Hasspost von Rechts: AfDler will Grünen in Gülle tauchen
Ein AfD-Amtsträger bedroht den niedersächsischen Grünen-Abgeordneten Christian Meyer. Zur Anklage kommt nur das Bagatelldelikt Beleidigung.
![Ein Traktor mit Anhänger bringt Gülle auf einem Feld aus. Ein Traktor mit Anhänger bringt Gülle auf einem Feld aus.](https://taz.de/picture/4914766/14/24777350-1.jpeg)
Meyer, stellvertretender Fraktionschef seiner Partei und vormaliger Landwirtschaftsminister des Bundeslandes, hatte im Mai 2020 in einer Landtagsrede eine Erhöhung der Rundfunkbeiträge gefordert. „Wir Grüne stehen zum Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk und wollen eher mehr Berichterstattung und Recherche als bisher“, sagte er damals. „Daher sollten wir die Rundfunkgebühren, die ja in den letzten Jahren eingefroren und sogar abgesenkt worden waren, anheben.“
Diese Einlassung rief die AfD auf den Plan. In einer auch auf Facebook verbreiteten Pressemitteilung ihrer Landtagsfraktion hieß es: „Der Staat mästet den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bereits mit beinahe acht Milliarden Euro … Nun will der Abgeordnete Meyer diesem aufgeblasenen Apparat noch weitere Gelder zukommen lassen, während Millionen Deutschen finanzielle Verluste drohen.“
Helsper setzte noch einen drauf. „Ach der nu wieder…“, schrieb er. „Kann man den Ochsen nicht in irgendeiner Gülle-Lagune unauffällig verschwinden lassen? Meinetwegen auch auf einem Bio-Betrieb …“ Der Facebook-Post wurde inzwischen gelöscht, es existiert aber ein Screenshot. Eine Woche später zeigte Meyer den AfD-Mann bei der Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung, Bedrohung und Beleidigung an. Doch die ermittelte zunächst nicht.
Polizei lässt sich Zeit
Dabei hatte Landesjustizministerin Barbara Havliza (CDU) im Juni 2020 eine neue „Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet“ aus der Taufe gehoben. Die bei der Staatsanwaltschaft Göttingen angesiedelte Behörde werde die einschlägigen Ermittlungs- und Strafverfahren bearbeiten – also etwa Beleidigungen wegen der Nationalität, der ethnischen Zugehörigkeit, der Hautfarbe oder der Religionszugehörigkeit einer Person, erklärte Havliza.
Dabei solle die Zentralstelle insbesondere die Verfahren im Blick haben, „in denen Amts- und Mandatsträger von Hasskriminalität betroffen sind oder die in Quantität und Qualität aus der Masse herausstechen“.
Nach einem halben Jahr, kurz vor Ablauf der dafür erforderlichen Frist, fragte die Northeimer Polizei bei Meyer an, ob er in der Causa Strafantrag wegen Beleidigung stellen wolle. Eine Beleidigung ist ein sogenanntes Antragsdelikt. Sie wird immer nur auf einen Strafantrag hin verfolgt. Eine bloße Anzeige reicht dafür nicht aus. Stellt der Geschädigte keinen Antrag, werden die Ermittlungsbehörden nicht tätig.
„Das Schreiben der Polizei hat mich kurz vor Weihnachten im Landtag erreicht, ich war nur zufällig noch mal im Büro“, sagt Meyer. Er habe daraufhin einen Strafantrag gestellt. „Ich will damit auch ein Zeichen setzen für diejenigen, die von rechtem Hass und Hetze im Netz betroffen sind und sich nicht so wehren können, wie ein Landtagsabgeordneter und ehemaliger Minister.“
In der „Strafsache gegen Carsten Helsper wegen Beleidigung“ ist der Grünen-Politiker am Donnerstag nun als Zeuge geladen. Von Volksverhetzung und Bedrohung ist in der Ladung keine Rede. Dabei fühlt sich Meyer durchaus auch persönlich bedroht.
Seine private Wohnungsadresse in Holzminden, seine Handynummer und weitere Daten von ihm tauchten seit dem Hackerangriff auf Grünen-Politiker im Jahr 2019 immer wieder in rechten Foren auf. Und von der Polizei hat Meyer die Information erhalten, dass sein Name auch auf einer oder mehreren „Feindeslisten“ von Rechtsextremen stand.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links