piwik no script img

Gutachten über Beate Zschäpe„Dominanz, Härte, Kontrolle“

Ein Gerichtspsychiater hält sie für voll schuldfähig und legt Sicherungsverwahrung nahe. Ein mildes Urteil wird unwahrscheinlicher.

Hat kein mildes Urteil zu erwarten: Beate Zschäpe Foto: dpa

Als es vorbei ist, plaudert ­Beate Zschäpe betont locker mit ihrem Verteidiger. Ganz so, als sei nichts passiert. Dabei könnte der Tag für Zschäpe einschneidende Folgen haben.

Nach tagelangen Querelen hatte der Gerichtspsychiater Henning Saß am Mittwoch sein Gutachten über Zschäpe vorgestellt – und ein drastisches Fazit gezogen. Ein grundlegender Wandel in ihren Einstellungen, ihrem rechtsradikalen Gedankengut, sei nicht erkennbar, sagte er. Eher spreche vieles für eine tief eingeschliffene Neigung, kriminelle Taten zu begehen. Es sei „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ davon auszugehen, dass Zschäpe ihr Treiben fortführen würde, wenn es dafür die Möglichkeit gäbe.

Saß plädiert damit indirekt für die Verhängung einer Sicherungsverwahrung gegen die Angeklagte, über eine Haftstrafe hinaus. Tags zuvor schon hatte er Zschäpe „egozentrische, wenig empathische und externalisierende Züge“ attestiert. Sie zeige „eine Tendenz, die Verantwortlichkeit für das eigene Verhalten anderen Personen zuzuschreiben“. Auch neige sie dazu, ihr eigenes Tun „zu bagatellisieren“.

Dem Eigenbild stehen laut Saß aber Zeugenaussagen entgegen, die Zschäpe durchaus „ein gesundes Selbstbewusstsein“ oder eine „gewisse Bauernschläue“ attestieren. Dafür spreche auch, dass es ihr gelungen sei, über 13 Jahre im Untergrund ohne Patzer eine falsche Identität aufrechtzuerhalten.

Keine hilflose Mitläuferin

Zschäpe selbst hatte im Prozess ein anderes Bild von sich gezeichnet: das der hilflosen Mitläuferin. Alle NSU-Morde und Anschläge hätten ihre Kumpanen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos begangen, behauptete sie. Sie selbst habe immer erst später davon erfahren und die Taten verurteilt, sich am Ende aber resigniert zurückgezogen.

Saß kommt zu einem anderen Schluss. Zschäpes Aussagen seien wenig authentisch. Nach seinen Beobachtungen sei sie um „Dominanz, Härte, Kontrolle“ bemüht. Gerade im Streit mit ihren Verteidigern habe sie Vehemenz und Entschlossenheit gezeigt.

Für einen Wandel ihrer Einstellungen gebe es keine Hinweise, so der Gutachter

Saß zog auch die jüngste Aussage von Zschäpe in Zweifel. Mit Blick auf sein Gutachten hatte sie behauptet, im Gericht nie ihre wahren Gefühle gezeigt zu haben. Tatsächlich seien ihr die Aussagen von Opferangehörigen „sehr nahe“ gegangen. Saß sprach von „formalen und unpersönlichen“ Schilderungen, die kaum überzeugten.

Sein Fazit: Zschäpe sei voll schuldfähig. Ihr Alkoholkonsum habe keinen Suchtcharakter gehabt, für eine psychische Störung gebe es keine Hinweise. Saß’ Gutachten ist einer der Schlusspunkte im seit dreieinhalb Jahren laufenden NSU-Prozess. Über Dutzende Verhandlungstage hatte der Psychiater ­Zschäpe beobachtet, Hunderte Seiten Prozessakten studiert. Direkt mit ihm reden wollte ­Zschäpe bis zum Schluss nicht.

Den Vorwurf der Verteidigung, sein Gutachten sei „eine Ferndiagnostik“, wies Saß zurück und erinnerte daran, dass auch das Gutachten über Ulrike Meinhoff ohne Mitwirkung der Angeklagten auskommen musste. Für die Richter ist das Gutachten eine wichtige Entscheidungshilfe für ihr Urteil. Folgen sie Saß und der Anklage, die ­Zschäpe als gleichwertige Mittäterin der zehn NSU-Morde sieht, dürfte die 42-Jährige für viele Jahre hinter Gittern verschwinden.

Mitarbeit: Konrad Litschko

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    "Ein Gerichtspsychiater hält sie für voll schuldfähig und legt Sicherungsverwahrung nahe."

     

    Dazu brauchen die ein psychatrisches Gutachten???

  • "Saß plädiert damit indirekt für die Verhängung einer Sicherungsverwahrung gegen die Angeklagte, über eine Haftstrafe hinaus."

     

    Fürt mich hört sich das sehr logisch an. Zschäpe hat an einer echten Aufarbeitung des NSU nie auch nur eine Minute verschwendet, sondern alles getan, um sich selbst zu retten. Dass dort die Angehörigen der Opfer saßen, deren Anwälte war ihr egal - es gab keine einzige Szene oder Passage, wo auch nur der Hauch von Mitgefühl oder Reue von ihr ausging. Zschäpe hat überhaupt keine Art von Unterstützung für eine echte Aufklärung des NSU beigetragen. Sie hat vielmehr verraten, was bekannt war und ansonsten ziemlich genau das getan, was die Manuals aus der rechtsextremen Terrorszene raten: Keine Statements, keine Infos - schön den Bach flach halten. Für mich wäre eine Sicherheitsverwahrung Pflicht - Zschäpe ist doch längst die Kultfigur in der Neonazi-Szene und sogar Anders Breivik suchte schon Kontakt zu ihr. Entschärfen kann man Zschäpe offenbar nicht - da bleibt nur die Möglichkeit sie durch Freiheitsentzug an ihrer Gefährlichkeit zu hindern. Und ihre Selbstdarstellung als vollgedudelte Trinkerin, Freundin, Sexpartnerin des echten 'NSU' spiegelt doch nur ihre begrenzten intellektuellen Fähigkeiten wieder. Zschäpe war eine aktive, durchdachte, aggressive und selbständige Figur im Thüringer Heimatschutz und danach im Untergrund. Dort hat sie genauso reüssiert wie Uwe Böhnhard und Uwe Mundlos.

  • Ich glaube, einige Kommentatoren haben nicht verstanden, was ein Gutachten und was dessen Ziel ist. Es geht um die Schuldfähigkeit der Angeklagten. Natürlich gibt es andere egozentrische, dominante, etc. Personen, aber die sind eben nicht kriminell, so lange sie nicht 10 völlig fremde Menschen umbringen, Banken ausrauben und Sprengstoffanschläge begehen. Eine psychische Störung würde die Schuldfähigkeit Zschäpes verneinen, was aber nicht heißt, dass sie "normal" wäre. Aber sie hatte eben auch einen gewissen Menschenverstand, um 13 Jahre im Untergrund Verbrechen planen und ausüben zu können. Wer glaubt, solche Menschen resozialisieren zu können, glaubt auch an den Weihnachtsmann, wählt AFD oder heißt Björn Höcke.

  • Dieser Saß passt wunderbar ins Bild. Ich wüsste gar zu gern, wer den beauftragt hat. Vermutlich jemand, der die Gerichtsverhandlung bloß als Farce ansieht, weil das Urteil für ihn schon vor dem ersten Verhandlungstag feststand. Jemandem, der bloß noch die Umsetzung seines Vor-Urteils organisieren will.

     

    Übrigens: "Egozentrische, wenig empathische" Menschen, die "externalisierende Züge" aufweisen, eine "Tendenz" haben, "die Verantwortlichkeit für das eigene Verhalten anderen Personen zuzuschreiben", ihr eigenes Tun "zu bagatellisieren" und dabei ständig "um Dominanz, Härte, Kontrolle" bemüht sind, kenne ich einige. Die wenigsten davon sind kriminell. Die meisten leben ihre seltsame Persönlichkeit in Führungsrollen aus.

     

    In solchen Rollen sind derartige Eigenschaften nicht nur gesellschaftlich akzeptiert, sie sind auch die Voraussetzung für das, was man Erfolg nennt. Vielleicht ist es ja das, was den Furor erklärt, mit dem so viele Leute Zschäpes totale Vernichtung wünschen. Ulrike Meinhoff hat man seinerzeit genau so sehr gehasst, vermutlich aus denselben Gründen. Ulrike Meinhoff war die RAF-Terroristin, der Gutachter ganz ohne ihre Mitwirkung attestiert haben, dass sie für andere gefährlicher ist, als für sich selbst. Ein Irrtum, wenn auch ein für viele Leute sehr erfreulicher.

    • @mowgli:

      In puncto Ulrike Meinhoff stehen auf der einen Seite vierfacher Mord und 54 Mordversuche plus 6 Sprengstoffattentate, und auf der anderen Seite EIN Selbstmord.

      Man kann also mit Recht sagen, daß sie für andere gefährlicher war als für sich selbst...wo sehen Sie da einen Irrtum in der Einschätzung?

      Sie WAR für andere gefährlicher als für sich selbst.

      Für sich selbst gefährlich, aber für andere eben extrem gefährlich.

       

      Und, by the way: ich kenne eigentlich niemanden, der sich noch für diesen Prozeß interessiert- nur unsere "besorgten Bürger" leiden jetzt mit ihrer "Heldin"...und der Spruch von der "totalen Vernichtung" klingt auch eher so, als würde er DEREN Phantasie entspringen...schließlich ist "totale Vernichtung" ein eindeutiger Nazi-Ausdruck, den man in bürgerlichen und linken Kreisen schlicht nicht benutzt.

      Nicht umsonst ist das auch der Name einer NSBM-Band...

       

      Also, einen "Furor" oder ein echtes Interesse der Bürger an diesem Prozeß existiert eher im Wunschdenken unserer "besorgten Bürger", die ihre Opferhaltung pflegen.

       

      Und, nur mal so unter uns: lebenslang mit Sicherheitsverwahrung...gibt es eine ANDERE Strafe, die Sie für angemessen halten würden? Die Frau ist eine unbelehrbare Soziopathin- halten Sie die zu erwartende Strafe irgendwie für ungerecht?

      Ich nicht.

      Und das wäre auch nicht anders, wenn sie aus MEINEM politischen Lager stammen würde.

    • @mowgli:

      "weil das Urteil für ihn schon vor dem ersten Verhandlungstag feststand"

       

      Naja, Lebenslang oder lebenslang mit Sicherheitsverwahrung. Eine andere Fragestellung wäre da wohl unrealistisch.

       

      Zschäpe sollte ein offenes Geständnis ablegen, damit ihr die Sicherheitsverwahrung erspart bleibt. Mehr als 20Jahre Knast hat auch Zschäpe nicht verdient.

  • "für eine psychische Störung gebe es keine Hinweise." Ach so, also ein gesunder Menschenverstand.