Hamburger gegen US-Überwachungsfirma: Big Deal mit Daten

Eine US-Firma ermöglicht Behörden eine automatisierte Gesichtserkennung mit Hilfe einer Mega-Datenbank. Der Hamburger Matthias Marx geht dagegen vor.

Zwei Männer sitzen vor einem Laptop

Wird schon von Sheriffs aus Florida genutzt: Clearview-Datenbank im Einsatz Foto: Zuma Wire/Imago

HAMBURG taz | Im Januar vorigen Jahres las der Hamburger Matthias Marx einen Artikel in der New York Times. Darin wurde von einem US-amerikanischen Start-up berichtet, das einen gigantischen Datenschatz aufgebaut hatte: Clearview AI hatte sich über drei Milliarden Bilder aus dem Internet gezogen, auf denen Gesichter von Menschen zu erkennen sind.

Marx fand heraus, dass das Unternehmen auch Bilder von ihm besitzt – ohne dass er darüber informiert wurde oder seine Zustimmung dazu gegeben hätte. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte hat deshalb nun ein Verfahren gegen Clearview eingeleitet.

„Ich hatte Grund zu der Annahme, dass Clearview auch Bilder von mir besitzt“, sagt Marx, der an der Uni Hamburg eine Promotion über Anonymität im Internet schreibt. „Das stimmte auch.“ Er schrieb das Unternehmen an, fragte nach, ob es auch von ihm personenbezogene Daten und Bilder besäße – und wem es sie zugänglich mache. Darüber berichtete der Spiegel.

Indem Clearview Firmen oder Behörden den Zugang zu seiner Datenbank verkauft, verdient es sein Geld: Dann kann etwa eine Polizeibehörde die Gesichtserkennungs-App von Clearview nutzen, darüber Fotos hochladen und diese mit Informationen aus der Datenbank abgleichen.

Datenschutzbeauftragter gegen Clearview

So kommen die Behörden an Daten von Menschen, von denen sie selbst noch keine Informationen haben. Clearview sammelt nicht nur Fotos, sondern noch weitere persönliche Daten, um damit wiederum an noch mehr Daten zu kommen.

„Nachdem ich durch die Antwort des Unternehmens herausfand, dass es biometrische Daten von mir verwendet, habe ich mich an Johannes Caspar gewandt“, sagt Marx. Caspar ist der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz.

Martin Schremm, Sprecher des Datenschutzbeauftragten

„Die Fragen wurden ausweichend beantwortet““

Seine Behörde schickte einen Fragenkatalog an das Unternehmen. „Die Fragen wurden lediglich ausweichend beantwortet“, sagt Caspars Sprecher Martin Schemm. Caspar bohrte nach unter Androhung eines Strafgeldes von je 10.000 Euro für jede unbeantwortete der insgesamt siebzehn Fragen.

Die dann eingereichten Antworten des Unternehmens ließen den Datenschutzbeauftragten zu der Ansicht kommen, dass Clearview gegen die europäische Datenschutz-Grundverordnung verstößt. „Das Unternehmen zieht alle Bilder aus dem Internet, um damit seine Datenbank immer weiter auszubauen“, sagt Schemm.

Europaweites Verbot gegen Clearview nicht in Sicht

Betroffen sind davon auch europäische Bürger:innen. Die Datenschutz-Verordnung aber schützt Eu­ropäe­r:in­nen vor Datenverarbeitung auch in Ländern außerhalb der EU.

Dass das Unternehmen keine Niederlassung in Europa hat, sei demnach unerheblich. Clearview müsste dennoch die Zustimmung jeder Person zu personenbezogener Datenverarbeitung haben. Unerheblich sei auch, dass das Unternehmen auf seiner Homepage ein Formular bereithält. Damit können EU-Bürger:innen Clear­­view auffordern, nicht mehr in Suchergebnissen aufgelistet zu werden. Von einer Löschung aller Daten ist aber keine Rede.

14 Tage hat das Unternehmen Zeit, die vom Datenschutzbeauftragten geforderte Löschung von Daten vorzunehmen. Die österreichische Zivilorganisation NOYB, die sich für digitale Bür­ge­r:in­nen­rech­te einsetzt und auch Marx vertritt, hätte sich vom Datenschutzbeauftragten den Ausspruch eines europaweiten Verbots gegenüber Clearview gewünscht.

„Wir können nur in einen konkreten Fall eingreifen“, sagt Schemm. Das Löschen aller Daten, die Clearview von Eu­ropäe­r:in­nen besitzt, könne der Datenschutzbeauftragte nicht erwirken. Ob Clearview der Aufforderung Folge leistet, ist noch unklar. Sollte es sich weigern, müsste ein Gericht entscheiden, ob ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung vorliegt.

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