Hamburger FDP-Wahlkampf: Ein Platz in der Mitte
Mit Prominenz aus Berlin läutet die FDP den Wahlkampf ein. Irgendwer muss ja die schweigende Mehrheit verteidigen gegen alles Schlechte, also: Linke.
Eine Spitzenkandidatin für die wichtige, weil, so Lindner, absehbar „auf Bundesebene ausgedeutete“ Hamburger Wahl gibt es natürlich auch: Anna von Treuenfels, eigentlich Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein und seit 2011 für die FDP in der Bürgerschaft. Mit dem leicht auf Stromlinie hin getrimmten Namen korrespondiert eine andere in den Dienst der Kampagne gestellte Vokabel: Eine „Rebellin“ ist demnach die 57-jährige Juristin und dreifache Mutter: „rebellisch, streitlustig und ohne Scheu vor Kontroversen“, was auch die schwarz-weiß in Szene gesetzte Lederjacke auf einigen der Plakate erklärt.
Das Image des Rebellischen speist sich im Fall von Treuenfelsʼ daraus, dass sie, ehe sie 2009 der FDP beitrat, sozusagen außerparlamentarisch sich Polit-Sporen verdiente: als Akteurin der erfolgreichen Anti-Schulreform-Initiative „Wir wollen lernen“; im Bürgerschafts-Wahlprogramm übrigens tritt die Schulpolitik jetzt als erstes Thema auf, gleich nach der Einleitung.
Facebook-Nutzer*innen-Furor
Die Rede von der Rebellion hallt am Freitagabend auch durch die proppenvolle Stapellaufsause, zu der laut Lindner 400 Menschen gekommen sind; das Hamburger Abendblatt zählt sogar „fast 500“, hat dafür die Fitnesstudio-Musik aber nicht mitbekommen, die vor Beginn des Ganzen im Saal erklingt. Rebellion, das meint hier nämlich ein Aufbegehren gegen zu viel Bürokratie, gegen zu wenig Mut – und gegen einen vermeintlichen links-grünen Meinungsmainstream. Klingt nach Facebook-Nutzer*innen-Furor? Ja, das tut es.
Noch deutlicher wird diese Stoßrichtung am Tag nach dem Kampagnen-Stapellauf: Für Samstagmittag hat von Treuenfels zum Gespräch über die Meinungsfreiheit eingeladen, ins Lokal „Bobby Reich“ an der Außenalster. Diese Runde ist ungleich überschaubarer, keine zwei Dutzend sind gekommen, der Altersschnitt ist noch etwas höher als am Vorabend. Und hier spätestens wird klar, aus welcher Richtung sie droht, die Gefahr für die freie Meinungsäußerung – von links.
Sicher: Ein um die Mitte sich mühendes Wahlprogramm nennt auch rechten und religiösen Extremismus; Parteichef Lindner ringt sich bei seiner Rede vor vollem Haus ein Bekenntnis „selbstverständlich“ auch gegen Rassismus und Antisemitismus ab. Und eine Distanzierung von der AfD. Aber: Mit den routiniert sich Empörenden da am rechten Rand, von dem man die nüchterne, stumm unser aller Wohlstand erwirtschaftende Mitte so gerne säuberlich getrennt zeichnet, mit den dauererregten Schreihälsen wirbt diese FDP erkennbar um die Stimmen sich heimatlos fühlender Konservativer. Da verbietet sich ja bei allem liberalen Bekenntniszwang jegliches, was diese Zielgruppe wegtreiben könnte.
Also wird geliefert. Ja, am rechten Rand werde die Sprache immer verrohter, aber vom linken her der „Meinungskorridor eingeengt“. Was im Fall Lucke eine echte Diskussion wert war und ist – auch in der taz übrigens –, schnurrt spätestens im sonnigen „Boby Reich“-Hinterzimmer zusammen darauf, dass man heute ja nichts mehr sagen dürfe, ohne mit Widerspruch rechnen zu müssen.
Als ein Anwesender kurz davor ist, die Unabhängigkeit eines Richters infrage zu stellen, wird es der Kandidatin dann aber doch zu viel des Populismus, und sie widerspricht. Dass sich der kleine, zivilisiert ausgetragene Dissens ausgerechnet am Künast-Urteil entzündet, ist dabei von besonderer Schönheit: So sehr sie der CDU abhanden gekommene Bürgerliche umwirbt, so dringend ist die FDP in Hamburg ja darauf angewiesen, überhaupt sichtbar zu bleiben als liberale Kraft – die Folge: Spott und Häme und hie und da sogar auch mal ein Argument richten sich insbesondere gegen die Grünen.
Träume von Zweistelligkeit
Denn bei aller Zuversicht, die so ein Wahlkampfauftaktgedöns naturgemäß verbreiten soll: Rechnerisch sind die Aussichten der Elb-Liberalen ziemlich überschaubar. Der angereisten Prominenz fällt es zu, das Ziel auszugeben: Zweistellig will man in die Bürgerschaft einziehen – und mitregieren in einer „Deutschland“-Koalition, also mit SPD und CDU – als liberale Juniorpartnerin, wohlgemerkt.
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