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Hamburger Klimaplan wackeltDer verschwiegene Umweltsenator

Dem Klimaschutzplan bricht ein Eckpfeiler weg: Ölheizungen dürfen bleiben. Das war absehbar, passte aber nicht zum Wahlkampf.

Nicht so einfach zu verbieten: alte Ölheizung Foto: Dominik Kuhn/unsplash

Hamburg taz | Hamburgs Klimaschutzplan bröckelt. Seit bekannt wurde, dass das von Senat und Bürgerschaft beschlossene Verbot des Neu-Einbaus von Ölheizungen ab 2022 mit Bundesrecht nicht vereinbar ist, fehlt Hamburg ein „wesentlicher Baustein“ zur Erreichung seiner Klimaziele. Pikant daran: Die federführende, vom grünen Senator Jens Kerstan geleitete Umweltbehörde, wusste schon seit langem, dass das Ölheizungsverbot mit geplanten Bundesgesetzen nicht vereinbar sein würde, verschwieg dies aber der Öffentlichkeit.

Stattdessen bauschte die rot-grüne Landesregierung ihr geplantes Klimapaket vergangenen Dezember zum Wahlkampfschlager auf – obwohl sie bereits wusste, dass die Bundesregierung Teile des Pakets obsolet machen könnte. Das belegt die Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Stephan Gamm. Dieser wirft Kerstan nun „Täuschungen, Halbwahrheiten“ und „Ignoranz“ vor.

Ausgebremst wird das Hamburger Ölheizungsverbot durch das Anfang Juli vom Bundestag beschlossene Gebäudeenergiegesetz. Das sieht lediglich vor, dass ab 2026 einzubauende Ölheizungen anteilig auch erneuerbare Energien nutzen müssen. Sollte das jedoch technisch nicht machbar sein, ist der Einbau von Ölfeuerungsanlagen auch weiterhin ohne Zugabe erneuerbarer Energien möglich.

Das Gesetz enthält ausdrücklich keine „Öffnungsklausel“, die es den Bundesländern ermöglicht, eigene weitergehende Maßnahmen für die Zurückdrängung von Ölfeuerungsanlagen zu beschließen. Für eine solche hatte sich Hamburg im Gesetzgebungsverfahren eingesetzt, war aber gescheitert.

Die zu erwartenden Probleme verschwieg der Senator

Sehenden Auges fuhr der rot-grüne Senat mit Kerstan am Steuer das Ölheizungsverbot gegen die Wand. „Mögliche Kollisionen waren bereits vor Verabschiedung des Hamburgischen Klimaschutzgesetzes bekannt“, gibt der Senat nun in seiner Antwort auf die CDU-Anfrage zu.

Es ist nicht das erste Mal, dass Kerstan rechtliche Hürden mit der Umsetzung seiner Klimaschutzverordnungen verheimlicht. Kaum hatte er im anlaufenden Bürgerschaftswahlkampf Hamburgs Klimaschutzpläne zusammen mit Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) präsentiert, da musste er sein Maßnahmenpaket auch schon wieder aufschnüren.

Kurz nach der Präsentation der Klimapläne musste Kerstan einräumen, was er bis dato der Öffentlichkeit verschwiegen hatte: Drei von 31 Paragraphen des Klimaschutzgesetzes – da­runter auch der zum Einbauverbot von Ölheizungen – mussten zwingend von der EU geprüft und abgesegnet werden.

Das Gesetz wurde deshalb im laufenden Wahlkampf als Torso verabschiedet. Erst im April konnten die von der EU nicht beanstandeten drei Paragraphen nachgetragen werden. Und wieder ließ sich Kerstan zu einer Falschaussage hinreißen: Durch den Nachtrag, beteuerte der Umweltsenator wörtlich, bestehe nun endlich „Rechts- und Planungssicherheit für alle Betroffenen. Das ist wichtig, weil das Verbot neuer Ölheizungen schon Ende 2021 wirksam wird“.

Dass es aufgrund des geplanten Bundesgesetzes alles andere als Rechts- und Planungssicherheit gab, muss Kerstan gewusst haben. Erneut unterschlug er die absehbaren Probleme, wohl in der Hoffnung, noch eine Öffnungsklausel erreichen und sein Ölheizungsverbot so durchsetzen zu können.

Wegen des gekippten Ölheizungsverbots forderte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) nun Nachbesserungen beim Klimaschutzplan. „Die Umweltbehörde muss offenlegen, wie die Einspar­lücke von circa 400.000 Tonnen CO2 durch den Wegfall des Ölheizungsverbots aufgefangen werden kann“, erklärte Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND Hamburg. Schon bei der Präsentation des Klimaschutzplans hatte Braasch dem Senat vorgeworfen, dieser stehe „auf sehr wackligen Füßen“.

Kerstan selbst reagierte, wie man es von ihm kennt: Attacke statt Selbstkritik. Konkrete Klimaschutzziele in den Kommunen auszubremsen sei „eine unverantwortliche Politik“, kritisiert er die fehlende Öffnungsklausel in dem Bundesgesetz.

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