Hausdurchsuchungen in Bremen: Empörung in der linken Szene
Mit drei Hausdurchsuchungen reagierte die Staatsanwaltschaft auf Aktionen von Linken gegen Querdenker:innen. Nun ist die Szene in Aufruhr.
![Menschen in weißen Ganzkörperanzügen stehen mit einem Transparent vor einem Haus. Menschen in weißen Ganzkörperanzügen stehen mit einem Transparent vor einem Haus.](https://taz.de/picture/5210909/14/212102934-23a9791728-1.jpeg)
Anlass der Durchsuchungen war eine Aktion von Linken im April, die sich gegen Querdenker:innen gerichtet hatte. Die Aktivist:innen hatten auf den Gehweg vor der Wohnung eines Mannes seinen Namen gesprüht, gefolgt von den Worten „halt’s Maul“. Sie positionierten dort außerdem mit einem Transparent mit der Aufschrift „Kein Bock auf Querdenken“.
Helfst verweist auf Fotos, die den Mann als Ordner und Redner auf einer Querdenken-Veranstaltung zeigen sollen. Laut der Sprecherin des Innensenators Rose Gerdts-Schiffler handelt es sich jedoch offensichtlich um eine Verwechslung. Das Opfer sei bloß ein Namensvetter des eigentlichen Ziels gewesen.
Der fälschlich Angeprangerte sei jedenfalls zur Polizei gegangen. Die habe ihm Fotos von Tatverdächtigen vorgelegt, bestätigt die Staatsanwaltschaft. Mit deren Hilfe konnte er angeblich einen der vermummten Beteiligten identifizieren.
Wie Helfst berichtet, begründete er die Identifizierung mit den „stechend blauen Augen“ des mutmaßlichen Täters. Auch der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Passade, spricht von einer „markanten Augenfarbe“.
Dass die Augen der Aktivist:innen wirklich erkennbar waren, bezweifelt Helfst mit Blick auf das Youtube-Video der Aktion. Da der Beschuldigte in der Vergangenheit bereits mit linken Straftaten in Verbindung stand, hält die Staatsanwaltschaft den Beschuldigtenstatus aber für gerechtfertigt.
Gleich drei Wohnungen habe die Polizei durchsucht, weil alle drei als mutmaßlicher Wohnsitz im Verdacht standen. Auch seine ehemalige Meldeadresse sei darunter gewesen, sagt Helfst. Der Verdächtige selbst sei gar nicht in der Stadt gewesen. Stattdessen habe die Polizei bloß die Privatsphäre der nicht beschuldigten Bewohner:innen verletzt. Wie diese versichert hätten, sei nichts gefunden worden, sagt Helfst.
Die erfolglosen Durchsuchungen seien ja mindestens ein „Griff ins Handwaschbecken, wenn nicht ins Klo“, findet Helfst. Er vermutet, die Polizei halte die Angelegenheit absichtlich klein. Schließlich seien drei Hausdurchsuchungen im beschaulichen Bremen ein großes Ereignis; trotzdem gebe es keine Pressemitteilung der Polizei.
Eine andere Version der Ereignisse erzählt wieder die Staatsanwaltschaft. Passades Auskunft nach fand die Polizei durchaus Gegenstände, deren Verbindung zur Tat sie gerade prüft.
Die Aktion, die das Ganze auslöste, ist auf Youtube zu sehen. Die Beteiligten haben sie selbst gefilmt. Veröffentlicht wurde sie auf dem Kanal „Nika Bremen“. Nika steht für „Nationalismus ist keine Alternative“. Im Video sind vermummte Personen zu sehen, die Wohnungen aufsuchen, dort klingeln und ein Transparent mit der Aufschrift „Kein Bock auf Querdenken“ hochhalten. Sie besprühen außerdem den Gehweg mit den scheinbaren Nachnamen der jeweiligen Zielperson, gefolgt von den Worten „halt’s Maul“. Am Ende wird der Satz „Antifa in die Offensive!“ eingeblendet, gefolgt von „Mäurer bleibt ein Arschloch“.
Mit Mäurer ist der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) gemeint. Ziel der Aktion war, Querdenker:innen an ihren Wohnorten aufzusuchen, um sie zu markieren und aus der Deckung zu holen, erklärt die Videobeschreibung.
Ein Youtube-Kommentar beschreibt die Aktion als „zu krass“, vergleicht die angewendeten Mittel mit den Mitteln von Nazis. „Man darf die Aktion der Vermummten, die zur erheblichen Verunsicherung und Einschüchterung in der Nachbarschaft führte, nicht unterschätzen“, findet auch die Pressesprecherin von Innensenator Mäurer.
Antifa wertet Vorgehen als Einschüchterungsversuch
Doch ganz gleich, wie falsch die Aktion gewesen sein mag: Leidtragende der Durchsuchung waren die Bewohner:innen der durchsuchten Wohnungen, nicht der Verdächtige. „Es ist tatsächlich ein bisschen wie im Film“, sagt Helfst. „Eine Durchsuchung ist eine gewaltvolle Veranstaltung.“ Die Betroffenen seien selbst nicht politisch aktiv. Das Trauma sei ihnen immer noch ins Gesicht geschrieben.
Helfst bezeichnet das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als Einschüchterungsversuch gegen linke, antifaschistische Politik. „Die Opposition sagt, hier würden ständig Autos brennen, Linksterrorismus ist das große Wort der FDP.“ Daher vermutet er, Innensenator Mäurer stehe unter Erfolgsdruck bei einer „Gespensterjagd“ nach nicht-existentem Linksterrorismus.
Wie Gerdts-Schiffler sagt, verortet Mäurer Teile der gewaltbereiten linksextremen Szene „an der Schwelle zum Linksterrorismus“. Er sehe die Gefahr des Abgleitens, „spricht aber noch nicht vom Linksterrorismus in Bremen.“
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hatten wir das Outing des Querdenkers irrtümlicherweise einer Organisation zugeschrieben. Den entsprechenden Satz haben wir entfernt.
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