäfer indes keine Anzeichen von Überlastung, Auffällig war allenfalls, dass er immer wieder seine Hände knetete. Die innere Anspannung war sichtbar. Doch er wirkte zuversichtlich.
Seit Jahren galt Schäfer als designierter Nachfolger von Ministerpräsident Volker Bouffier, sollte der 68-Jährige noch vor dem Ende der Legislaturperiode sein Amt aufgeben. Begonnen hatte Schäfers landespolitische Karriere als Büroleiter des früheren Ministerpräsidenten Roland Koch. Anschließend war er Staatssekretär im Justizministerium und seit 10 Jahren Ressortchef im wichtigen Finanzministerium.
„Aussichtslosigkeit“ für die Gesellschaft
An seinem Suizid gibt es keinen Zweifel. Schäfer hat offenbar einen Abschiedsbrief hinterlassen. „Aussichtslosigkeit“ für unsere Gesellschaft und für sich persönlich selbst soll er da zu Protokoll gegeben haben, heißt es. Thomas Schäfer hinterlässt seine Frau und zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn.
Für Sonntag, 12 Uhr, hat Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier eine Erklärung angekündigt. „Wir sind alle geschockt und können es kaum glauben, sagte er in einer ersten Stellungnahme. „Wir alle müssen seinen Tod jetzt verarbeiten und trauern mit seiner Familie.“
Auch SPD-Oppostionsführerin Nancy Faeser versicherte Schäfers Angehörigen ihr „tiefempfundenes Mitgefühl“. Die Linksfraktionsvorsitzende Janine Wissler teilte mit, sie sei „bestürzt und fassungslos“. Der grüne Bundestagsabgeordnete Omid Nouripur zeigte sich „schlicht erschüttert.“
Er sei „unsagbar traurig“, schrieb der SPD-Vorsitzende und frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans. In ihren sieben gemeinsamen Jahren in der Finanzministerkonferenz seien sie „mehr als enge Kollegen“ gewesen. Bis zuletzt hätten sie in Kontakt gestanden. „Bei aller Härte in der Sache kann man sich Parteienstreit kaum freundschaftlicher, fachsimpelnder und dazu auch noch humorvoller vorstellen als unser Miteinander“, so Walter-Borjans.
Hinweis: Wir berichten nur in Ausnahmefällen über Suizide, um keinen Anreiz für Nachahmung zu geben. Eine Berichterstattung findet nur dann statt, wenn die Umstände eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Wenn Sie selbst depressiv sind, wenn sie Suizid-Gedanken plagen, dann kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge im Internet oder über die kostenlose Hotlines 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 oder 116 123. Die Deutsche Depressionshilfe ist in der Woche tagsüber unter 0800 / 33 44 533 zu erreichen.
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