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Grüne und EU-AsylrechtGrüne im Regen

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Die SPD feiert sich für das angebliche Machtwort des Kanzlers in der EU-Asylpolitik. Die Grünen müssen wider ihre Überzeugung klein beigeben.

Giorgia Meloni will Geflüchtete loswerden Foto: Rene Rossignaud/ap

R ückwirkend wirkt es wie ein Akt der Verzweiflung. Vor einer Woche warnte Außenministerin Annalena Baerbock noch eindringlich vor der geplanten „Krisenverordnung“ der EU. Diese könne Länder an den Außengrenzen dazu motivieren, im Krisenfall wieder eine große Zahl nicht registrierter Flüchtlinge nach Deutschland weiterzuleiten, brachte sie als neues Argument vor. Bis dahin hatte sich ihre Kritik auf humanitäre Härten beschränkt. Doch Baerbocks Appell an das nationale Interesse verhallte wirkungslos.

Noch im Juli hatten Innenministerin Nancy Faeser und Baerbock die Krisenverordnung gemeinsam abgelehnt, was die Verhandlungen über ein neues EU-Asylsystem monatelang blockierte. Am Donnerstag stimmte Faeser in Brüssel der Krisenverordnung zu. Faeser ist still und leise umgeschwenkt, die Grünen stehen im Regen. Während die SPD ihr Umfallen als Resultat eines angeblichen Machtworts“ von Olaf Scholz verkauft, wofür er vom Boulevard gefeiert wird, hat es den Grünen die Sprache verschlagen.

Die geplanten Änderungen des europäischen Asylsystems lehnen sie ab. Aber die Koalition deshalb aufkündigen, das wollen sie auch nicht. Darum fügen sie sich in das Unvermeidliche. Nur will das so deutlich niemand sagen. Stattdessen leugnen manche Grüne, dass es ein Machtwort gab, und Baerbock behauptet, sie und Faeser hätten noch weitreichende Änderungen in die Krisenverordnung „hineinverhandelt“. Doch davon ist wenig zu sehen.

Italien gehen die deutschen Zugeständnisse noch nicht weit genug. Die rechte Regierung in Rom will verhindern, dass Deutschland zivile Seenotrettung im Mittelmeer finanziert. Das Ende der Fahnenstange ist also noch nicht erreicht. Europa rückt nach rechts, die Grünen können daran wenig ändern. Es wäre besser, diese Realitäten anzuerkennen und zu benennen als falsche Erwartungen zu wecken. Die Menschenrechte von Flüchtlingen stehen in Europa nicht mehr hoch im Kurs. Das ist bitter, aber nicht allein das Versagen der Grünen. Sondern auch das von SPD, FDP und Union.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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8 Kommentare

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  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    „… müssen wider ihrer Überzeugung klein beigeben“

    Das wären dann genau welche Überzeugungen gewesen…



    - bei der Verlängerung des Atomausstieges?



    - bei der direkten Kriegs-Beteiligung am Ukraine-Krieg?



    - beim Deal mit RWE zur Abbaggerung von Lützerath und Braunkohle-Verstromung?



    - beim Verfehlen aller Klimaziele?



    - beim Ausbau der LNG Infratstruktur zum Import von US-amerikanischen Fracking Gases?

    Gibt es in dieser Partei überhaupt noch irgendwelche Inhalte, die man/frau niemals preisgibt?

    Oder gibt es nur ein einziges Interesse, für das alle Inhalte geopfert werden:



    der pure Machterhalt als Wert an sich.

  • Ich finde es wohlfeil jetzt die Grünen für etwas zu kritisieren, was sie jahrelang erfolgreich verhindert haben. Man kann und sollte den Kompromiss kritisieren, aber jetzt auf die Grünen loszugehen ist unfair. Sie haben ein solches Abkommen ja verhindert obwohl sie fast allein gegen alle standen. Daß es jetzt nicht mehr geht, schmälert dennoch nicht ihre bisherige Leistung.

  • Solange sich die Situationen in den Herkunftsländern nicht ändern lassen, solange wird sich Europa mit viel Migration auseinandersetzen müssen. Diese Abschottung und Regelung der Asylverfahren an den Grenzen, ist doch letztlich nur ein Zeichen der Hilflosigkeit und der Kapitulation vor den eigenen Ansprüchen. Das auch noch als Realität für eine zukünftige Entwicklung zu akzeptieren, ist die entgültige Aufgabe des Widerstands gegen AfD-Politik, die inzwischen auch von den Grünen übernommen wird. Auch diese Brandmauer ist somit gefallen.

  • Wieso sind die Grünen umgefallen? Sie sind lediglich ein Teil dieser Regierung und auch nur ein Minianteil in der EU. Insofern muss man entweder die Kröte schlucken oder aufhören mit dem regieren. Mir soll's recht sein.

  • Was ist an einem Machtwort "angeblich", nach dem man klein beigeben muss?

    Wenn man gegen seine Überzeugung ihne Machtwort klein beigibt, ist es doch nur noch schlimmer.

    Man kann sich auch in den eigenen PR-Sprüchen verheddern.

  • Man kann das Programm der Grünen in einen Satz packen:

    "Die Grünen müssen wider ihrer Überzeugung klein beigeben."

  • Der Kapitalismus sorgt dafür das das schlechte im Menschen gefördert wird und die Rechten fahren die Ernte ein. Es ekelt mich an.

  • Armselig und erbärmlich, haben die Wähler die Grünen, die Sozis, ja selbst Union und FDP für eine eine derartige Politik gewählt, die auf die Moriaisierung der EU-EInwanderungspolitik hinausläuft, in der eine Frau Meloni am liebsten Flüchtlingsboote durch die eigene Marine abdrängen (und vielleicht auch beschießen lassen?) will. Der Trend in Europa ist klar, aber muss den angsterfüllten, herzlosen Irrsinn wirklich eine Ampelregierung mitmachen? Wenn der Preis für die Kontrolle der Rechtspopulisten die Übernahme deren Politik ist (Dänemark!!!) werden wir zwar von netter aussehenden Leute regiert, aber von den Inhalten her gibt es keinen Unterschied.