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Haushaltsschlusrunde im AbgeordnetenhausIm Zeichen der Neuwahl

Die Debatte über den rund 90 Milliarden Euro schweren Doppelhaushalt für 2026 und 2027 ist geprägt von der Abgeordnetenhauswahl in zehn Monaten.

Im Fokus der Oppositionskritik in der Haushaltsdebatte imj Abgeordnetenhaus: Regierungschef Kai Wegner (CDU) Foto: Christoph Soeder/dpa

Aus Berlin

Stefan Alberti

Laut Tagesordnung geht es nur um den Landeshaushalt. Gut, „nur“ passt nicht ganz – über 90 Milliarden Euro ist das Finanzpaket immerhin schwer, das im Abgeordnetenhaus am Donnerstagabend nach Redaktionsschluss zur Abstimmung steht. Und doch spielt in den vielen Reden des Tages, erst in der allgemeinen Aussprache, dann bei den einzelnen Ressorts, oft ein noch größeres Thema mit: die Neuwahl des Parlaments in zehn Monaten.

„Das Beste an Ihrer Regierung ist, dass sie nur drei Jahre im Amt bleiben wird“, fasst beispielsweise Werner Graf seine Kritik am Haushaltsplan und an der schwarz-roten Koalition insgesamt zusammen. Wobei er, der Fraktionschef der Grünen und ihr Spitzenkandidat für die Wahl am 20. September, unverkennbar auf den Titel des aktuellen Koalitionsvertrags von CDu und SPD – „Das Beste für Berlin“ – anspielt.

Denn Gutes erkennt Graf eigentlich gar nicht, vom Superlativ „Das Beste“ ganz zu schweigen. „Ihre Bilanz, Herr Wegner“, hält er dem Regierungschef von der CDU vor, den er privat duzt, „ist eine verunsicherte Stadt im Dauerchaos.“ Finanzkürzungen ankündigen, sie dann teilweise wieder zurückziehen und sich dann noch dafür loben, so kann man aus Grafs Sicht nicht mit Berlin umgehen.

„Die Koalition hat keinen Plan für die Zukunft dieser Stadt“, sagt er, und das schade dem Ansehen Berlins weltweit. Verunsicherung präge zudem die Stadt. Viele bekannte Alltagssorgen zählt Graf auf, von der Angst vor einer Mieterhöhung, vor Juden- und Schwulenhassern, vor der Erderwärmung. Neu ist dabei: Laut Graf gibt es auch Ängste, Berlin könne das Trinkwasser ausgehen. Sein Fazit mit Blick auf den 20. September 2026: „Die Zeit von Schwarz-Rot läuft ab.“

Wegner: „Fahrplan für die Zukunft von Berlin“

Knapp eine Stunde später steht der so kritisierte Kai Wegner selbst am Rednerpult, nachdem in der Zwischenzeit die Linksfraktion Grafs Kritik verstärkt und die AfD sich der CDU kaum verhohlen als SPD-Ersatz angedient hat. Der sieht ein ganz anderes Berlin, ein aufstrebendes mit mehr Mieterschutz als unter der dem früheren rot-grün-roten Senat, mit mehr Lehrern und einem neuen Polizeigesetz als Basis für mehr Sicherheit in der Stadt.

Und der Haushalt ist für Wegner ganz und gar nicht ideen- oder planlos, sondern „unser Fahrplan für die Zukunft von Berlin“. Er sieht sich als einen, der Herausforderungen annimmt – beim Grünen Graf hingegen macht er „Verzagtheit“ und bei Linksfraktionschefin Anne Helm „Rückwärtsgewandtheit“ aus.

Während in dieser generellen Aussprache die beiden Koalitionspartner eng zusammenstehen, sieht das anders aus, als es anschließend um die Haushalte der einzelnen Ressorts geht. Im Bereich Verkehr etwa wirft ein Redner der zuständigen Senatorin Ute Bonde (CDU) „Fantastereien wie eine Magnetschwebebahn oder eine dritte Startbahn“ vor. Die solle sich bewusst sein: „Sie leiten keine Kreativwerkstatt, Sie leiten eine Senatsverwaltung.“

Und die nächste Rednerin fordert Richtung Bonde: „Vergessen Sie Ihre vierspurigen Luftschlösser.“ Das klingt nach Opposition, kommt aber von zwei Abgeordneten der SPD-Fraktion, also des Koalitionspartners – des nominellen zumindest, drängt sich in jenem Moment als Zusatz auf.

4 Milliarden neue Schulden im nächsten Jahr

Das ändert nichts an der Ankündigung von CDU und SPD, am Abend dem Haushaltsplan zuzustimmen. Der sieht auf rund 4.100 Seiten für 2026 Einnahmen und Ausgaben von 45,5 Milliarden Euro vor. Für 2027 sind es 46,5 Milliarden. Das sind über 10 Prozent mehr als im laufenden Jahr mit rund 40 Milliarden. Diese Summen kann das Land nicht aus eigenen Einnahmen decken: 4 Milliarden neue Schulden sind vorgesehen, nur möglich durch die gelockerte Schuldenbremse.

Grüne und Linkspartei werfen der Koalition dabei vor, viele Einnahmemöglichkeiten nicht zu nutzen: eine auf Brandenburger Niveau erhöhte Grunderwerbsteuer, eine Verpackungsteuer, nicht eingetriebene Steueraußenstände – und eine seit Jahren diskutierte Verteuerung des Anwohnerparkens. Beim letzten Punkt sichert Wegner der Linksfraktionschefin Helm zu, da sei er ganz bei ihr und bald werde da auch was vorliegen. Aber wann denn endlich?, kommt es aus den Oppositionsreihen zurück. Denn der Haushalt soll ja wenige Stunden später beschlossene Sache sein.

Dass diese Planung tatsächlich bis Ende 2027 hält, gilt im Parlament nicht nur an diesem Tag als unwahrscheinlich. Weil eben der 20. September mit der Neuwahl dräut – und danach, wie mehrfach zu hören ist, bei jedweder derzeit realistischen Koalition ein Kassensturz ansteht.

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