Habecks Rede auf dem Grünen-Parteitag: Horizonte öffnen
Robert Habeck hat als Parteivorsitzender der Grünen den Parteitag eröffnet. Seine Rede weist in Richtung Zukunft – und in Richtung Macht.
Habecks Rede ist der Auftakt des dreitätigen Parteitags, der bis Sonntag in Bielefeld tagt. Gut 800 Delegierte diskutieren ihre Konzepte in der Wohnungs- und Finanzpolitik, in der Wirtschaft und beim Klimaschutz. Am Samstag steht die Neuwahl des Bundesvorstands an: Habeck und seine Co-Chefin Annalena Baerbock, seit knapp zwei Jahren im Amt, treten erneut an. Ihre Wiederwahl gilt als sicher.
Habeck lässt keinen Zweifel daran, dass seine Partei an die Macht will. „Wir wollen die Weichen mitstellen“, ruft er. Eine strukturelle Verschiebung in der globalen Ökonomie ziehe herauf. „Wir brauchen Pläne, die den Horizont wieder aufmachen.“ Die Grünen wollten die neue Zeit mitgestalten. Und: Die Ära Merkel sei erkennbar vorbei.
Die Grünen stehen in Umfragen bei 22 Prozent. Ihre Chancen, in einer nächsten Bundesregierung zu sitzen, stünden mit so einem Ergebnis gut.
Das Ende vom „Krieg der Ökonomie gegen die Natur“
Wie das gehen soll, haben die Grünen wie immer in langen Papieren aufgeschrieben. In der Wirtschaftspolitik plädieren sie zum Beispiel für eine Lockerung der Schuldenbremse, um Milliardeninvestitionen des Staates zu ermöglichen. Sie setzen auf eine Industriepolitik, die Unternehmen zum ökologischen Wirtschaften verpflichten soll. Und sie fordern in Zukunft einen Mindestlohn von 12 Euro.
Nötig sei eine „Neujustierung der Marktwirtschaft in Deutschland und in Europa“, rief Habeck. Der Green New Deal, den die Grünen vorschlagen, beende den „Krieg der Ökonomie gegen die Natur“.
Robert Habeck, Bundesvorsitzender der Grünen
Habeck wiederholte auch den Anspruch, mit dem er und Baerbock angetreten sind. Sie verstehen die Grünen nicht als Milieupartei, sondern als gesamtgesellschaftliche Kraft, die Brücken schlagen will. Vorbilder aus der deutschen Geschichte wären nicht so weit gekommen, wenn sie auf „Wehwehchen ihrer Partei“ geschaut hätten, ruft Habeck. Er nennt Willy Brandt, Helmut Kohl, Petra Kelly.
Angst vor großen Vergleichen hat Habeck bekanntlich nicht. Er betonte, dass die Grünen längst nicht mehr die Anti-Parteien-Partei seien, die sie früher waren. Im Gegenteil. Er machte deutlich, dass die Grünen in Zeiten einer starken AfD zum Staat und seinen Institutionen stehen müssten. „Werden wir Verfassungsschützer!“ Auch dieser Anspruch ist nicht neu.
Wegmarken bleiben wohl aus
Habecks Rede war keine schlechte, aber sie zündete nicht so wie frühere Auftritte. Die Delegierten applaudierten stehend, als er fertig war – und seine Co-Chefin umarmte. Wollte er sich mit diesem Aufschlag kurz vor der Wiederwahl profilieren, gar als möglicher Kanzlerkandidat in Stellung bringen? Das war vorher von JournalistInnen gemutmaßt worden.
Aber das wäre eine falsche Interpretation. Habeck und Baerbock reden am liebsten überhaupt nicht über die K-Frage – und wollen sie erst Ende 2020 klären. Sie haben keinerlei Interesse, den Parteitag mit dieser Frage aufzuladen.
Dass Habeck den ersten Aufschlag machen durfte, war Zufall. Die Politische Rede wechselt von Jahr zu Jahr zwischen den beiden Vorsitzenden. Bielefeld ist für die Grünen ein historischer Ort. Vor genau 20 Jahren fand hier der legendäre Parteitag statt, bei dem sie über die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg abstimmten.
Die legendäre Rede von Joschka Fischer, der Farbbeutelwurf, die Zustimmung der Mehrheit der Delegierten – die Partei entschied sich damals für den Kriegseinsatz. Eine ähnliche Wegmarke ist von diesem Parteitag nicht zu erwarten.
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