Gustavo Petro folgt auf Ivan Duque: In Kolumbien beginnt der Wandel
Noch nie hatte das Land einen linken Präsidenten. Am Sonntag wird er ins Amt eingeführt. Auch sein Kabinett sorgt für Aufsehen.
Der sonst so mitteilungsfreudige künftige Präsident hatte zuletzt Twitter und öffentliche Auftritte gemieden. Das Online-Portal Cambio fragte schon: Wo ist Gustavo Petro? Es ist davon auszugehen, dass er intensiv nach den fehlenden Mitgliedern für sein Kabinett sucht. Von 18 Posten waren am Mittwoch gerade einmal 8 nominiert – ungewöhnlich spät. Petro hat nicht nur Geschlechterparität versprochen, sondern auch ein diverses, multiethnisches Kabinett. Das ist eine Herausforderung.
Arme, Landbevölkerung, Indigene, Afros – gerade sie haben für Petros Bündnis „Historischer Pakt“ gestimmt in der Hoffnung auf einen Wandel im von Ungleichheit geprägten Kolumbien. Zum ersten Mal sind die sozialen Bewegungen nicht in Opposition zur Regierung, sondern haben sie ins Amt gebracht.
Bei den bereits bekannten Kabinettsmitgliedern zeigt sich dieser Wandel teilweise: Zum ersten Mal wird mit der Umweltaktivistin Francia Márquez, die einen wichtigen Beitrag zu Petros Wahlsieg leistete, eine Afrokolumbianerin Vizepräsidentin. Sie soll auch das neu zu schaffende Gleichberechtigungsministerium leiten. Ebenfalls zum ersten Mal sind Indigene im Kabinett: als Botschafterin bei den Vereinten Nationen, als Direktorin der nationalen Opfereinrichtung und Leiter der Einrichtung für Landrestitution.
Menschenrechtler wird Verteidigungsminister
Petro setzt auf eine Mischung aus Expert*innen, politischen Urgesteinen und Wegbegleiter*innen. Dabei sind auch Konservative, die vor Jahren bereits Minister waren. Das könnte Ängste abbauen, die ein linker Präsident bei seinen innenpolitischen Gegnern weckt. Petro hatte ein „nationales Gespräch“ versprochen.
Tatsächlich kam es seit seiner Wahl im Juni zu Gesprächen und Bildern, die man bis vor Kurzem nicht für möglich gehalten hätte – allen voran zwischen Petro und dem ultrarechten Ex-Präsidenten Álvaro Uribe, dem jahrzehntelangen Feind der Linken. Der designierte Außenminister Álvaro Leyva hat mit einem ersten Besuch bei dem Amtskollegen in Venezuela die Wiederaufnahme der Beziehungen mit dem Nachbarland begonnen.
Am meisten Aufsehen erregt bisher die Personalie des künftigen Verteidigungsministers Iván Velásquez. Er ist bekannt als Menschenrechtsverteidiger und Kämpfer gegen Korruption und Paramilitarismus. Als Richter am Obersten Gerichtshof ermittelte er die systematischen Verbindungen zwischen Abgeordneten und Paramilitärs. Als Chef der Internationalen Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala brachte er den dortigen Präsidenten Otto Pérez Molina zu Fall.
Velásquez hat schon angekündigt, dass die Polizei dem neu zu schaffenden Ministerium für Frieden, Zusammenleben und Sicherheit zugeschlagen wird. Armee und Polizei unterstehen bisher dem Verteidigungsministerium. Beide sind berüchtigt für systematische Menschenrechtsverletzungen. Bis heute sind Verbindungen zwischen bewaffneten Gruppen und Armee belegt.
Schwieriges Erbe von 50 Jahren Gewalt
Petro tritt an, um das Erbe und die Ursachen von mehr als 50 Jahren bewaffnetem Konflikt aufzuarbeiten. Die Umsetzung des Friedensabkommens zwischen Regierung und ehemaliger Farc-Guerilla ist ein Ziel. Der scheidende Präsident Iván Duque hatte dieses boykottiert. Petro will mit allen verbliebenen bewaffneten Gruppen Friedensgespräche führen.
Diese versuchen derzeit, ihre Verhandlungsposition zu verbessern, indem sie noch mehr Gewalt anwenden und sich Gebiete einverleiben. Zum Leid der Menschen in den Regionen. Der Golfclan, das mächtigste Verbrecherkartell, hat ein Kopfgeld auf Sicherheitskräfte ausgesetzt. Der Juli war der Monat mit den meisten Angriffen seit 20 Jahren. An einem einzigen Wochenende wurden zwölf Polizisten ermordet.
Die Liste der Wahlversprechen des neuen Präsidenten ist lang. Eine Priorität ist eine Steuerreform. Kolumbiens Staat ist hoch verschuldet und hat zu wenig Einnahmen – erst recht, um all die Reformen umzusetzen, die sich Petro vorgenommen hat. Dazu gehört, das staatliche Renten- und Gesundheitssystem zu stärken, eine Energiewende einzuleiten und von fossilen Brennstoffen loszukommen – und die immer wieder gescheiterte Landreform umzusetzen.
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