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Halbzeitbilanz der GrokoDie Mitte ist müde

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Es kann sein, dass die Regierung diese Krise überlebt. Trotzdem wird sie nur noch von Routine und der Angst vor Neuwahlen zusammengehalten.

Nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags im Paul-Löbe-Haus, Berlin am 12. März 2018 Foto: Christian Thiel/imago

Wir haben viel erreicht und umgesetzt – aber es bleibt auch noch viel zu tun.“ So steht es in der Halbzeitbilanz der Regierung, die etwas unfreiwillig Komisches hat. Die MinisterInnen bescheinigen sich selbst, prima Arbeit geleistet zu haben. Das ist so, als würden sich ein Konzern oder eine Universität selbst evaluieren und danach kräftig auf die Schulter klopfen.

Die Halbzeitbilanz hatte die SPD in den Koalitionsvertrag geschrieben. Es ist ein Placebo, das ein ungutes Gefühl im Magen vertreiben soll: Die SPD bleibt automatisch bis zum Ende in der Regierung. Und danach ist alles schlimmer denn je.

Die Große Koalition funktioniert, zum Teil, so wie immer. Die SPD-MinisterInnen setzen fleißig einiges durch – von besserer Kita-Betreuung bis zur Möglichkeit, von Teilzeit- in Fulltimejobs zu wechseln. Mehr jedenfalls als die UnionsministerInnen. Das Publikum ist – auch das ist wie immer – an den sozialdemokratischen Erfolgen herzlich desinteressiert.

Die Regierung liefert mehr (Franziska Giffey und Hubertus Heil) oder weniger (Andi Scheuer) gutes Handwerk ab. Aber ihr fehlt das überwölbende Dach und der gemeinsame Geist. Auch deshalb ist die Mängelliste sehr lang. Sie reicht vom verzagten Klimapaket über den Stillstand in der Agrarpolitik bis zu der diffusen Europapolitik und der gesichtslosen Außenpolitik.

All das ließe sich in normalen Zeiten missmutig oder achselzuckend zur Kenntnis nehmen. Aber es ist nicht mehr so wie vor drei vier Jahren. Mit der Großen Koalition geht es zu Ende. Selbst wenn die Regierung die beiden Parteitage von CDU und SPD übersteht – sie ist ein Auslaufmodell. Wenn sie jetzt nicht endet, wird das in knapp zwei Jahren der Fall sein. Denn die beiden Volksparteien ruinieren sich gegenseitig. Sie sind sich bis zur Ununterscheidbarkeit ähnlich geworden. Deshalb gibt es nun die hektische Suche nach Identitätsmarkern, die Eigenständigkeit und Differenz betonen. Ein Thema wie die Grundrente (Volumen weniger als 2 Milliarden Euro) wird deshalb zum alles entscheidenden Symbol stilisiert.

Ein rasches Ende wäre besser als das erwartbare Siechtum

Früher hätte Angela Merkel all das am Ende irgendwie sanft gelöst. Die SPD hätte, ohne es an die große Glocke zu hängen, die Grundrente bekommen. Genau so hat ja die Sozialdemokratisierung der CDU funktioniert. Die Medien hätten die Weitsicht der Kanzlerin und CDU-Chefin gelobt. Doch Merkel ist Kanzlerin auf Abruf, und wer in der Union das Sagen haben wird, weiß niemand.

Es kann sein, dass die Regierung diese Krise noch mal überlebt. Doch auch wenn es bei der Grundrente am Ende einen notdürftigen Formelkompromiss gibt, auch wenn Olaf Scholz SPD-Chef wird und Annegret Kramp-Karrenbauer CDU-Chefin bleibt – die Mitte ist müde. Die Regierung wird nur noch von Routine und der Angst vor Neuwahlen zusammengehalten. Ein rasches Ende wäre besser als das erwartbare Siechtum.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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6 Kommentare

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  • Schwarzrote Koalition „Groko kreist um schwarzes Loch, sie nennt es Festhalten an schwarzer Null und ist doch 2005 gestartet, unterbrochen nur 2009-2013 durch schwarzgelbe Koalition, dem Ruf rotgrünen Bundeskanzlers Gerhard Schröder in vorgezogene Wahlen zu folgen, weil er die Losung vom nationalen Notstand ans Tor des Berliner Schloss Bellevue geheftet hatte. Warum, weil ihm seine Arbeitsmarktreform Agenda2010/Hart4 Gesetze mit Ausweitung Niedriglohnbereichs „Working Poor“ für sich die SPD allein ein zu heißes Pflaster wurde, das insbesondere in neuen Bundesländern Erinnerungen wecken könnte an Zeiten als Teile der DDR Arbeitnehmerschaft im Billiglohnsektor der Gestattungsproduktion für westdeutsche Konzerne, Karstadt, Bayer, Schering, IKEA, Quelle, Holzmann, Hochtief, Mannesmann, Thyssen, Krupp malochte, manche selektiert durch Stasi sogar in hermetisch abgeschotteten Unterkünften in Westdeutschland, der Ausbeutung durch den Rhein- , Ruhr- Industrie Hochfinanz Kapitalismus neue Benchmarks zu offerieren, harte DM Valuta zu generieren.



    In Wirklichkeit geht es bei Auslotung schwarzen Loches historischer Tiefe um Anderes, viel weiter zurückliegend.

    Es ist die Frage, wurde Ostzone bis zur Trizonen Währungsreform 6.50 RM zu 1 DM 20. Juni 1948 durch UdSSR u. a. osteuropäische Länder Reparationen einseitig belastet, ab 1949 dann die DDR nach Gründung als Niedriglohn Werkbank Homeland für den Rhein- , Ruhr- Industrie Hochfinanz Kapitalismus Western Germany über den deutsch-deutschen Interzonenhandel bis 1990 und danach unverhohlen weiter ausgebeutet, um nun die Grundrente durch die UNION verweigert zu bekommen?

    Wenn ja, wächst die Wut, wie Oskar Lafontaine 2004 in seinem gleichnamigen Buch schrieb, über deutsch-deutsch historischen Schlamassel zwar langsam, aber wenn sie kommt, kommt sie mit Weh, Ach und Krach auf dem Weg zur parlamentarischen Macht?

  • Ich kann zwischen den beiden Parteien sehr gut unterscheiden. Auch ist die Arbeit der GroKo sehr viel besser als ihr Ruf. Letzteres liegt aber an schlechtem Journalismus, der Lust, jede Meinungsverschiedenheit hoch zu hängen und sachliche Argumente zu vermeiden!

    • @Monika Frommel :

      Man muss sich an den Niedergang schon sehr gewöhnt haben, um diese GroKo gut zu finden. Klimaziele, das Überleben verpasst: Der zukünftige internationale Klimagerichtshof, irgendwo viele Meter über dem Meeresspiegel tagend, wird diese Pappnasen wegen Untätigkeit und jahrzehntelanger Förderung der Braunkohle für schuldig befinden: Also Laschet, Woidke und Co (CDU und SPD). In Halle wurde ein noch größeres Massaker à la Christchurch nur durch Zufall vermieden: Initiativen gegen Rechts wurden abgewickelt, die Nazis breiten sich wieder aus. Im Osten erreicht die AfD inzwischen die Prozentzahlen der NSDAP von 1930.



      Und in meiner Straße sammeln die Alten Flaschen (7 Cent), mit denen sie weder auf die Regierungsversager noch auf die Protzkarossen neben sich werfen können, in denen man selten mehr als eine Person sieht.

  • 0G
    08088 (Profil gelöscht)

    Die Schwierigkeit für die CDU ist es, eine geeignete Person als Nachfolger/in für Angela Merkel zu finden und zu unterstützen - egal ob dies AKK ist oder jemand anderes.

    Die Schwierigkeit für die SPD ist es, sich von den Linken und Grünen abzugrenzen. Nur mit dem Füllhorn an Sozialleistungen gibt es keinen Unterschied zu den Linken, die sowieso armen Bürgern direkt oder indirekt (von reichen Bürgern) mehr geben möchten.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""......................die Mitte ist müde.""



    ==



    Sowohl nach Bildung der 1. Groko 2005 und nach der 2. Groko ab 2013 unter Angela Merkel waren sich die meisten politischen Journalisten und Politikbeobachter in der Prophezeiung weitgehend einig das eine Koalition der beiden großen Volksparteien die politischen Ränder stärken würden.

    Selten ist wohl eine politische Vorraussage so punktgenau eingetroffen - in Thüringen



    regiert Ramelow gestützt von derzeit 31% der abgegebenen Wählerstimmen und auf der der rechten Seite tummelt sich ein schillernder brauner Haufen.

    Auf der Bundesebene hat nach den Umfrageergebnissen dei Groko längst die Mehrheit der Wählerstimmen verloren.

    Es ist wohl weniger die Müdigkeit der Mitte welche die politische Mechanik momentan bestimmt - sondern die klar vor den Augen liegende Tatsache das auf Dauer eine Große Koalition eher als Wahlkampfhilfe insbesondere für den rechtsradikalen Rand zu verstehen ist.

  • Manchmal würde ich mir gerne Paralellwelten anschauen, in denen die FDP sich auf Jamaika eingelassen hätte oder die SPD 2018 die Groko abgelehnt hätte.

    Ich glaube nicht, dass die Grünen in Jamaika viel durchgesetzt hätten, im sozialen Bereich sowieso nicht, hat sie noch nie interessiert, aber ich glaube auch nicht, dass CDU/CSU und FDP den Grünen ein viel dickeres Klimapaket zugebilligt hätte. Wahrscheinlich würden die Grünen irgendwo bei 5% rumdümpeln, aber hätten natürlich ein püaar hübsche Ämter quotengereicht besetzt..

    Und wenn die SPD nicht in die Groko gegangen wäre? Neuwahlen,weiteres Erstarken der AfD, keine klaren Mehrheiten mehr im Bundestag, CDU-AfD Koaltion oder doch Kenia oder Simbabwe, politisches Chaos, Merz als CDU-Chef und Kanzler - alles ziemlich wahrscheinlich.

    Dagegen haben wir jetzt eine Groko mnir eher mediokrem Personal, die keine herausragende Arbeit macht, aber auch keine ganz schlechte, die einiges angestoßen hat, die sich mr zu verzagt präsentiert. Aber mit der Deutshclanbd immer noch ziemlich gut fährt. Das ist schon ein bisschen mehr als das geringste Übel, auch für die nächtsten zwei Jahre.