Hanau-Gedenken in Hamburg: Polizei lässt Demozug nicht starten
Die Polizei störte in Hamburg das Gedenken an den Anschlag von Hanau. Die Demo durfte nicht loslaufen. Erst später wurde eine Kundgebung erlaubt.
U nwürdig trifft es ziemlich gut, was am Mittwoch an der Wilhelmsburger Brücke passiert ist. Während in Berlin-Neukölln laut Polizei etwa 2.600 Menschen auf die Straße gingen, um an die rassistischen Morde von Hanau zu erinnern und gemeinsam zu trauern, verhinderte die Polizei in Hamburg, dass sich der Demozug in Bewegung setzte.
Sechs Monate ist es her, dass ein 43-jähriger arbeitsloser Sportschütze neun Menschen mit Migrationsgeschichte erschoss: Ferhat U., Mercedes K., Sedat G., Gökhan G., Hamza K., Kalojan W., Vili Viorel P., Said Nesar H., Fatih S. Ein Angriff auf die freie, multikulturelle Gesellschaft, in der wir leben wollen. Einige Zeit bekamen das rassistische Massaker und seine Opfer viel mediale Aufmerksamkeit. Dann dominierte die einsetzende Coronapandemie die Berichterstattung.
In Wilhelmsburg hängen Aktivist*innen Plakate mit Fotos und Namen der Opfer aus. Sie kämpfen dagegen, dass die Toten vergessen werden.
Wenn nun also statt der angekündigten 500 Menschen 800 zusammenkommen, um von der Veddel am Deich entlang zum Stübenplatz zu laufen, ist das ein großes Zeichen der Solidarität und Wertschätzung. Es ist wichtig.
Außerdem kann es an ihrer bloßen Zahl nicht gelegen haben, dass die Demonstrant*innen an der S-Bahn-Station nicht loslaufen durften. Schließlich haben wenige Tage zuvor rund 1.000 Corona-Leugner*innen und deren Unterstützer*innen in der Innenstadt gegen die Maskenpflicht demonstriert – viele davon ohne Maske. Der Grund kann also nur Korinthenkackerei der Polizei sein: „Ihr habt doch vorher gesagt, dass es weniger Leute werden. So geht das aber nicht!“
Auf Fotos ist zu sehen, dass am Mittwoch nahezu alle Teilnehmer*innen Masken trugen – nicht dass Vermummung im linken Spektrum je ein Problem gewesen wäre. Wenn sich die Demonstrant*innen also an die Regeln halten, hat die Polizei keinen Grund, dieses Gedenken zu behindern. Sie wäre – angesichts der Debatten um rassistische Strukturen innerhalb der Polizei – besser beraten, eine solche Demo zu unterstützen.
Andrea Maestro
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen