piwik no script img

Habecks CO2-SpeicherpläneMeeresboden soll CO2-Lager werden

Die Ampel will das Speichern des klimaschädlichen Gases ermöglichen. Die Wirtschaft findet’s prima, Umweltschützer nicht.

Minister Habeck hat den Klimaforscher Edenhofer und den Manager von Achten zur Vorstellung seiner Co-2-Speicherpläne mitgebracht Foto: Monika Skolimowska/dpa

Berlin taz | Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will das Abfangen von CO2 in Deutschland und die Speicherung im Nordseeboden ermöglichen. Weil die Technik auch an Gaskraftwerken einsetzbar sein soll, sind Um­welt­schüt­ze­r:in­nen über die Pläne empört. Aus der am Montag von Habecks Ministerium veröffentlichten Carbon-Management-Strategie (CMS) geht hervor, dass die CO2-Abscheidung nicht nur in Industrie und Abfallwirtschaft, sondern auch an Gaskraftwerken möglich sein soll.

Mit dem Abfangen und Speichern von CO2 kann verhindert werden, dass das klima­schädliche Gas in die Atmosphäre gelangt. Die Technik wird CCS (Carbon Capture and Storage – Kohlenstoffabscheidung und -speicherung) genannt. „Ohne CCS können wir unmöglich die Klimaziele erreichen“, sagte der Bundeswirtschaftsminister bei der Vorstellung ­seiner Pläne vor Jour­na­lis­t:in­nen in Berlin. Zum Einsatz kommen soll die ­Technik vor allem in Bereichen, die nicht oder nur sehr schwer ohne CO2-Produktion arbeiten können, wie die Zement­industrie.

Habecks Pläne sehen einen Regulierungsrahmen für das erforderliche Pipelinesystem vor. Gespeichert werden soll das Gas im Boden in der ausschließlichen deutschen Wirtschaftszone in der Nordsee, die bis zu 200 Seemeilen von der Küste entfernt ist. Dabei sind Meeresschutzgebiete ausgenommen, betonte Habeck. Eine Lagerung an Land ist bislang nicht vorgesehen. Sollten Bundesländer das wünschen, könnte sich das ändern. Die Bundesregierung will CCS-Projekte von Unternehmen fördern, aber nur in Industrie und Abfallwirtschaft und nicht im Energiebereich. Die Kosten für Pipeline-Infrastruktur muss die Industrie tragen. In anderen europäischen Ländern wie Norwegen, Dänemark, den Niederlanden oder Großbritannien haben solche Projekte längst Fahrt ausgenommen.

CCS ist umstritten. Kli­ma­schüt­ze­r:in­nen fürchten, dass die CO2-Lagerung für ein Festhalten an fossilen Energien sorgt. Der Weltklimarat sieht in CCS allerdings einen wichtigen Baustein zum Erreichen der Klimaneutralität. Die Grünen haben CCS lange abgelehnt, ­mittlerweile aber einen Öffnungsbeschluss gefasst. Der bezieht sich allerdings nur auf den Einsatz der CO2-Ab­scheidung bei unvermeidbaren Emissionen. Dass er auch bei Gaskraftwerken möglich sein soll, dürfte bei Habecks Par­tei­­freun­d:in­nen für Unmut sorgen.

BUND: „Büchse der Pandora“

Umweltverbände sind empört. Das Wirtschaftsministerium öffne „die Büchse der Pandora“, sagte der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Natur (BUND) Olaf Bandt. „Mit den Planungen zu CCS an Gaskraftwerken setzt Bundesminister Robert Habeck den Ausstieg aus den fossilen Energien aufs Spiel“, ergänzte er. Mit dem verkündeten „Freifahrtschein für CCS werden CO2-Leitungsnetze und Deponien für die Gaskonzerne zum Geschäft“, das umso profitabler werde, je mehr CO2 entstehe. „Tausende Kilometer CO2-Pipelinenetze sollen durch dicht besiedelte Regionen an die Nordsee führen, trotz der gefährlichen Risiken, die Abscheidung, Transport und die Verpressung der klimaschädlichen Abgase für die menschliche Gesundheit und marines Leben mit sich bringen“, sagte er. Der BUND fürchtet, dass austretendes CO2 Schaden anrichten könnte. Habeck sieht die CCS-Technik nicht als gefährlich an. „Aus meine Sicht ist sie reif und sicher“, sagte der Minister.

Auch die Umweltorganisation Greenpeace ist verstimmt. „Robert Habeck ist der Industrie­lobby auf den Leim gegangen“, kritisierte Karsten Smid, Energieexperte von Greenpeace. „Die vorgeschlagene Strategie erlaubt ein ‚Weiter so‘ durch den Einstieg in eine großindustrielle CO2-Endlagerstrategie.“ Statt CO2 zu vermeiden, solle eine „gigantische Entsorgungsinfrastruktur“ entstehen.

Den Klimawissenschaftler Ottmar Edenhofer vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung dagegen hat Habeck auf seiner Seite. Edenhofer sprach bei Habecks Pressekonferenz von einem „großen Meilenstein für die Klimapolitik in Deutschland und Europa“. Die Regierung lege damit die Grundlage, bis 2045 klimaneutral zu werden, sagte Edenhofer. „Es ist gut, dass Deutschland jetzt diesen Schritt geht.“ Die Gefahr, dass CCS zum Weiterbetrieb fossiler Energieanlagen führt, sieht er nicht. Erforderlich sei allerdings, das Emissionshandelssystem auszuweiten.

Auch die Industrie sieht in Habecks Vorstoß einen wichtigen Meilenstein, sagte Dominik von Achten von Heidelberg Materials, den Habeck ebenfalls zur Pressekonferenz mitgebracht hatte. Der Zementhersteller hat in Deutschland sechs Werke, eines in NRW könne sofort mit CCS loslegen. Weitere Projekte unterhält der Konzern in den USA, Kanada, Großbritannien, Schweden und Bulgarien. „Wir lernen sehr schnell“, sagte von Achten. „Wir hoffen auf einen Know-how-Transfer.“

Das Wirtschaftsministerium hat das Vorhaben am Montag in die Ressortabstimmung ge­geben. Einzelne FDP-Politiker signalisieren Zustimmung, auch FDP-Chef Christian Lindner soll seinen Segen dazu erteilt haben. Wann Bundesregierung und Bundestag den möglichen Einsatz von CCS beschließen werden, ist offen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die taz wirft auch hier Fragen auf, im Archiv gibt's fundierte Antworten, und zwar reichlich, viele Perspektiven sind nachzulesen.



    Erst unlängst:



    "Die Kritikpunkte an CCS sind vielfältig. Wiederholt wies das Umweltbundesamt auf den „enormen zusätzlichen Energieaufwand für die Abscheidung, den Transport und die Speicherung“ hin. Der Einsatz der CCS-Technik erhöhe „den Verbrauch der begrenzt verfügbaren fossilen Rohstoffe um bis zu 40 Prozent“.



    /



    taz.de/Kehrtwende-...r-Habeck/!5900974/



    /



    Die Zusammenhänge mit anderen konfliktbeladenen Themen, die man wegen physikalischer Hintergründe ironischerweise auch Brandherde nennen kann, ist offensichtlich. Die Technologie ist bei den Kosten für den Infrastrukturbedarf sicher kein Kurzzeitprojekt als Interimslösung und darf, nein muss als Bestandteil von Brückentechnologien im ökologischen Transformationsprozess auf dem Weg zur Klimaneutralität äußerst kritisch hinterfragt werden.



    /



    "Allerdings braucht diese Technologie sehr viel Energie, und sie ist sehr teuer“, sagt Klimaforscher Mojib Latif, der schon seit den 1980er-Jahren über den Klimawandel aufklärt..."



    taz.de/Kampf-gegen...se/!5969415&s=Ccs/



    In geologischen und paläontologischen Betrachtungen sind 40 Jahre ein Wimpernschlag, aber für das Klima sind einzelne Dekaden, sogar einzelne Jahre mitentscheidend, offensichtlich fehlt hier der kybernetische globale Ansatz zur "energetischen Zeitenwende". Also: Augen auf!

  • Mit habeck und analena haben die grünen ihre Seele verkauft und ihre ideale verraten. Die Grünen sind zu einer FDP verkommen die ein wenig auf Umweltschutz macht um den Schein zu wahren.

  • Früher sagte man unter den Teppich kehren dazu.



    So ein Unsinn!



    Schade dass die Grünen da mitmachen.

  • "Weil die Technik auch an Gaskraftwerken einsetzbar sein soll..."

    Was heisst hier "auch". Die Technik ist, sofern wir nicht über einen grossen Energieüberschuss verfügen *ausschliesslich*, wenn überhaupt, direkt an CO₂-Produzenten zu betreiben.

    Das Zeug "direkt aus der Luft" zu holen erfordert viel Energie, die wir jetzt... zum Ersetzen fossiler Energieproduktion besser brauchen können.

    Das ist "Glauben an die Technikfee". Nichts anderes.

    Wir brauchen die Transformation, *jetzt*. Forschen, schön und gut -- aber keine Staatsknete in "Pilotanlagen". Das ist Betrug.

  • Habeck sollte Konsequenzen ziehen und bei den Grünen austreten. Also noch bevor ein Programm zum Bau von Atomkraftwerken ankündigt.

    Er ist doch einfach nur noch peinlich...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Peinlich ist doch eher, dass Lindner mit seiner Zwergenpartei (stimmenmäßig, nicht was das Vermögen der paar Wähler angeht) gute Politik dermaßen sabotieren kann.

      • @Erfahrungssammler:

        Was ist an CO2 Speicherung gut? Es ähnelt dem, was Kinder zuweilen tun, die ihr Zimmer aufräumen sollen. Sie werfen alles unters Bett. Aus den Augen, aus dem Sinn.

        Und dagegen hat Lindner nun wirklich nichts.

  • Ich warte auf den Tag, an dem Habeck auch Atomkraftwerke als unerlässlich für die Erreichung der Klimaziele bezeichnet.

  • Ja, ja: CO2 verbuddeln, der Sonne Vorhänge verpassen, die Meeren mit einem Deich rundum eindämmen - klar wir machen uns die Erde untertan! Dieser schlimmste Spruch aus der Bibel wird die Menschheit zugrunde richten - und alle wissen es, tun's aber trotzdem.

  • Das ganze Theater ist eine Idee, die die Klimagangster der Industrie Habeck nahelegen, damit sie noch möglichst lange ihr kriminelles Geschäft betreiben können. Für Habeck ist schon vor seinem Kniefall bei den Scheichs seine Karriere wichtiger als die Umwelt.