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Grüne vor den EU-WahlenCO2 speichern für Europa

Der Grünen-Vorstand stellt den Entwurf für das EU-Wahlprogramm vor. Einige Punkte überraschen – und dürften für Diskussionen sorgen.

Die Grünen-Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour am Donnerstag in Berlin Foto: Britta Pedersen/dpa

Berlin taz | Der Weg ins Europäische Parlament führt über politischen Kitsch. „Nicht wer gewinnt, ist zentral, sondern der europäische Erfolg“, sagte der Grünen-Co-Vorsitzende Omid Nouripour, als er den Entwurf des Bundesvorstands zum EU-Wahlprogramm seiner Partei am Donnerstag in Berlin vorstellte. Das Papier enthält neben abstrakten Formulierungen zu gesellschaftlichem Zusammenhalt in der EU auch einen überraschenden Vorstoß zur Einspeicherung von freigesetztem CO2 für den Klimaschutz. Die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid hatten die Grünen bisher abgelehnt.

„Es ist Zeit, diese Debatte zu führen“, sagte Nouripour mit Blick auf das so genannte Carbon-Capture-And-Storage-Verfahren (CCS). Diese Art der Treibhausgasreduktion könne nur europäisch integriert funktionieren, ergänzte Co-Vorsitzende Ricarda Lang. Die Par­tei­che­f*in­nen stellen ihren Entwurf zum EU-Wahlprogramm nun zur Diskussion. Ein Parteitag soll das Papier dann am 23. November verabschieden.

Auf rund 100 Seiten umreißt der Bundesvorstand, wie sich die Grünen in Europa positionieren sollen. Der Titel ihres Entwurfs lautet „Was uns schützt“, und die Idee des Bewahrens zieht sich durch die vier Unterkapitel zu „Wohlstand“, „Gerechtigkeit“, „Frieden“ und „Freiheit“.

Neben der CO2-Einspeicherung dürfte auch die europäische Migrationspolitik in der Partei für Diskussionen sorgen. Die EU-Staaten hatten sich auf Direktverfahren für Asylsuchende an den Außengrenzen geeinigt. Die Grünen lehnen das ab, aber die Bundesregierung will dem zustimmen. Die Grünen-Spitze hofft zumindest Ausnahmen durchzusetzen.

Die Wahlen zum EU-Parlament sollen am 9. Juni 2024 stattfinden.

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9 Kommentare

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  • Eine unerwartete Kehrtwende abseits des aktuellen Tagesgesprächs, die bestens zu den eigenen, unveränderten Prioritäten passt -

    da hat sich offenbar jemand mit der Sache befasst statt nur mit Arbeitsgruppen, Umfragen und Forderungspapieren!

    So glaubwürdig sollte Politik öfter sein.

  • CO2 mit einem komplizierten technischen Verfahren unterirdisch speichern, auf so einen Nonsens muß man erst mal kommen.



    Dabei gibt es ein seit Milliarden von Jahren erprobtes natürliches Verfahren zur Speicherung von CO2,



    hängt mit der Photosynthese zusammen.



    Benötigt nur etwas Fläche.

  • Co2 Neutralisieren würde Sinn machen.



    Die Grünen sind maßlos überfordert, deswegen kommen diese 180 grad Wendungen.

  • Beruht das auf einer EU-weiten Absprache der grünen Parteien?

  • Von "Deutschland. Alles ist drin" zu "Was uns schützt" innerhalb von Monaten; ist nicht nur im sprachlichen Kontrast sinnbildlich für eine Verwandlung im Superschnelldurchlauf. Auf praktisch allen Ebenen, wie es sie so rasant, impertinent und selbstverständlich in der Bundesrepublik glaub ich noch nicht gab, nicht bei einer regierenden Partei. Es ist fast ein Bildersturm, als wollte man verloren geglaubte Jahre aufholen, oder auch sogar wettmachen. Tatsächlich ausradieren. Die Angst, den Anschluss zu verlieren, die Angst links ohnehin nichts mehr holen zu können, geht man das bewusste Risiko, ganz neue Wählergruppen zu erschliessen. Die, bzw. einige aber grosse Landesverbände verteten längst (wenn nicht immer) ganz offen Standpunkte, die im schizophrenen Widerspruch stehen zum (noch) formalen Parteiprogramm der Bundespartei. Wo ich mich eh lange frage, wer das mal geschrieben haben soll, weniger wohl warum. Touché. Sonst ähnlich verdrahtete Menschen wie lange in der eher noch selbstbewussten, stacheligen Europa-Fraktion, aber auch das ist dann wohl Geschichte. Aber was soll da jetzt überraschend sein? Ist das gespielt? Nennt es doch gleich erfrischend, klingt doch viel besser. Überraschend höchstens, dass sie sich zumindest noch nicht zu blöd sind, auch gleich noch ne Lanze für die Jahrzehnte verteufelte Kernenergie zu brechen. Was sie natürlich nur allzu gern würden! Naja da wüsste man zumindest ziemlich gut, was man tut, doch, auch bei der Lagerung, jedenfalls die Erfahrung ist da. Aber Grüne sind dann doch noch eher für's Abenteuer, wenigstens an dieser Stelle. Sonst möcht ich das nicht weiter beurteilen, es sind auch ganz andere Andeutungen, die meine politischen Augenbrauen heben, ohne dass auch die dadurch noch überraschen können. Nicht bei Bündnis 90/Grüne. Alles ist drin. Immerhin das kann man ihnen nicht absprechen. Aber's sind jetz auch viele raus.

  • Langsam bewegen sich die Grünen. Die Ablehnung von CCS (CO2-Abtrennung und Speicherung) war schon immer Unsinn. Wie kann man denn gleichzeitig Klimapolitik in den Mittelpunkt stellen, sich auf die Wissenschaft berufen, und dann Technologien ablehnen, die zum Erreichen der Klimaneutralität unverzichtbar sind? Ohne CCS geht Klimaneutralität nicht, allein schon wegen der Zementproduktion, bei der unvermeidlich CO2 entsteht. Klimaneutrales Bauen geht nur mit CCS.

    • @yohak yohak:

      Interessant ist, dass Menschen immer noch denken, sie sind in der Lage, ideale technische Lösungen zu bauen. Die Idee, einen über Jahrhunderte dichten Speicher bauen zu können, ist Unfug. Das Problem wird mit den Speichern nur in die Zukunft verlagert. (Nach mir die Sündflut.) Wir müssen den Ausstoß drastisch reduzieren und keine Ressourcen für Beruhigungspillen verschwenden.

  • Co2 kann nicht deponiert werden, wer das behauptet, belügt die Menschen. Es gibt keine Speicherung, es geht um ungewisse Langzeitdeponierung (1000 Jahre) zum Schaden für Trinkwasser an Land und Meeresbewohner. Warum setzen sich Grüne nicht für biologische Speicherung aus, Moorvernässung, etc. und energetische Transformation der Industrie? Stattdessen werden diese mit riesigen Subventionen gepampert. Wer wird das bezahlen? Richtig...

  • "Die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid hatten die Grünen bisher abgelehnt."



    Naja, wäre nicht der erste 180-Grad-Schwenk, den die Grünen hinlegen. Und wahrscheinlich leider auch nicht der letzte. Irgendwo müssen die 81,5 GW Grundlast für die Wärmepumpen ja herkommen.