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„Hart aber fair“ mit neuem ModeratorAm Ende zu versöhnlich

In der ersten „Hart aber fair“-Sendung mit Moderator Louis Klamroth geht es wohltuend sachlich zu. Die Gäste verabreden sich sogar zum Abendessen.

Führte bestimmt, aber empathisch durch die Diskussion: Moderator Louis Klamroth mit Gast Jens Spahn Foto: Oliver Ziebe/WDR

Eigentlich könnte es beim Einstieg in diese Kritik auch gleich um Linsensuppe gehen. Aber das Beste kommt zum Schluss. Und positiv Anzumerkendes zur „hart aber fair“-Premiere des Moderators Louis Klamroth gibt es auch sonst reichlich: dass zum Beispiel fast durchgehend sachlich über Armut und Inflation diskutiert wurde; dass Betroffene in Würde und ohne sozialvoyeuristischen Beigeschmack zu Wort kommen konnten; dass so eine Polittalk-Sendung mal von einem 33-Jährigen statt arrivierten Mo­de­ra­to­r:in­nen in ihren Mittfünfzigern angeleitet wurde.

Dass Klamroth seine Pre­miere ohne großen Kampf um Autorität begehen durfte, hatte aber auch mit einer für „hart aber fair“-Verhältnisse eher zahmen Runde zu tun. Ein bisschen mehr Die-anderen-aussprechen-Lassen tat dieser Sendung, bei der es in den vergangenen Jahren immer wieder ungenießbar unübersichtlich wurde, zugleich gut. Typisch Talkshow waren dann doch: Politiker, die ihre Politikerfloskeln nicht ablegen wollten. Keiner von ihnen sagte irgendwas, das nicht so auch erwartet worden wäre: CDU-Politiker Jens Spahn kritisierte den innerkoalitionären Streit und dass viele Entscheidungen der Ampel zur Entlastung der Bür­ge­r:in­nen zu spät getroffen worden seien. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil verteidigte die Maßnahmen der Regierung und wehrte sich gegen den Vorwurf, dass bei all den angekündigten Ausgleichszahlungen keiner mehr durchblicke.

Gut, dass da noch die sogenannte Wirtschaftsweise Monika Schnitzer und Spiegel-Journalistin Melanie Amann saßen, die das Altbekannte mit substantieller Gegenrede unterbrachen. Amann verteidigte die Idee, Mehrwertsteuern für Lebensmittel auszusetzen, was gezielt Bedürftige entlasten würde, weil die einen größeren Teil ihres Einkommens dafür ausgeben als Besserverdienende. Schnitzer widersprach, weil diese Maßnahme nicht gezielt genug sei und Mitnahmeeffekte ermögliche, sodass Händler und Hersteller statt Kon­su­men­t:in­nen profitieren könnten. Sie sprach sich für einen temporären Energiesoli aus.

Zum Glück saß in der Runde aber auch der Metallarbeiter und Familienvater Engin Kelik, der nicht nur eindrücklich darüber berichtete, was es bedeutet, in diesen Zeiten mit einem Nettoeinkommen von 2.300 Euro eine Familie mit zwei Kindern zu ernähren. Er hatte auch keinerlei Scheu, den ihn umgebenden Medien- und Politprofis zu widersprechen.

„Abgaben für Reiche müssen auf Dauer sein“

„Also ich glaube das eher weniger“, intervenierte Kelik etwa, als die Wirtschaftswissenschaftlerin Schnitzer prognostizierte, dass die Preise für Lebensmittel „über kurz oder lang deutlich nach unten gehen werden“, sobald sich auch die Inflation (im Oktober bei 10,4 Prozent, Höchststand seit 1951) und somit die Kosten für die Herstellung von Lebensmitteln normalisieren.

Als die Runde gegen Ende der Sendung endlich beim wohl wirksamsten Mittel der Armutsbekämpfung angekommen war, Spahn und Klingbeil wieder nur das Erwartbare vorbeteten und Amann prophezeite, dass diese Maßnahme aber nicht kommen werde, weil die FDP das so in den Koalitionsvertrag reinverhandelt habe, fragte Klamroth Kelik, ob er es denn gerecht fände, wenn „Leute, die sehr viel Geld verdienen, temporär noch ’ne Abgabe zahlen müssen“. „Ob ich es gerecht finde? Ich finde, dass das auf Dauer so sein muss“, antwortete Kelik, und sorgte wieder einmal für verlegenes Lächeln bei manch anderem Gast.

Nach dieser klaren Ansage suchte Klamroth, der ansonsten bestimmt, aber empathisch durch die Diskussion geführt hatte, leider doch noch ein versöhnliches Ende. Er fragte die Gäste nach ihrem besten Gericht mit Hülsenfrüchten und mit wem aus der Runde sie es essen würden – der grüne Landwirtschaftsminister Özdemir hatte nämlich vorgeschlagen, die Mehrwertsteuer auch für Hülsenfrüchte auszusetzen. Spahn entschied sich für Erbsensuppe mit Bockwurst, mit Lars Klingbeil „auf die gute alte Groko-Zeit“. Engin Kelik dagegen lud alle aus der Runde auf eine originale türkische Linsensuppe ein.

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2 Kommentare

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  • Es war nur einer da, der die Wahrheit nicht beschönigte. Das war Herr Kelik!



    Er hatte keinerlei Scheu, die Dinge beim Namen zu nennen. Respekt!

  • Am Ende haben also Alle gesagt, was sie immer sagen und Neues war nicht dabei.



    Nur der Stil war etwas weniger weniger ungehobelt als sonst.



    Das ist ja mal eine richtig gut Nachricht.

    Im Ernst - warum hätte ich mir so eine offensichtliche Theatervorstellung ansehen sollen bzw. warum soll ich irgendjemand irgendjemand so etwas ansehen?



    Die Vorstellung ist zwar gewissermaßen improvisiert aber wird dadurch nicht authentisch und inhaltlich ist sie komplett irrelevant, weil die Themen ja nur angerissen werden und die Teilnehmer nur begrenzte Kompetenz besitzen.

    So einer Runde zuzusehen ist doch verlorene Lebenszeit.