Hamburger Hochhaus-Stumpf: Naturkunde soll Elbtower retten
Damit der Wolkenkratzer an den Elbbrücken keine Bauruine bleibt, wird die Stadt Hamburg möglicherweise ihr Naturkundemuseum dort unterbringen.
Der Elbtower soll der dritthöchste Wolkenkratzer Deutschlands werden und sprengt Hamburger Maßstäbe. Er ist das sichtbare Vermächtnis des ehemaligen Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD), unter dessen Ägide das Projekt beschlossen wurde. Er soll das östliche Ende des neuen Stadtteils Hafencity markieren und zugleich den Eingang der Innenstadt: Er liegt direkt an den Elbbrücken der A1 und an der Bahnstrecke nach Hannover und Bremen.
Ende Oktober wurde der mit 245 Metern Höhe geplante Bau bei einer Höhe von 100 Metern eingestellt, weil der Firma des österreichischen Unternehmers René Benko das Geld ausging. Für diesen Fall hatte sich die Stadt in einem Vertragswerk mit Benkos Firma Signa Prime Selection bestmöglich abzusichern versucht. Auf keinen Fall sollte öffentliches Geld in das Projekt fließen.
Neustart des Projekts scheint möglich
Der Senat bestand auf einem Finanzierungsnachweis und einer Vorvermietungsquote, also die Zusicherung von Mietern nach Fertigstellung einen bestimmten Flächenanteil zu belegen. Doch das mit Hilfe einer renommierten Anwaltskanzlei gebastelte Konstrukt war mitnichten wasserdicht: Ein Teil der finanzierenden Banken sprang ebenso ab wie die Mieter.
Was sich der Senat ebenso zusichern ließ, war das Recht, den bis dahin erstellten Bau samt Grundstück gegen Rückerstattung lediglich des Grundstückskaufpreises überschrieben zu bekommen, sollte der Investor pleitegehen. Diese Option hat sich der Senat kürzlich zum wiederholten Mal verlängern lassen, zuletzt bis Ende dieses Monats.
Das legt folgende Überlegung nahe: Indem die Stadt den Torso gegen einen symbolischen Euro einem neuen Investor überlässt, sollte eigentlich ein Neustart des Projekts möglich sein. Der Logistikunternehmer und Milliardär Klaus-Michel Kühne, der an Benkos Signa Prime Selection beteiligt war, taxierte die nötigen Mittel, um den Turm fertig zu bauen, auf 400 Millionen Euro, wobei er sich selbst mit maximal 100 Millionen Euro beteiligen werde. Es sind aber auch noch höhere Zahlen im Umlauf.
Eine Lücke von 250 Millionen
Der Berater und ehemalige Manager der Immobilienfirma Patrizia errechnete auf dem Portal immobilienmanager.de einen Wert von knapp 700 Millionen Euro für den Wolkenkratzer. Er legte dabei 77.000 Quadratmeter Bürofläche mit einer Durchschnittsmiete von 30 Euro pro Quadratmeter bei einem Zins von vier Prozent zugrunde. Abzuziehen sei von diesem Betrag eine Risisko- und Gewinnmarge sowie bestehende Belastungen, sodass nur noch 500 Millionen möglicher Erlös übrig blieben.
Unter Berufung auf Medienberichte rechnet der selbstständige Immobilienexperte und Ex-Geschäftsführer der Patrizia Immobilien Sebastian Lohmer allerdings mit Gesamtkosten von 950 Millionen für den Elbtower. Er vermutet, dass 200 Millionen Euro verbaut wurden, weitere 500 Millionen könnten mit Aussicht auf einen entsprechenden Erlös verbaut werden. Das ergäbe eine Lücke zwischen dem möglichen Erlös und den Kosten von 250 Millionen. Nicht einbezogen hat Lohmer in seine Überlegungen weitere 20.000 Quadratmeter Nutzfläche, die im Elbtower für Hotels, Gastronomien, Sportstudios und Geschäfte vorgesehen sind.
Um eine Finanzierung bemüht sich der Hamburger Investor Dieter Becken, der versucht, ein Konsortium von Geldgebern zusammenzubringen und exklusiv mit dem Insolvenzverwalter des Elbtowers verhandelt.
Hamburger Naturkundemuseum war bedeutend
Becken könne nur Erfolg haben, wenn sich ein Ankermieter für einen substanziellen Teil der Flächen finde, betonte Lohmer kürzlich im Hamburger Abendblatt. Dabei komme in seinen Augen nur das Naturkundemuseum in Betracht. „Klar sollte aber sein, dass der Elbtower nicht weitergebaut wird, wenn das Naturkundemuseum dort nicht einzieht“, sagte er der Zeitung.
Der Senat teilt auf Anfrage mit, er prüfe wie öffentlich bekannt verschiedene realistische Optionen für das Naturkundemuseum, unter anderem das Baufeld 51 in der Hafencity sowie den Elbtower. „Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt und um unsere Verhandlungsposition nicht zu gefährden, können wir hierzu zum jetzigen Zeitpunkt leider keine weiteren Auskünfte geben“, schreibt die federführende Wissenschaftsbehörde.
Das 1843 gegründete Hamburger Naturkundemuseum war einmal eines der bedeutendsten in Deutschland und das besucherstärkste noch vor dem in Berlin. Das Gebäude vis à vis des Hauptbahnhofs wurde bei den Bombenangriffen des Jahres 1943 zerstört. Der größte Teil der Sammlung blieb aber erhalten, weil er ausgelagert wurde.
Sammeln, Forschen und Ausstellen unter einem Dach
Das neue Museum, genannt Evolutioneum, soll ein Standort des 2021 gegründeten Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) werden. Der zweite Standort ist das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig (ZFMK). Im Evolutioneum soll möglichst unter einem Dach gesammelt, geforscht und ausgestellt werden. Als Eröffnungstermin war einmal das Jahr 2027 angepeilt worden.
„Der konkrete Fertigstellungstermin ist abhängig von der Umsetzungsvariante“, teilte der Senat im Juni der CDU mit. Der Biodiversitätsforscher und Projektleiter des Evolutioneums, Matthias Glaubrecht, schlägt für den Fall einer entsprechenden Entscheidung schon mal vor, den Elbtower in Evo-Tower umzubenennen.
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