Hamburger Klinikkonzern Asklepios: Erst kündigen, dann schnacken

Am Montag ging die Auseinandersetzung zwischen Asklepios und einer Pflegerin vor Gericht los. Beide Seiten wollen aber erst mal miteinander reden.

Protest gegen die Kündigung auf dem Hamburger Rathausmarkt

Seit Wochen wird gegen die anvisierte Kündigung in Hamburg protestiert Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

HAMBURG taz | Eigentlich, sagt Till Hischemöller, komme dieses Angebot viel zu spät. Im Übrigen sei es doch sehr vage. „Und ich weiß auch nicht, was Asklepios damit bezwecken will“, sagt der Arbeitsrechtler am Montagvormittag vor dem Saal des Hamburger Arbeitsgerichts. Hischemöller vertritt Romana Knezevic.

Die Pflegerin ist bei Asklepios beschäftigt, aber ihr Arbeitgeber will ihr die fristlose Kündigung ausstellen. Sie hatte im Dezember öffentlich von dramatischen Zuständen auf der Intensivstation einer Asklepios-Klinik berichtet, die auf personelle Unterbesetzung zurückzuführen seien. Weil sie im Betriebsrat sitzt und der auch gegen die Kündigung ist, betrat der Konflikt am Montag juristischen Boden.

Hischemöller und seine Mandantin wollen trotz der Skepsis das Angebot, das Asklepios am Montag beim juristischen Auftakt vorschlug, annehmen. Als Gütetermin war das erste Zusammenkommen der Streitparteien vor dem Arbeitsgericht betitelt.

Der sei laut Richterin Sabine Mascow ja dazu da, um nach einer gemeinsamen und für alle Seiten zufriedenstellenden Lösung zu schauen. In diesem Fall müsste dann das Gericht nicht in einer anschließenden Verhandlung eine Entscheidung zugunsten der einen oder der anderen Seite fällen.

War es nur ein Missverständnis?

Das klärende Gespräch solle schon in den kommenden Tagen zustande kommen, „um möglicherweise entstandene Missverständnisse auszuräumen“, wie es die Anwältin des Konzerns erklärte. Dabei ließ sie offen, was die Missverständnisse sein sollen.

Beide Seiten streiten konkret um drei Äußerungen, die Knezevic im „Hamburg Journal“ des NDR im Dezember getätigt hatte und kaum Stoff für Missverständnisse bilden: Auf die Pfle­ge­r:in­nen in der Asklepios-Klinik St. Georg würden häufig zu viele Pa­ti­en­t:in­nen kommen; die Pfle­ge­r:in­nen müssten auch Reinigungsaufgaben übernehmen, weil es an Reinigungspersonal mangelt; und es gebe Patient:innen, die deshalb ohne pflegerische Begleitung sterben.

Till Hischemöller, Anwalt von Romana Knezevic

„Meine Mandantin steht zu ihren Aussagen und wird sie nicht zurücknehmen“

Asklepios hat allen Vorwürfen in der Vergangenheit vehement widersprochen. Sie seien nach Ansicht von Asklepios aus „ideologisch-politisch motivierten Gründen“ erhoben worden, sodass sich der Konzern derartige Aussagen ihrer Beschäftigten nicht bieten lassen könne.

Zugleich hatte die angestrebte Kündigung für großen Protest gegen das Unternehmen und einer wochenlangen Mahnwache vor der Klinik im Stadtteil St. Georg gesorgt. Dieser war von der Hamburger Krankenhausbewegung, einem Zusammenschluss von Pflegekräften, organisiert worden, als deren Sprecherin Knezevic im Interview auftrat. Weitere zivilgesellschaftliche Gruppen, Gewerkschaften und die Linkspartei unterstützten den Protest.

Vorwürfe gegen Asklepios bleiben bestehen

„Das einzig Richtige wäre, den Antrag auf Kündigung zurückzunehmen“, sagt Hischemöller. Seine Mandantin habe sich mit ihrer Kritik eindeutig im Rahmen der Meinungsfreiheit bewegt – und die Vorwürfe würden der Wahrheit entsprechen. „Meine Mandantin steht zu ihren Aussagen und wird sie nicht zurücknehmen“, sagt Hischemöller.

Kliniken in 14 Bundesländern hat der Hamburger Konzern Asklepios. Auf die vorhandenen rund 27.000 Betten kommen jährlich etwa zwei Millionen Patient:innen.

Der Umsatz betrug 2019 3,5 Milliarden Euro. Zwischen 2015 und 2019 lag der jährliche Gewinn bei 170 bis 195 Millionen Euro.

Die Krankenhäuser der Stadt Hamburg hatte Asklepios 2004 übernommen. Die Stadt hatte ihr 74,9 Prozent der Anteile verkauft.

76 Prozent der Hamburger:innen hatten zuvor bei einem unverbindlichen Volksentscheid gegen die Privatisierung gestimmt. Die damalige CDU-Regierung setzte sich darüber hinweg.

Ob am Ende des Gesprächs auch eine Rücknahme der Kündigung stehen könnte, ließ Asklepios am Montag offen. Um Knezevic zu kündigen, braucht der Konzern – eigentlich – die Zustimmung des Betriebsrats. Da dieser sie aber nicht geben will, versucht es Asklepios nun auf dem juristischen Weg. Ein Arbeitsgericht kann dem Antrag auf Kündigung zustimmen und damit das Veto des Betriebsrats übergehen.

Auch vor dem Arbeitsgericht versammelten sich am Montag einige Dutzend Unterstützer:innen. Das Gesprächsangebot von Asklepios hielten manche von ihnen nach dem Gütetermin für eine Verzögerungstaktik.

Dabei ist Asklepios für die Pfle­ge­ak­ti­vis­t:in­nen nur einer der Gegner im Konflikt. Der andere ist die Stadt Hamburg. Sie könne nach Ansicht der Pfle­ge­r:in­nen bessere Arbeitsbedingungen von Asklepios einfordern und auch die Einhaltung der geltenden Betreuungsschlüssel stärker kontrollieren.

Gerichtliche Fortsetzung trotz Gespräch

Am Sonntag demonstrierten Ak­ti­vis­t:in­nen dafür vor dem Rathaus. Die Stadt habe nicht nur wegen ihrer gesetzlichen Kontrollpflicht mehr zu unternehmen, sondern auch, weil sie mit 25,1 Prozent Miteigentümerin am Klinikkonzern ist und darüber Einfluss nehmen könne.

Trotz des angekündigten außergerichtlichen Gesprächs setzte Richterin Mascow nach dem nur wenige Minuten andauernden Gütetermin für den 20. Mai vorsorglich einen Termin für die Kammerverhandlung an. Trotz des anstehenden Gesprächs soll sich Asklepios gegenüber dem Gericht noch mal schriftlich zur Sache äußern, anschließend Knezevic und der Betriebsrat.

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