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Hamas-Kontrolle in GazaVom Machtverzicht noch weit entfernt

Lisa Schneider
Kommentar von Lisa Schneider

Schon wieder berichtet ein Medium, die Hamas sei bereit, die Kontrolle des Gazastreifens abzugeben. Nach derzeitigem Stand ist das aber unrealistisch.

Nach dem israelischen Angriff auf ein Haus in Khan Younis im südlichen Gazastreifen Foto: Hatem Khaled/reuters

E s ist wieder so weit. Ein Medium – diesmal die BBC – berichtet mit Bezug auf Insiderquellen: Die Hamas im Gazastreifen sei bereit, die Kontrolle abzugeben, etwa an eine palästinensische Technokraten- oder Einheitsregierung. Ein echter Durchbruch dazu ist in den Verhandlungen um einen dauerhaften Waffenstillstand theoretisch möglich, aber nach derzeitigem Stand unrealistisch.

Die Zerstörung Gazas in dem seit dem 7. Oktober 2023 anhaltenden Krieg ist immens, zehntausende Palästinenser wurden bei der israelischen Offensive getötet. Und trotz alldem scheint Israels Militär nur eingeschränkt gegen die Hamas anzukommen: So vermeldete es jüngst, den Kommandanten des Hamas-Bataillions von Shujaya, das ist ein Viertel in Gaza-Stadt, getötet zu haben – zum mittlerweile fünften Mal.

Auch einen nächsten „Man for the Job“ wird die Hamas sicher finden. Gerade vergangenes Wochenende griff eine Gruppe Hamas-Kämpfer israelische Soldaten nahe der Grenze an, aus einem noch bestehenden Tunnel heraus. Dazu kommt: Durch die Evakuierungsbefehle treibt Israel Zivilisten in von der Hamas kontrollierte Gebiete – und stärkt so deren Kontrolle, etwa über Hilfsgüter..

Das weiß die Hamas. Und auch, dass die Zeit auf ihrer Seite ist, wenn Israels Militär immer wieder an dieselben Kriegsschauplätze im Kampf gegen dieselben Bataillone zurückkehrt. Wenn die internationale Stimmung aufgrund der brutalen Kriegsführung Israels weiter kippt. Wenn die israelische Gesellschaft an der Frage des Umgangs mit den in Gaza verbliebenen Geiseln weiter zerbricht.

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Der Druck auf die Hamas scheint nicht groß genug, um sie tatsächlich zu einer Entwaffnung zu bewegen. Das macht sie immer wieder klar. Wenn die Hamas „Macht abgeben“ sagt, meint sie maximal ihren Verwaltungsapparat, nicht ihre Waffen. Und schaut man sich Gaza an, ist äußerst fraglich, wie der Druck militärisch noch erhöht werden sollte – auch vor dem Hintergrund der bereits bestehenden massiven Verstöße gegen internationales Recht.

Einen wunden Punkt gibt es: Auch der sechste Kommandeur des Shujaiya-Bataillions möchte bezahlt werden. Nach Medienberichten fehlt der Hamas dafür immer mehr das Geld. Das verdient sie bislang vor allem durch das Auspressen der Zivilbevölkerung indem sie Güter und Bargeld kontrolliert. Diese Möglichkeit muss ihr genommen werden. Etwa durch die Schaffung international verwalteter Camps für binnengeflüchtete Gazaner, in denen sie in Sicherheit versorgt werden – ohne Profit für die Hamas. Diese Option liegt derzeit wohl leider nichtmal auf dem Verhandlungstisch.

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Lisa Schneider
Redakteurin für Nahost
Redakteurin für Westasien & Nordafrika.
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3 Kommentare

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    Die Moderation                

  • Die Hamas kämpft in der Manier der Nationalsozialisten. Aufgeben ist einfach nicht vorgesehen. Sieg oder Tod. Dass diese Vorgehensweise für die Zivilbevölkerung tödlich und grauenhaft ist, das spielt keine Rolle,

    Wer in diesem Krieg stirbt, Kämpfer oder Zivilist, Frau, Greis oder Kind, ist dann eben Shahid. Sie lieben den Tod, diese islamistischen Verbrecher. Und nicht das Leben, die Freude, die Freiheit.

    Der einzige Lichtblick scheint zu sein, dass ihnen vielleicht das Geld ausgeht.

  • Die Frage ist doch, wie es möglich sein kann, dass die Hamas die von den vielen internationalen Hilfsorganisationen nach Gaza gebrachten Güter zu Geld machen kann. Und dass ohne nennenswerte Gegenwehr und Widerspruch der Hilfsorganisationen, allen voran dem UNRWA. Die Monetarisierung der Hilfsgüter kommt erst dann zum erliegen, wenn es keine Hilfsgüter mehr gibt? Mit anderen Worten jede Lieferung dient der Terrorfinanzierung und der Geiselhaft?