Grün mit Sprenkeln: Naturfreunde gegen Flüchtlinge
Für Flüchtlingsunterkünfte muss manche Grünfläche weichen. In ihrer Ablehnung dagegen gehen Naturschutzverbände zweifelhafte Allianzen ein
Am Freitag vergangener Woche hielt die Initiative, die auch Mitglied beim Dachverband gegen Großunterkünfte „Initiativen für Integration“ ist, zusammen mit der Nabu-Ortsgruppe ein „Black Dinner“ ab: Eine inszenierte Beerdigung, deren TeilnehmerInnen schwarz gekleidet mit Holzkreuzen und Plastikskeletten kamen und den Naturschutz zu Grabe trugen.
Der Nabu nennt die Bebauung des Gleisdreiecks eine „ökologische Katastrophe“, da das Dreieck zwei Biotope verbinde und Heimat für seltene Pflanzen- und Tierarten sei. Außerdem spricht der Bergedorfer Nabu-Gruppenleiter Reinhard Grosch von einem „Missverhältnis“: 1.200 EinwohnerInnen hat Billwerder – plus 3.400 Flüchtlinge? „Das kann nicht gutgehen.“
Dem stellvertretenden Geschäftsleiter des Nabu Hamburg scheint nicht ganz wohl bei der Allianz der Bergedorfer Ortsgruppe mit der Initiative „Integration: Ja! Ghetto: Nein!“ zu sein. „Deren Motivation ist eine andere als unsere“, sagt Bernd Quellmalz. Deshalb habe der Nabu sich entschieden, die Aktion nur als Bergedorfer Ortsgruppe zu unterstützen.
Deren Wunsch sei es gewesen, am Gleisdreieck ein Zeichen für den Naturschutz zu setzen – so hätten sie sich eben Verbündete gesucht. Zur Verteidigung seiner Bergedorfer KollegInnen sagt Quellmalz aber, dass der Nabu schon vor der Initiative gefordert hatte, die Grünfläche zu erhalten.
Auch der BUND findet es zwar problematisch, dass Initiativen gegen Flüchtlingsheime jetzt bei den Naturschutzbünden andocken. So ganz abgrenzen mag er sich aber nicht. „Wir haben keine gemeinsamen Forderungen mit solchen Initiativen“, so der BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. „Deren Anliegen, die teilweise ja auch berechtigt sind, sind andere als unsere.“
Man könne aber nur in begrenztem Maße verhindern, dass sich FlüchtlingsgegnerInnen die Naturschutzargumente zueigen machten. Zudem will der BUND verhindern, dass der Senat „im Windschatten der Flüchtlingsunterbringung ganz normal Wohnungen baut – auf Flächen, die dafür nicht vorgesehen sind.“
Der Naturschutzbund hat sich Anfang Mai dem Grundeigentümerverband angeschlossen, der kürzlich ein Gutachten vorgelegt hatte, das die Bebauung diverser Flächen aufgrund des Paragrafen 246 des Baugesetzbuches für rechtswidrig erklärt. Der Paragraf ermöglicht es, aufgrund von Ausnahmen Flächen zu bebauen, die eigentlich nicht für den Wohnungsbau vorgesehen sind.
André Humbert, der Sprecher der Initiative „Integration: Ja! Ghetto: Nein!“ betont, nicht seit Neustem auf den Trichter mit dem Naturschutz gekommen zu sein. Die Initiative emfpinde es als „Ungleichgewicht zwischen Nachbarn und Flüchtlingen“, wenn 3.400 Neuankömmlinge in den Stadtteil zögen. Zudem gebe es schon eine Unterkunft in nächster Nähe, nur 500 Meter vom Gleisdreieck entfernt. Und schon da falle die Integration schwer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland