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Grüne und HomöopathieGlobuli wirken toxisch

Lästerei im Chat, Indiskretionen und Polemik: Warum der Grünen-Vorstand um Robert Habeck in der Homöopathie-Debatte die Notbremse zieht.

Sollte die Homöopathie-Kommission leiten: Grünen-Chef Robert Habeck Foto: dpa

Berlin taz | Eigentlich wollte die Grünen-Spitze das heikle Thema mit dieser Idee abräumen: Eine Kommission sollte die Haltung der Ökopartei zur Homöopathie klären, Befürworter und Kritiker friedlich an einem Tisch vereint, im Gespräch mit Fachpolitikern. So hatte es der Bundesvorstand vor dem Bielefelder Parteitag im November vorgeschlagen, so beschloss es eine große Mehrheit der Delegierten.

Nun, gerade mal zwei Monate später, ist klar: Die mit großen Hoffnungen gestartete Kommission ist gescheitert, bevor sie richtig mit der Arbeit begonnen hat. Die Grünen-Spitze sagte das geplante Gremium am Dienstag ab. Das geht aus einem Beschluss des Bundesvorstands hervor, der der taz vorliegt. Der Vorstand sei „einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass eine vertrauensvolle und erfolgreiche Arbeit dieser Kommission nicht möglich ist“, begründet er seine Entscheidung.

Der Grund ist pikant: Informationen seien aus einem internen Vorgespräch an Zeitungen durchgestochen worden. „Die Debatte um die ‚Homöopathie‘ war von Anfang an durch einen aggressiven und teilweise polemischen Ton beschwert“, argumentiert der Bundesvorstand. Bereits vor dem Parteitag seien „immer wieder aus internen Gesprächen Informationen an die Medien weitergegeben“ worden.

Indiskretion? Das ist ein harscher Vorwurf an eine Kommission, in der ausschließlich Parteimitglieder sitzen sollten. Die Grünen-ChefInnen Robert Habeck und Annalena Baerbock sind stolz darauf, eine neue Vertrauenskultur etabliert zu haben. Grüne verweisen gerne darauf, dass man hinter verschlossenen Türen hart streite, aber dann nach außen geschlossen auftrete. Dass ein wichtiges Gremium wegen Durchstechereien eingestampft wird, versetzt dieser Erzählung einen tiefen Kratzer.

„… wünscht sich der BuVo folgende Debatten“

Die Kommission sollte die Zerstrittenen zusammenbringen: Tim Demisch, ein Politikstudent aus Berlin, und Paula Piechotta, eine Ärztin aus Leipzig, sehen Homöopathie kritisch. Sie werben unter anderem dafür, die Finanzierung homöopathischer Heilmethoden durch gesetzliche Krankenkassen zu beenden – und hatten einen entsprechenden Antrag für den Parteitag gestellt. Ihr Argument: Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass Homöopathie nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirke.

Auf der anderen Seite sitzen die integrativ arbeitenden Mediziner Ulrich Geyer und Yatin Shah. Sie kämpfen dafür, dass die Wirksamkeit von Homöopathie anerkannt wird. Auch Gesundheits- und WissenschaftspolitikerInnen sollten in der Kommission mitdiskutieren, etwa Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha oder die Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche.

Die Vorwürfe des Bundesvorstands beziehen sich vor allem auf einen Text, der Mitte Dezember im Tagesspiegel erschien. Darin wird berichtet, dass mehrere Homöopathie-Kritiker offenbar skeptisch seien, dass die Kommissionsarbeit zu einem für sie zufriedenstellenden Ergebnis führen werde. Genervte Äußerungen Piechottas werden aus einem internen Chat zitiert: „Wir werden parallel an einem komplett eigenen Textvorschlag für das Grundsatzprogramm arbeiten“, kündigte sie an.

Außerdem ärgerte sie sich über Formulierungen aus einem Papier der Parteispitze. „Konkret wünscht sich der BuVo folgende Debatten“, hieß es dort. Für sie sei das der Satz des Monats, lästerte Piechotta laut Tagesspiegel. Und übersetzte: „Liebe Parteimitglieder, hier die Debatten, die ihr führen dürft.“

Ernüchtertes Fazit des Vorstands

Demisch und Piechotta räumten nach der Veröffentlichung auf Twitter indirekt ein, interne Informationen mit anderen geteilt zu haben. Der Artikel enthalte „aus dem Zusammenhang gerissene Zitate von ­Nachrichten aus unserer internen Unterstützer*innengruppen (sic!)“. Ihr Fazit: „Wir übernehmen die volle Verantwortung dafür, dass wir offensichtlich Menschen vertraut haben, die dieses Vertrauen gebrochen haben.“

Der Grund ist pikant: Informationen seien an Zeitungen durchgestochen worden

Der Bundesvorstand spielt in seinem aktuellen Beschluss auf diesen Vorgang an. Habeck habe als designierter Leiter der Kommission bei einer Telefonkonferenz darauf hingewiesen, dass Interna „im gemeinsamen Vertrauensraum“ bleiben müssten – und dass es in der Verantwortung der Kommissionsmitglieder liege, „dass Dokumente nicht über Dritte in die Öffentlichkeit gelangen“. So sei es in dem Protokoll nach der Telefonkonferenz festgehalten worden. „Allerdings ohne Erfolg“ – schon am Tag, als der Protokollentwurf verschickt wurde, habe man in Zeitungen über die Konferenz lesen können.

Der Vorstand zieht die Beschlussfassung zur Homöopathie nun an sich. Der Parteitag habe den Vorstand beauftragt, eine Positionierung zu einem wissenschaftsbasierten und ethischen Gesundheitssystem zu erarbeiten, betont er. Auch solle eine Haltung zu den Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit durch die Krankenkassen vorgelegt werden.

„Der Auftrag“, schreibt die Grünen-Spitze ernüchtert, „kann nur erfüllt werden, indem der Bundesvorstand die erforderliche programmatische Arbeit selbst verantwortet.“

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21 Kommentare

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  • Fakt ist, dass sich die Homöopathiebefürworter an die Vertraulichkeitsregel gehalten haben.

  • "Sie kämpfen dafür, dass die Wirksamkeit von Homöopathie anerkannt wird." - das fordern Demisch und Piechotta doch auch: Globuli wirken nicht über den Placebo-Effekt hinaus, also sollten sie auch so behandelt werden.

    Keine haltbare Studie hat je etwas anderes ergeben.

  • Mal abgesehen davon, wie man zur Homöopathie steht - hier zeigt sich, dass die Grünen anscheinend einen eigenen Demokratrischen Zentralismus pflegen Diskussion intern ja, öffentlich nein und die Mehrheit muss von der Minderheit getragen werden. Worüber diskutiert wird, bestimmt die Führung. Ja ja, die Partei, die Partei die hat immer Recht...dröhnten einst die moskautreuen Kommisten. Spaß beiseite, was ist wohl von Verhandlungen um eine neue Bundesregierung von einer so agierenden Parteiführung Habecks und Baerbocks zu erwarten? 40 Jahre Grüne und herausgekommen ist irgendwas zwischen ZK, Vatikan und CSU...

    • @Philippe Ressing:

      supi Kommentar. Danke.

  • Die Idee mit der Kommission war eine Schnapsidee. Auch wenn die jetzt weggeräumt ist, das Thema ist es nicht.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Über den Wahrheitsgehalt von Esoterik lässt sich eben nicht fruchtbar diskutieren. Was für eine Synthese sollte da rauskommen?

  • Hieß es nicht früher mal: "Wer schreit, hat Unrecht"? Wie schade, dass der gesunde Menschenverstand immer mehr abhanden zu kommen scheint ...

  • "Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass Homöopathie nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirke."

    Wenn schon die Kritiker der Homöopathie Probleme mit den Grundzügen des wissenschaftlichen Arbeitens haben, dann sollten diese hier nicht reproduziert werden: Man kann wissenschaftlich nicht beweisen, dass es diese Wirkung nicht gibt. Aktueller Erkenntnisstand ist lediglich, dass diese Wirkung nicht wissenschaftlich festgestellt werden konnte.

    Unser naturwissenschaftliches Verständnis basiert auf den Fragen, die wir in Form von Experimenten an "die Natur" stellen. Wenn wir die Fragen falsch formulieren, sagt das noch nichts über die Beschaffenheit der Natur aus.

    • @Wolkengrün:

      Doch doch, es ist nachgewiesen, dass eine Potenzierung keine Verdünnung ist und das Wasser kein Gedächtnis hat. Ebenso ist die Idee, in der Medizin wirke Gift stets als Gegengift, längst widerlegt.

  • Wer auf die Formulierungen achtet, kann sich des Eindrucks einer gewissen Bias von Herrn Schulte kaum erwehren.



    Einerseits:



    "Tim Demisch, ein Politikstudent aus Berlin, und Paula Piechotta, eine Ärztin aus Leipzig, sehen Homöopathie kritisch. Sie werben unter anderem dafür, die Finanzierung homöopathischer Heilmethoden durch gesetzliche Krankenkassen zu beenden."



    Andererseits:



    " ... die integrativ arbeitenden Mediziner Ulrich Geyer und Yatin Shah. Sie kämpfen dafür, dass die Wirksamkeit von Homöopathie anerkannt wird."



    Und was bitte sind "integrativ arbeitende Mediziner"? As opposed to "... eine Ärztin"? Meint das irgendeine? engstirnige? Feld-Wald-und-Wiesen-Ärztin, die nicht auf der Höhe der Zeit einer "integrativen Medizin" ist?

  • Ehrlich gesagt kann ich den Bedarf an Debatten hier einfach nicht mehr nachvollziehen.

    "Homöopathie wirkt nicht über den Placebo Effekt hinaus" sagt doch nun wirklich alles, was will man da noch diskutieren?

    • @winter:

      Placebo-Effekt heißt ja nicht "kein Effekt". Das wird gerne vermischt.

      Wenn jemand überhaupt keine Medikamente braucht und der Placebo-Effekt ihnen zu einer schnelleren Heilung oder Linderung der Symptome verhilft, dann ist das doch okay. Sicher besser, als alles mit Breitband-Antibiotika zu erschlagen. Bei viralen Infekten ist das beispielsweise völlig idiotisch und richtet nur Schaden an.

      Ein Problem ist nur, dass Globuli sehr teuer sind. Da wäre es wohl besser, einfache Placebos zu verschreiben, um die Kassen nicht so zu belasten.



      Das andere Problem sind Mediziner und Heilpraktiker, die bei ernsthaften, behandlungsbedürftigen Problemen Globuli statt Medikamenten verschreiben. Das darf nicht nur nicht bezahlt, sondern muss geahndet werden.

  • Warum erinnern mich die Methoden der Homöopathie-Befürworter nur immer wieder irgendwie an die der Klimawandel-Leugner?



    Und ebenso deren Wortwahl?



    Und deren Argumentationsketten?



    Und warum kenne ich etliche Leute, die beides sind?

    • @boidsen:

      Komisch: ich bin seit 30 Jahren Homöopath und bewege mich in der Szene und kann nicht erkennen, dass da eine nennenswerte Zahl an Klimawandel-Leugners unterwegs ist ... ganz im Gegenteil!

    • @boidsen:

      Weil beide Lager einen sehr aehnlichen epistemologischen Ansatz verfolgen. Das taugt fuer Polemik.

      Ich halte die Homoeopathie-Debatte fuer eine Petitesse. Wenn sich die industrielle Klientel-Politik der Gruenen darauf bechraenken wuerde, waeren sie ja billig zu haben.

    • @boidsen:

      ich bin Befürworter von Homöopathie und absoluter Befürworter, dass der Klimawandel, wie er gerade stattfindet anthropogen verursacht ist, und um ein vielfaches stärker und schneller ist, als das Klima sich natürlich wandeln kann.



      In meinem aufgeklärtem Umfeld, in welchem Menschen durcjaus Kausale Ketten sehen und ein holistisches Weltbild haben,



      bin ich nicht der einzige,



      so what??? watt willst sagen?

    • @boidsen:

      Demisch und Piechotta räumten nach der Veröffentlichung auf Twitter indirekt ein, interne Informationen mit anderen geteilt zu haben.



      Sind dies nicht die Kritiker.

    • @boidsen:

      Hat doch mit dem Artikel nichts zu tun?

  • Eine Partei die jahrelang das Label ALTERNATIV zur Schau stellte macht jetzt Brimborium wegen alternativer Medizin und berufen sich auf Wissenschaftlichkeit.



    Zeigt sich da das wahre Gesicht?

    Wenn ich das schon höre, -Wissenschaftlichkeit- Atomkraftwerke sollen ja auch nach wissenschaftlichen Erkenntnissen supersicher sein. Prost.gez. (l schlawiner= Person mit wissenschaftlicher Ausbildung, ha )

    • @lulu schlawiner:

      Atomkraftwerke sind an sicheren Standorten gegenüber den betrachteten Gefahren auch sicher. Wenn man wie in Fukushima bestimmte Gefahren gezielt ignoriert kommt eben sowas dabei raus. Das heißt nicht, dass die Wissenschaft versagt hat, sondern dass sie aus wirtschaftlichen Interessen ignoriert wurde.

      • @Cochino:

        Und wie war das doch gleich mit Tschernobyl? Ich habe 1986 unsere Gartenerde abgraben müssen, weil das wissenschaftlich sichere AKW hier allen Dreck per Regen abgeladen hat.