piwik no script img

Halle-Polizeiruf 110: „Der Dicke liebt“Opfer auf allen Seiten

Ein 8-jähriges Mädchen ist tot, Ermittlungen im Nahfeld beginnen. Der „Polizeiruf“ ist nah an seinen Figuren und inhaltlich nur schwer zu verdauen.

Szene aus dem Polizeiruf mit Kriminalhauptkommissar Henry Koitzsch (Peter Kurth) Foto: Felix Abraham/filmpool fiction/MDR

Vorangestellt sei bei diesem Krimi eine Triggerwarnung: Der Polizeiruf beschäftigt sich mit den Themen sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Kindsmord.

Nun darf der dem Alkohol zugeneigte und vom Leben gezeichnete Kommissar Henry Koitzsch (Peter Kurth) also nicht mehr Auto fahren, da er merklich angetrunken in eine Polizeikontrolle geriet. Beschert hat ihm das nicht nur ein Fahrverbot, sondern auch den Besuch bei einem angestaubten Polizeipsychologen. Hier soll er nun Kugeln stapeln, während er sich mit dem grauen Mann über den von Jack London literarisch festgehaltenen „König Alkohol“ unterhält.

Was hier durchaus heiter beginnt, wendet sich aber schnell zu einem Krimi, der stellenweise schwer zu ertragen ist: Die achtjährige Inka (Merle Staacken) ist verschwunden. Während Koitzschs Kollege Michael Lehmann (Peter Schneider) darauf hofft und betet, dass das Mädchen lebend gefunden wird, blickt ­Koitzsch weniger optimistisch auf den Fall.

Leider wird er recht behalten, denn das Mädchen wird tot und missbraucht in einer Kleingartenanlage entdeckt. Um den Familienvater Lehmann zu schützen, schaut ­Koitzsch sich den Tatort allein an, denn er findet, dass zumindest einer der beiden Kommissare klar denken können muss.

Ein Triebtäter?

Der Krimi

Halle-„Polizeiruf 110“: „Der Dicke liebt“, So., 20.15 Uhr, ARD und in der ARD-Mediathek

Die Arbeit beginnt nun mit einem Abgleich der Personendaten von einschlägig vorbestraften Tätern. Und auch im Nahbereich von Inka wird ermittelt: Hat der ehemals alkoholsüchtige Vater des Mädchens etwas zu verbergen? Suchen ihn Dämonen aus vergangenen Zeiten heim?

Zudem gerät auch der dicke Mathelehrer Krein (Sascha Nathan) in den Fokus der Ermittler, denn die Obduktion ergab, dass es eine schwergewichtige Person gewesen sein muss, die sich an dem Kind vergangen hat. Und tatsächlich lässt sich das Verhalten des stets schwitzenden Krein nur schwer einschätzen: Ist er der zwar ein bisschen eigenartige, aber liebe Lehrer, der besonders gut auf „seine Mädchen“ aufpasst und ihnen hilft und sich um sie sorgt? Oder ist er doch ein Triebtäter?

Für den Hallenser Neubau-Mob ist die Frage schnell und einfach geklärt: Krein ist schuldig. Und so wird der Lehrer vor den Augen von zahlreichen Passanten von einer selbst ernannten Bürgerwehr verprügelt und gedemütigt. Auch Koitzsch ist sich nicht so sicher, wie er den Mann einschätzen soll, und stattet ihm einen Besuch ab. Und so sitzen die beiden sich in einem mit Teddybären vollgestopften Wohnzimmer gegenüber; auf der einen Seite der esssüchtige Krein, auf der anderen Seite der alkoholkranke Koitzsch. Der Durchbruch gelingt Koitzsch dann auch eher zufällig bei der Feier zum „Tag der Volkspolizei“, als er sich mit seinen beiden ebenfalls altgedienten Kollegen über einen recht ähnlich gelagerten Fall aus DDR-Zeiten unterhält.

Schwer zu verdauen

Unaufgeregt, menschlich und immer nah an den Figuren ist dieser Krimi nach einem Drehbuch von Clemens Meyer und Thomas Stuber erzählt. Und eben diese Alltäglichkeit in der Kulisse des Neubaugebietes der Stadt Halle und die Unaufgesetztheit der Dar­stel­le­r*in­nen und der Dramaturgie machen es auch so schwer, ihn zu verdauen.

Im Endeffekt gibt es hier nur Opfer, egal ob es nun um die Hinterbliebenen oder die Tatverdächtigen oder auch die Kommissare geht. Ohne Alkoholsucht verharmlosen zu wollen – aber nach so einem Fall lässt es sich nachvollziehen, wenn Menschen mit dem Trinken anfangen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!