Hausdurchsuchung bei Björn Höcke: Ermittlungen gegen sein Kind
Im November gab es beim AfD-Politiker Björn Höcke eine Hausdurchsuchung. Der Grund sind Ermittlungen gegen eines seiner minderjährigen Kinder.
Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen bestätigte der taz am Dienstag, „dass eine Durchsuchung am Wohnort des AfD- Fraktionsvorsitzenden des Thüringer Landtages im Zuge eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Mühlhausen am 28.11.2022 stattgefunden hat“. Das Verfahren richte sich gegen ein minderjähriges Familienmitglied, im Verfahren sei am 21. Februar durch die Staatsanwaltschaft vor dem Jugendschöffengericht beim Amtsgericht Mühlhausen Anklage erhoben worden.
Mit Rücksicht auf das jugendliche Alter des Angeschuldigten, könnten keine weiteren Auskünfte zum Verfahren erteilt werden. Die Belange des Jugendschutzes überwiegen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, heißt es aus der Staatsanwaltschaft. Die Bild hatte am Vormittag dennoch berichtet, dass es mutmaßlich um ein Drogendelikt gehen soll.
Höcke reagierte empört auf die Berichterstattung in mehreren Medien über die von der Staatsanwaltschaft bestätigte Hausdurchsuchung und Anklageerhebung am Jugendschöffengericht: „An alle die, die ein unschuldiges Kind in die Öffentlichkeit zerren, seine elementaren Persönlichkeitsrechte mit Füßen treten, nur weil es mein Sohn ist: Eure Perversität wird den Sieg des gesunden Menschenverstandes nicht aufhalten.“
Bei anderen Kinder ist Höcke da weniger zimperlich: Die AfD und auch Höcke selbst instrumentalisierte häufiger Kriminalität – auch wenn sie Minderjährige betraf – für seine politische Agenda. Ebenso forderte er in Vergangenheit in „bestimmten Fällen“ Erwachsenenstrafrecht für 18-Jährige sowie generell die Strafmündigkeit auf zwölf Jahre zu senken, was auch eine AfD-Position ist. Zudem ließ er unerwähnt, dass er selbst schon häufiger in öffentlichen Beiträgen von seiner Familie und seinen Kindern berichtet hat – etwa als Beiwerk für seine Hetze oder verbunden mit Vorwürfen wegen Coronamaßnahmen an Gesundheitsminister Karl Lauterbach.
Linguistin: Positive NS-Bezüge kein Zufall
Auch 2021 gab es bereits eine Hausdurchsuchung in Höckes Privathaus im thüringischen Bornhagen, wo Höcke mit seiner Frau und vier Kindern lebt. Zuvor hatte er gegen die Seenotretterin Carola Rackete und pauschalisierend gegen Geflüchtete gehetzt. Damals sichtete die Staatsanwaltschaft Mühlhausen nach einem Social-Media-Post wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung Handys und Laptops. Höckes Immunität als Abgeordneter der Thüringer Landtags wurde für Ermittlungen schon häufiger aufgehoben.
Bei seiner aktuellen Anklage wegen der SA-Parole „Alles für Deutschland“ behauptet Höcke, er habe die strafbare nationalsozialistische Losung unwissentlich getätigt. Das gilt als unwahrscheinlich: Höcke ist Geschichtslehrer, bezieht sich häufiger positiv auf den Nationalsozialismus und ist für Geschichtsrevisionismus bekannt. Hinzu kommt: Mit Ulrich Oehme gab es bereits einen AfD-Politiker, der 2017 die Losung „Alles für Deutschland“ auf Wahlplakate druckte und diese nach einer Strafanzeige überkleben musste – unwahrscheinlich, dass Höcke dieser Umstand entgangen sein dürfte.
Auch die Linguistin Heidrun Kämper hält Höckes positive Bezugnahmen zum NS für alles andere als Zufall, wie sie im Bayerischen Rundfunk sagte: „Höcke hat mal eine Rede vor der Jugend der AfD gehalten. Da sagt er zum Beispiel: ‚Ich will Euch als Vater und Mutter, ich will euch als ganzheitliche Persönlichkeiten‘ … und genau dieselbe Konstruktion finden wir bei Hitler in einer Rede. Bis in die grammatischen Konstruktionen hinein sind hier die Parallelen ganz offensichtlich. Er studiert Hitlers Reden offensichtlich sehr gründlich.“
Das Verfahren liegt derzeit beim Landgericht Halle, wo die Staatsanwaltschaft Halle vor der großen Strafkammer am 16. Mai wegen des öffentlichen „Verwendens von Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation“ Anklage erhoben hat. Das Gericht prüft derzeit im sogenannten Zwischenverfahren die Anschuldigungen. Von der Prüfung, die in der Regel ein paar Wochen bis Monate dauern kann, hängt ab, ob wann und wo ein Hauptverfahren eröffnet wird.
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