Grüne und Finanzpolitik: Steuerstreit eskaliert doch
Wichtige Realos aus Baden-Württemberg wollen die Vermögensteuer aus dem Programm streichen. Damit brüskieren sie die Berliner Fraktionsspitze.
In Deutschland sei nach wie vor das Elternhaus für den Erfolg der Kinder entscheidend, „und damit für ihre Möglichkeit, selbst Einkommen zu erwirtschaften und so Vermögen zu bilden“, heißt es in dem Antrag, der der taz vorliegt. „Dieser offensichtlichen Ungerechtigkeit wollen wir entgegenwirken.“ Der Antrag listet dann Vorschläge auf, etwa das Schließen von Steuerschlupflöchern – und empfiehlt, den Vorschlag einer Vermögensteuer ersatzlos zu streichen.
In der Begründung heißt es dazu: „Die (Wieder-)Einführung der Vermögenssteuer wäre nicht der richtige Weg, um die Chancengleichheit in unserem Land zu verbessern.“ Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung würden Unternehmen bei der Einführung „erheblich ins Ausland abwandern“, mittelbar würden Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut.
Das Papier gibt die Linie von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wieder, der sich als „Gegner der Vermögensteuer“ bezeichnet hatte. Unterschrieben haben zum Beispiel Edith Sitzmann, die Finanzministerin in Stuttgart, der Sozialminister Manne Lucha und Volker Ratzmann, Bevollmächtigter von Baden-Württemberg beim Bund – und der wichtigste Vertraute Kretschmanns in Berlin.
Kampfabstimmung wird wahrscheinlich
Damit wird eine Kampfabstimmung auf dem Parteitag, der Mitte November in Münster stattfindet, wahrscheinlich. Viele linke Grüne plädieren für die Vermögensteuer, viele Realos halten sie für falsch – und wollen stattdessen den Fokus auf eine Flat-Tax-Erbschaftsteuer.
Zuletzt hatte die Grünen-Fraktionspitze in Berlin einen Kompromissvorschlag vorgelegt. Jener enthielt eine Vermögensteuer für Superreiche, verzichtete allerdings darauf, ein konkretes Modell zu nennen. Eine solche Steuer würde mehrfache Millionäre und Milliardäre dazu verpflichten, pro Jahr einen sehr kleinen Steuersatz, im Gespräch sind 1 Prozent, auf ihr Vermögen zu zahlen.
Der Kompromissvorschlag, den die Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt sowie Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann angeschoben hatte, war im linken Flügel gut angekommen, weil die explizite Erwähnung der Vermögensteuer als Sieg interpretiert wurde. Allerdings unterstützen ihn nach taz-Informationen auch wichtige Realos, etwa NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann oder Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel.
Die Baden-Württemberg-Realos um Kretschmann ziehen also in den Kampf für ihre unternehmensfreundlichen Steuerkurs. Im Bundestagswahljahr 2013 war das noch anders. Damals warnte Kretschmann zwar in einem Interview kurz vor dem entscheidenden Parteitag vor zu viel Steuererhöhungen. Doch der große Streit auf dem Parteitag blieb aus, weil keine relevanten Änderungsanträge aus Baden-Württemberg gestellt wurden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen