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Grundsteinlegung Stuttgart 21Auftakt mit B-Mannschaft

Dem Projekt droht die Kostenexplosion, die die Gegner des Bahnhofsumbaus vorausgesehen hatten. Die grüne Prominenz bleibt dem Festakt fern.

Keine schöne Aussicht: die Baustelle Stuttgart 21. Foto: dpa

Stuttgart taz | Man kennt das von Familienfesten: Auf dem Foto lächeln alle Anwesenden, dabei wäre am liebsten keiner da gewesen. So ähnlich wird wohl die Stimmung sein, wenn am Freitag der Grundstein für das umstrittene Bauprojekt Stuttgart 21 gelegt wird.

Die einen haben den Umbau des Kopf- zu einem unterirdischen Durchgangsbahnhof ohnehin nie gewollt, die anderen treibt die Sorge um den Gesichtsverlust, falls ihr einstiges Herzensprojekt am Ende dank enormer Kosten doch noch scheitern sollte. Deshalb meiden prominente Vertreter von Baden-Württembergs grün geführter Landesregierung den heutigen Festakt zur Grundsteinlegung, wenn sie auch nur irgendwie können.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte schon im Juni wissen lassen, seine Teilnahme sei „nicht vorgesehen.“ Verkehrsminister Winfried Hermann und Landeshauptstadt-Oberbürgermeister Fritz Kuhn verweisen auf volle Terminkalender. Und selbst Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt – sonst ein Bahnfan – hat offenbar Wichtigeres zu tun, als in Stuttgart mit einem Silberhammer auf den Grundstein zu hauen: Er schickt seinen Staatssekretär Norbert Barthle (CDU), um zusammen mit der CDU-Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und Bahnchef Rüdiger Grube den offiziellen Startschuss für ein Projekt zu geben, an dem eigentlich schon seit 2010 gebaut wird.

Die Grundsteinlegung mit B-Mannschaft passt gut zu einem Großvorhaben, das einmal für Modernität und Zukunftsfähigkeit stehen sollte – und von dem heute selbst Rüdiger Grube zugibt, dass man es „heute so nicht mehr planen würde“.

Befriedung durch Volksentscheid

Seit Lothar Späth und der damalige Bahnchef Dürr in den 80er Jahren angeblich bei einem Hubschrauberflug über Stuttgart das Milliardenprojekt beschlossen, hat Stuttgart 21 eine Geschichte mit vielen Tief- und wenigen Höhepunkten hinter sich. Der wütende Protest der Gegner begleitete das Vorhaben von Anfang an. Am 30. September 2010 wurden im Schlossgarten 160 Menschen bei einem rechtswidrigen Polizeieinsatz verletzt, der Rentner Dietrich Wagner verlor fast vollständig sein Augenlicht. Der grün-roten Landesregierung, die nicht zuletzt von den Stuttgart-21-Gegnern gewählt worden ist, gelingt es danach, durch einen Volksentscheid, die aufgeheizte Stimmung weitgehend zu befrieden. Doch der Widerstand bleibt.

Schon damals laufen der Bahn die Kosten davon. Die Proteste, komplizierte Genehmigungsverfahren, eine geänderte Streckenführung zum Flughafen, der Brandschutz und nicht zuletzt Eidechsen und Juchtenkäfer bringen das Projekt in Zeitverzug. 2013 äußert Bahnvorstand Grube Zweifel, dass der Bahnhof wie geplant 2021 eröffnet werden kann. Inzwischen wird bahnintern angeblich eine Verzögerung bis 2023 befürchtet.

Zeit bedeutet auf dem Bau Geld. Bei der Volksabstimmung war noch von 4,5 Milliarden Euro Gesamtkosten die Rede, 2013 hatte der Aufsichtsrat 6,5 Milliarden genehmigt. Ein Gutachten der Projektgegner belegt, dass Stuttgart 21 mindestens 10 Milliarden kosten wird.

Vorwurf der Zweckentfremdung

Genau diese Zahl soll auch ein Gutachten des Bundesrechnungshofs bestätigen, das Bundestag und Bundesregierung im September vorgelegt werden soll. Es sorgt schon im Vorfeld für Ärger. So steht der Vorwurf der Zweckentfremdung von Mitteln aus den Bundeshaushalt im Raum, die eigentlich für andere Verkehrsprojekte geplant waren. Zudem kritisiert der Rechnungshof laut Agenturmeldungen vom Donnerstag auch Minister Dobrindt wegen mangelnder Aufsicht.

Stuttgart 21 zeigt erste Auflösungserscheinungen. Bei der Bahn verlässt mit Volker Kefer einer der cleversten und engagiertesten Vorkämpfer des Projekts seinen Posten. Und bei den anderen Projektpartnern bereitet man sich schon auf den Tag vor, wenn die Bahn mehr Geld fordert. Oberbürgermeister Kuhn beschäftigt einen Juristen nur mit dem Thema Stuttgart 21. Auch mit der CDU als Koalitionspartner bekennt sich die Regierung Kretschmann zum Kostendeckel von einer Milliarde. Mehr will das Land nicht zahlen.

Den Versuch der CDU, diese Obergrenze in den Koalitionsverhandlungen aufzuweichen, hatten die Grünen abgewehrt. Man habe Thomas Strobl (CDU) kurz daran erinnern müssen, dass er jetzt die Interessen des Landes vertritt – und nicht mehr des Bundes, berichtet ein Teilnehmer.

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9 Kommentare

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  • 3G
    33641 (Profil gelöscht)

    Die Bahn würde ihre Züge noch nicht einmal dann vollkriegen, wenn die Tickets kostenlos wären und es für jeden noch ein Drei-Gänge-Menü dazu gäbe. Sinnlose Prestige-Bauten für ein sinnloses Personenbeförderungsmittel.

  • Das ist schon grundsätzlich richtig; es wäre aber sinnvoller, das Geld in kleinen Scheinen über Stuttgart abzuwerfen.

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Da wird ständig gerade aus linken Kreisen geschimpft, dass der deutsche Staat zu wenig Schulden macht und investiert. Und wenn er dann mal richtig viel Geld raushaut, ist es auch wieder nicht recht. Es ist doch völlig egal, wie viel der Bahnhof kostet.

    • @86548 (Profil gelöscht):

      Ja nun, im Gegensatz zu nichtlinken Kreisen legen linke Kreise Wert darauf, dass das Geld dann auch sinnvoll genutzt wird.

    • 9G
      970 (Profil gelöscht)
      @86548 (Profil gelöscht):

      Die Schande ist, dass das Geld an anderen Stellen fehlen wird. Streckenausbau und -erneuerung für den Güterverkehr in Richtung Schweiz, Südeuropa - als ein Beispiel.

    • @86548 (Profil gelöscht):

      Wo sehen Sie darin eine Investition? "Linke Kreise" fordern, dass für die Infrastruktur Geld ausgegeben wird, auch wenn man dafür Schulden machen muss.

       

      Für ein Irrsinnsgeld ein Nadelöhr unter Stuttgart zu betonieren ist allerdings keine Investition sondern Demontage. Stuttgart 21 ist allein ein Projekt der Bau- und Immobilienwirtschaft.

       

      Für 10 Milliarden könnte man z.B. bequem über 1000 Bahnübergänge durch Über- wie Unterführungen ersetzen und damit sowohl den Schienen- wie den Straßenverkehr beschleunigen und sicherer machen.

       

      Oder oder oder. Es gibt tausende Baustellen, die nicht angegangen werden können, weil sechsstellige Beträge angeblich nicht aufzutreiben sind. Aber zehnstellige Summen für sinnfreien Unsinn aufzubringen ist offenbar kein Problem.

      • 8G
        86548 (Profil gelöscht)
        @Helmut Fuchs:

        Unter Investition versteht man die langfristige Bindung finanzieller Mittel in Vermögensgegenstände. Insofern ist S21 natürlich eine Investition. Ob die Sache sinnvoll ist, ist laut Keynes übrigens völlig egal: In schwierigen Zeiten soll der Staat Löcher graben und zur Not wieder zuschütten. Und genau das passiert in S21.

        • 6G
          61321 (Profil gelöscht)
          @86548 (Profil gelöscht):

          Im Prinzip - ja.

           

          Bei derlei Großprojekten lohnt es sich aber ganz genau hinzuschauen, wer vom Geldstrom staatlicher Investitionen profitiert. Wenn es im Wesentlichen lediglich ein paar große Firmen aus der Bauwirtschaft sind (mit guten Kontakten zur Politik, versteht sich) ist es die Pervertierung Keynes'scher und daraus weiterentwickelter Ideen.

           

          Im Übrigen, wenn Sie ein Carport projektieren und bauen und dabei eine Kostenexplosion von 100% erfahren, schreien Sie Zeter und Mordio und sind sich sicher, über den Tisch gezogen zu werden und Sie werden im Normalfall rechtlich keine Probleme haben, unverschämte Forderungen zurückzuweisen.

          Bei öffentlichen Großprojekten wird aus evidenten Gründen IMMER gelogen, was die Kosten angeht.

          Das ist nicht mehr hinzunehmen.

          • 8G
            86548 (Profil gelöscht)
            @61321 (Profil gelöscht):

            Sie beschreiben sehr gut die Problematik staatlicher Investitionen. Das Geld gehört niemanden und deswegen ist es egal, was es kostet. Ich bin im öffentlichen Dienst tätig und erlebe das jeden Tag. Als Privatmensch würde ich mit Geld nie so verschwenderisch umgehen.