Hamburger SPD-Intrigen: Schmuddelige Gräben
Der seit langem schwelende Konflikt zwischen den Lagern des rechten Jusos Danial Ilkhanipour und des linken Bundestags-Abgeordneten Niels Annen kocht wieder hoch.
HAMBURG taz | Es geht um Karrieren und Posten, es geht um Absprachen, die nicht eingehalten werden oder die es gar nicht gegeben haben soll: In der Hamburger SPD kracht es mal wieder im zerstrittenen Kreisverband Eimsbüttel, konkret im Distrikt Schnelsen. „Da wollen einige zurück in ihre alten schmuddeligen Gräben“, mutmaßt einer, der selbst zu buddeln versteht, aber die anderen meint. Es gehe um die Kernfrage „Macht für einzelne oder Beteiligung vieler an der Willensbildung“, sagt einer von der Gegenseite. Der Showdown ist terminiert für die Vorstandswahlen am 3. Februar. Das sei „eine interne Sache von Schnelsen“ beschwichtigt Eimsbüttels Kreisvorsitzender Milan Pein.
Es geht um einen alten Konflikt zwischen den Lagern des linken Bundestagsabgeordneten Niels Annen und des rechten Jusos Danial Ilkhanipour, der allen Dementis zum Trotz weiter schwelt. 2009 hatte Ilkhanipour Annen „mit unlauteren Methoden“, so das Annen-Lager, aus dem Kandidatenrennen geworfen. Eimsbüttels Linke boykottierten daraufhin Ilkhanipours Wahlkampf, der scheiterte mit dem schlechtesten SPD-Wahlkreisergebnis aller Zeiten.
2012 schlossen die verfeindeten Kontrahenten auf Druck des Landesvorsitzenden und Bürgermeisters Olaf Scholz einen Burgfrieden. Annen zog mit Ilkhanipours Unterstützung wieder in den Bundestag ein, dessen Lager erwartet nun als Gegenleistung Annens Hilfe für Ilkhanipours Kandidatur zur Bürgerschaft. Die aber bleibt aus – wobei unklar ist, ob Annen sie überhaupt jemals zugesagt hat. Die beiden Versionen, die erzählt werden, schließen einander aus.
Bei der Bundestagswahl 2009 hatte die SPD erstmals ihre Spitzenposition in Hamburg an die CDU verloren. Die CDU errang 27,9 Prozent (2005: 28,9), die SPD stürzte ab auf 27,4 (38,7).
Eimsbüttel: In dem Wahlkreis erlitt Danial Ilkhanipour gegen den CDU-Kandidaten Rüdiger Kruse eine krachende Niederlage. Mit 23,8 Prozent der Erststimmen halbierte er nahezu das Wahlergebnis von Niels Annen von 45,1 Prozent bei der Wahl 2005. Bei den Zweitstimmen erreichte die SPD in Eimsbüttel 26,8 Prozent.
2013: Bei der Bundestagswahl im September wurde die SPD mit 32,4 Prozent wieder stärkste Partei vor der CDU mit 32,2 Prozent. Niels Annen gewann das Direktmandat in Eimsbüttel mit 37,5 Prozent zurück - klar vor Kruse und über dem SPD-Landesergebnis.
Am 3. Februar nun will Ilkhanipours Schnelsener Statthalter Koorosh Armi seinen Posten als Distriktsvorsitzender verteidigen, auf dem Spitzenplatz für die Bezirksversammlung Eimsbüttel kandidieren und Mehrheiten organisieren für Ilkhanipours Kandidatur zur Bürgerschaft. Sein frisch aufgetauchter Gegenkandidat ist der erst vor zwei Jahren in die Partei eingetretene linke Sozialdemokrat Matthias Ederhof. Der sei im Auftrag von Niels Annen unterwegs, wähnt das Ilkhanipour-Lager.
Andere denken in noch größeren Maßstäben: Ederhof ist Geschäftsführer der Genossenschaft Energienetz Hamburg eG, die sich mit 50 Millionen Euro als Partner der Stadt am rekommunalisierten Stromnetz beteiligen möchte. Ergo habe Scholz persönlich Ederhof ausgesandt, um Ilkhanipour zu verhindern, wird gemunkelt. Als Belohnung winkten ihm Anteile an der Stromnetz-Gesellschaft. Eben dies hat Scholz aber definitiv ausgeschlossen, weil eine solche Beteiligung „dem Volksentscheid widerspricht“. Ederhof nennt die Gerüchte „Quatsch“. Ihm liege nur daran, „die SPD in Schnelsen wieder zu einer inhaltlichen Mitmachpartei zu machen“.
Hinzu kommt, dass der wichtigste Verbündete von Ilkhanipour Hauke Wagner heißt. Der Sohn des langjährigen Bausenators Eugen Wagner sitzt als Juso-Vertreter im SPD-Landesvorstand und ist beruflich Projektmanager für das Hamburger Energiekonzept bei Vattenfall – und somit ein Gegenspieler des Energie-Genossenschaftlers Ederhof.
Der Eimsbütteler Sozialdemokrat Martin Schäfer, Fraktionsvize in der Bürgerschaft und einer der wenigen, die sich zitieren lassen, zuckt da nur noch die Schultern: „Schnelsens SPD ist nicht immer erklärbar.“
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