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Handelsprofessor über Edeka und Kaiser’s„Eine Zerschlagung ist unrealistisch“

Das Unternehmen Edeka wächst durch die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann weiter. Jörg Funder über Marktmacht, Kunden und Konkurrenz.

Der Experte findet: Die Übernahme ist eher keine so gute Idee Foto: reuters
Interview von Svenja Bergt

taz: Herr Funder, Edeka wird Kaiser‘s Tengelmann übernehmen. Wird dann die Butter teurer?

Jörg Funder: Langfristig ist das gut möglich. Denn im Lebensmitteleinzelhandel ist der Markt mittlerweile so konzentriert, dass das nicht mehr zum Wohl des Kunden ist. Und je weniger Wettbewerber es werden, desto ungünstiger für die Konsumenten.

Wie konnte es dazu kommen, dass so wenige Unternehmen den Markt dominieren?

Das ist eine Entwicklung, die insbesondere in den vergangenen 20 Jahren zustande gekommen ist. Einer der Auslöser waren die Discounter: Sie haben für einen extremen Preisdruck gesorgt. Der führte dazu, dass immer weniger Anbieter mithalten konnten und es zahlreiche Übernahmen gab, um die Kosten weiter zu senken. Die Konzentration ist damit auch vom Konsumenten mit verursacht, der nicht bereit war, für Lebensmittel einen adäquaten Preis zu zahlen.

Der Kunde ist schuld – ist das nicht ein bisschen einfach?

Natürlich hätte man in der Vergangenheit auch den ein oder anderen Zusammenschluss verhindern können. Zum Beispiel die Übernahme von Plus durch Netto …

Im Interview: Jörg Funder

ist seit 2008 Professor für Unternehmensführung im Handel und Direktor des Instituts für Internationales Handels- und Distributionsmanagements an der Hochschule Worms.

der ja ebenfalls zu Edeka gehört.

Und dass die Situation so ist, wie sie ist, liegt auch an den Händlern, die es anscheinend nicht geschafft haben, eine Leistung zu bieten, für die der Kunde auch etwas mehr ausgeben würde.

Lässt sich die Konzentration wieder auflösen?

Der einzige Weg wäre, Unternehmen zu zerschlagen. Das halte ich nicht für realistisch. Wir werden also mit diesen Marktstrukturen leben müssen.

Wird es für Kunden billiger, leiden die Produzenten. Wer wird die Übernahme stärker zu spüren bekommen?

Definitiv die Lieferanten. Je mehr Macht wir bei den Händlern haben, desto stärker werden sie diese Macht auch nutzen. Ein Vergleich: Der größte Konsumgüterhersteller Deutschlands, die Nestlé-Gruppe, ist immer noch mehr als zehnmal kleiner als der größte Lebensmitteleinzelhändler, also Edeka.

Gerade in Ballungsräumen eröffnen immer mehr Biomärkte – könnte die neue Konkurrenz ein Weg aus der Konzentration sein?

Tatsächlich wenden sich Kunden gerade etwas von den Discountern ab und sind bereit, mehr für Produkte zu zahlen, die sie zum Beispiel als gesund ansehen. Aber wer da gewinnt, das sind vor allem die Supermärkte. Die Edeka-Gruppe generiert mehr als 50 Milliarden Euro Jahresumsatz, Rewe ist nur ein bisschen kleiner. Da kommen neue Anbieter nicht auch nur in die Nähe. Die Biomärkte werden eher eine Nische bleiben. An den Marktstrukturen verändern sie nichts.

Die Ministererlaubnis, die die Übernahme möglich macht, sieht bestimmte Vorgaben vor, etwa Garantien dafür, Arbeitsplätze und Filialen von Kaiser‘s Tengelmann zu erhalten. Ist das realistisch?

Das ist Wunschdenken. Es wird natürlich zu Entlassungen und Arbeitsplatzverlusten kommen. Alles, was die rückwärtigen Prozesse angeht, Logistik, Einkauf, Außendienst – das wird zurückgefahren werden. Und was die Garantie angeht – bei Karstadt kam es dann eben nach der Stillhaltefrist zu Entlassungen. Genau das Gleiche wird hier auch passieren.

Seit Jahren gibt es einen Schattenkonkurrenten im Lebensmittelmarkt: Amazon. Immer wieder gibt es Gerüchte, dass der US-Händler auch in Deutschland Lebensmittel verschicken wird.

Ja, Amazon wird das sicher versuchen. Ich vermute aber, dass dieser Markt eine Nische bleibt.

Warum?

Weil die Margen so extrem niedrig sind. Da werden pro hundert Euro Umsatz nur ein Euro oder weniger verdient. Das lässt solche komplexen Prozesse wie Lieferungen überhaupt nicht zu. Das heißt: Lieferangebote wird es vor allem in Ballungsräumen geben.

Also dort, wo die Versorgung mit Lebensmitteleinzelhändlern eh gut ist.

Genau. Vielleicht wird es relevanter bei haltbaren Produkten, also H-Milch oder Drogerieartikeln. Aber Erdbeeren können Sie im Sommer schon im Regal beim Faulen zusehen. Und die sollen in den Lieferwagen? Das sehe ich nicht.

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7 Kommentare

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  • Eine ganz wesentliche Ursache ist GANZ SICHER die voellig ire Einstellung des dt. Konsumenten gegenueber seinen Lebensmitteln!

    DIE koennen nicht "billig" (im wahren Wortsinn: kleiner Preis UND schlechte Qualitaet) genug sein!

    Und da koennen "kleine" natuerlich nicht mithalten.

    Und mittlerweile ist die Angebotssruktur dadurch teils so "kaput", dass hoeherpresige Produkte nur noch genau DAS sind: sie kosten bei gleich schlechter Qualitaet einfach nur mehr. Und ein jeglicher "Gewinn" ist praktisch nur noch auf Handelsseite zu verzeichnen (vgl. Milch)! Der eigentliche "Leistungserbringer" (Bauer, Obst-/Gemuesegaertner etc) kann seine Ware kaum kostendeckend loswerden.

    "Geld" ist da auch kein "heilendes" Hilfsmittel: Gehen wir am Samsatg, kurz vor Marktschluss ueber den Wochenmarkt mit einem 5eur-Schein: Binnen kuerzester Zeit vervielfacht sich die Menge der erhaeltlichen Lebensmittel! Diese waeren am Montag naemlich "dahin", die 5eur immer noch genauso "da".

    Hubger ist richtig, richtig bitter, aber "unser" Ueberangebot ist eine Katastrophe!

    Waehrend meiner 7 Jahre im Allgaeu gab's nahezu alle Milchprodukte von einer der nahgelegenen Sennereien: "Unten" fuht der Bauer mit seinem Milchfass vor, "oben" gab's in einem schon fast zu "klinischen" Verkaufsbereich mit ein paar Tischen zur Einkehr dann alles, was so draus wird: Milch, Joghurt, Quark, Butter, Kaese zu immer noch bezahlbaren Preisen und dem Ertrag dort, wo er hingehoert!

    Ab und an dann noch ein Reh erlegt, und auch der "normale" Fleischkonsum war von hoechster Guete und moralisch unangreifbar! Kein Tier lebt besser, als ein freies.

    Aber ich weiss, "Jagd" ist ja per se boese, weil die "Typen", die die armen, kleine Bambis heimtueckisch niedermetzeln, Waffen haben duerfen.

    Der Wolf und seine Kumpanen werden's schon richten, herzlichen Dank!

    Je "verstaedterter" wir warden. mit all' den Annehmlichkeiten, desto schwieriger wird das leider.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    An Sanktionsmöglichkeiten hatte man sich ausgedacht: "Falls in den kommenden Jahren gegen diese Vorgaben verstoßen wird, droht dem Unternehmen die Rückabwicklung der Fusion."

    Da sieht man gleich: "droht" (ein Lacher), "Rückabwicklung der Fusion" (Riesenlacher). Wo sind Vertragsstrafen, die auch wehtun?

  • Mit der fortschreitenden Tendenz zur sexuellen Regression innerhalb der heutigen Gesellschaft vergrößert sich die Gruppe der Objektophilen ("Wir lieben Lebensmittel") stetig und unaufhaltsam. Diesem Umstand kommt zusätzlich sehr entgegen, dass das Einkaufen mittlerweile die sexuelle Ersatzhandlung No. 1 für viele Menschen geworden ist. Eine wahrhaft synergetische Win-Win-Situation (;-))>

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Gabriels Argument der Arbeitsplatzsicherung ist fadenscheinig und streut nur Sand in die Augen der ArbeitnehmerInnen. Es braucht gar nicht so lange bis die Stillhaltefrist abläuft. Dort wo eine Tengelmann-Filiale in der Nähe einer Edeka-Zweigstelle ist, wird dann eben das Edeka-Geschäft geschlossen und die Leute entlassen. So umgeht man die Auflagen. Gabriel hat --wieder einmal-- eine große Show abgezogen ohne die Konsequenzen zu überlegen. Aber darum ging es ihm auch gar nicht, er wollte die Schlagzeile haben: SPD erhält tausende Arbeitsplätze. Das dabei locker mindestens (!) die gleiche Menge verlorengeht - wen kümmert's schon???

  • Ich verstehe nicht, wieso ausgewiesene "Experten" wie dieser Professor und Institutsdirektor permanent so tun, als gäbe es in Deutschland weder eine Verwaltung noch eine Politik oder Gerichte. Das heißt – im Grunde verstehe ich es nur zu gut.

     

    In der Traumwelt aller Möchtegern-Marktbeherrscher mag es ja so sein, dass die Märkte freier sind als jeder Vogel und ausschließlich von Angebot und Nachfrage reguliert werden. In dieser Traumwelt ist es ausschließlich die Schuld der Kunden oder der Produzenten, wenn Einzelunternehmen den Markt so sehr beherrschen, dass sie zu Diktatoren werden können. Übrigens nicht nur in Bezug auf die Preise der Waren, sondern beispielsweise auch in Bezug auf die Warenqualität (Zucker-, Salz- und Fettanteil von Lebensmitteln, rosarote oder hell blaue Verpackungen etc.).

     

    In der Realität kann die Traumwelt der Einen leicht zur Albtraumwelt werden für Andere. Deswegen werden Traumwelten kontrolliert in Deutschland. Von Menschen, die dafür bezahlt werden. Und zwar auf Basis von Gesetzen, die nicht naturgegeben sind, sondern demokratisch abgestimmt.

     

    Leider lassen sich Bürokraten und Politik oft dazu verleiten, die konkret und nachdrücklich vorgetragenen Wünsche großer Wettbewerber deutlich ernster zu nehmen als ihren eigentlichen Arbeitsauftrag. Auf Druck der Unternehmen hin wurde beispielsweise die maximale Verkaufsfläche, die in Wohngebieten erlaubt ist, in den letzten Jahren Stück für Stück angehoben. Die "Nahversorger", die ganz ohne Bauleitplanverfahren und damit ganz ohne Öffentlichkeitsbeteiligung errichtet werden dürfen, sind also immer größer geworden. Nur deswegen ergeben die Fusionen überhaupt einen gewissen Sinn.

     

    Das Kaufverhalten der Kunden ist nur eins von vielen Problemen. Überhaupt ignorieren Menschen gern Zusammenhänge, wenn sie sich was davon versprechen. Mensch will nun mal betrogen sein. Und wenn die Butter schließlich teurer wird, wählt er aus Frust die AfD.

    • @mowgli:

      Volle Zustimmung zu dem guten Durchblick. Ich lese ihre Kommentare immer gerne :-)

       

      Kollektive Dummheit führte immer in den Abgrund.

      • @Frei_Denken:

        Danke. Kunststück: Der "Durchblick" entsteht zwangsläufig, wenn man 30 Jahre berufstätig ist.