Habecks CO2-Speicherpläne: Meeresboden soll CO2-Lager werden
Die Ampel will das Speichern des klimaschädlichen Gases ermöglichen. Die Wirtschaft findet’s prima, Umweltschützer nicht.
Mit dem Abfangen und Speichern von CO2 kann verhindert werden, dass das klimaschädliche Gas in die Atmosphäre gelangt. Die Technik wird CCS (Carbon Capture and Storage – Kohlenstoffabscheidung und -speicherung) genannt. „Ohne CCS können wir unmöglich die Klimaziele erreichen“, sagte der Bundeswirtschaftsminister bei der Vorstellung seiner Pläne vor Journalist:innen in Berlin. Zum Einsatz kommen soll die Technik vor allem in Bereichen, die nicht oder nur sehr schwer ohne CO2-Produktion arbeiten können, wie die Zementindustrie.
Habecks Pläne sehen einen Regulierungsrahmen für das erforderliche Pipelinesystem vor. Gespeichert werden soll das Gas im Boden in der ausschließlichen deutschen Wirtschaftszone in der Nordsee, die bis zu 200 Seemeilen von der Küste entfernt ist. Dabei sind Meeresschutzgebiete ausgenommen, betonte Habeck. Eine Lagerung an Land ist bislang nicht vorgesehen. Sollten Bundesländer das wünschen, könnte sich das ändern. Die Bundesregierung will CCS-Projekte von Unternehmen fördern, aber nur in Industrie und Abfallwirtschaft und nicht im Energiebereich. Die Kosten für Pipeline-Infrastruktur muss die Industrie tragen. In anderen europäischen Ländern wie Norwegen, Dänemark, den Niederlanden oder Großbritannien haben solche Projekte längst Fahrt ausgenommen.
CCS ist umstritten. Klimaschützer:innen fürchten, dass die CO2-Lagerung für ein Festhalten an fossilen Energien sorgt. Der Weltklimarat sieht in CCS allerdings einen wichtigen Baustein zum Erreichen der Klimaneutralität. Die Grünen haben CCS lange abgelehnt, mittlerweile aber einen Öffnungsbeschluss gefasst. Der bezieht sich allerdings nur auf den Einsatz der CO2-Abscheidung bei unvermeidbaren Emissionen. Dass er auch bei Gaskraftwerken möglich sein soll, dürfte bei Habecks Parteifreund:innen für Unmut sorgen.
BUND: „Büchse der Pandora“
Umweltverbände sind empört. Das Wirtschaftsministerium öffne „die Büchse der Pandora“, sagte der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Natur (BUND) Olaf Bandt. „Mit den Planungen zu CCS an Gaskraftwerken setzt Bundesminister Robert Habeck den Ausstieg aus den fossilen Energien aufs Spiel“, ergänzte er. Mit dem verkündeten „Freifahrtschein für CCS werden CO2-Leitungsnetze und Deponien für die Gaskonzerne zum Geschäft“, das umso profitabler werde, je mehr CO2 entstehe. „Tausende Kilometer CO2-Pipelinenetze sollen durch dicht besiedelte Regionen an die Nordsee führen, trotz der gefährlichen Risiken, die Abscheidung, Transport und die Verpressung der klimaschädlichen Abgase für die menschliche Gesundheit und marines Leben mit sich bringen“, sagte er. Der BUND fürchtet, dass austretendes CO2 Schaden anrichten könnte. Habeck sieht die CCS-Technik nicht als gefährlich an. „Aus meine Sicht ist sie reif und sicher“, sagte der Minister.
Auch die Umweltorganisation Greenpeace ist verstimmt. „Robert Habeck ist der Industrielobby auf den Leim gegangen“, kritisierte Karsten Smid, Energieexperte von Greenpeace. „Die vorgeschlagene Strategie erlaubt ein ‚Weiter so‘ durch den Einstieg in eine großindustrielle CO2-Endlagerstrategie.“ Statt CO2 zu vermeiden, solle eine „gigantische Entsorgungsinfrastruktur“ entstehen.
Den Klimawissenschaftler Ottmar Edenhofer vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung dagegen hat Habeck auf seiner Seite. Edenhofer sprach bei Habecks Pressekonferenz von einem „großen Meilenstein für die Klimapolitik in Deutschland und Europa“. Die Regierung lege damit die Grundlage, bis 2045 klimaneutral zu werden, sagte Edenhofer. „Es ist gut, dass Deutschland jetzt diesen Schritt geht.“ Die Gefahr, dass CCS zum Weiterbetrieb fossiler Energieanlagen führt, sieht er nicht. Erforderlich sei allerdings, das Emissionshandelssystem auszuweiten.
Auch die Industrie sieht in Habecks Vorstoß einen wichtigen Meilenstein, sagte Dominik von Achten von Heidelberg Materials, den Habeck ebenfalls zur Pressekonferenz mitgebracht hatte. Der Zementhersteller hat in Deutschland sechs Werke, eines in NRW könne sofort mit CCS loslegen. Weitere Projekte unterhält der Konzern in den USA, Kanada, Großbritannien, Schweden und Bulgarien. „Wir lernen sehr schnell“, sagte von Achten. „Wir hoffen auf einen Know-how-Transfer.“
Das Wirtschaftsministerium hat das Vorhaben am Montag in die Ressortabstimmung gegeben. Einzelne FDP-Politiker signalisieren Zustimmung, auch FDP-Chef Christian Lindner soll seinen Segen dazu erteilt haben. Wann Bundesregierung und Bundestag den möglichen Einsatz von CCS beschließen werden, ist offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken