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Griechenland plant geschlossene LagerMigranten hinter Gittern

Die neue Regierung stellt ihren Masterplan Migration vor. Überfüllte Flüchtlingslager auf Lesbos sollen durch Internierungslager ersetzt werden.

Flüchtlinge am Rande des überfüllten Camps Moira auf deer Insel Lesbos Foto: reuters

Wie im Wahlkampf versprochen, will Kyriakos Mitsotaki, Chef der griechischen Konservativen das Asylrecht verschärfen. Migranten „sollen einsehen, dass sie ihr Geld nur verlieren, wenn sie es Menschenschmugglern anvertrauen“, mahnte Regierungssprecher Stelios Petsas am Mittwoch in Athen.

Außerdem soll die Bevölkerung der Ost-Ägäis steuerlich entlastet werden – etwa durch eine niedrigere Mehrwertsteuer auf den Urlaubsinseln Lesbos, Samos, Chios, Kos und Leros. Für weitere Entlastung sorgt ein Solidaritätsfonds für Städte und Gemeinden, die sich bereit erklären, Flüchtlinge und Migranten zu beherbergen. Allein im Jahr 2020 stehen dafür 50 Millionen Euro zur Verfügung.

Unter anderem sieht der Masterplan der Regierung Mitsotakis folgendes vor: Das hoffnungsvoll überfüllte Flüchtlingslager von Moria auf der Insel Lesbos soll geschlossen werden. Abgeschafft wird auch das Camp von Samos nahe der Inselhauptstadt Vathy, das seit Jahren aus allen Nähten platzt und mittlerweile als „zweites Moria“ bezeichnet wird – wegen der unmenschlichen Bedingungen, die dort herrschen.

Die 5.000 Menschen, die derzeit in den Camps verharren, werden vorerst in Hotels untergebracht. Künftig sollen auf den Inseln der Ost-Ägäis aber neue, geschlossene Flüchtlingszentren entstehen, vermutlich so etwas wie Internierungslager.

Umzäunt von Stacheldraht

Das gab es schon einmal in Hellas: Ab 2012 versuchte der damalige konservative Regierungschef Antonis Samaras verstärkt gegen Einwanderer ohne legalen Rechtsstatus vorzugehen. Einige Migranten wurden damals im Internierungslager von Amygdaleza nördlich von Athen untergebracht, umzäunt von Stacheldraht.

Experten warnen vor neuen Missständen in geschlossenen Camps

Mehrere NGOs sowie der damalige Oppositionsführer Alexis Tsipras kritisierten die erbärmlichen Lebensbedingungen dort, Migranten klagten über grassierende Krankheiten und Polizeigewalt. Sein Wahlversprechen, das Camp von Amygdaleza zu schließen, konnte Tsipras als Ministerpräsident nicht umsetzen.

2016 klagte der Bürgermeister der nahe gelegenen Stadt Acharnes gegen die Regierung mit der Begründung, das Internierungslager sei ohne Baugenehmigung errichtet worden.

Inselbewohner klagen über Flüchtlinge

Anscheinend will die neue Athener Regierung Migranten wieder einsperren lassen und dadurch Teile der Bevölkerung beschwichtigen, die gegen die jetzige Situation protestieren. Denn vor allem auf den Inseln Lesbos und Samos klagen Anwohner über die Dauerpräsenz der Geflüchteten vor der eigenen Haustür.

Experten warnen allerdings vor neuen Missständen. Bei allen Problemen, die heute auf den griechischen Inseln herrschen, bekommen Migranten immerhin die Gelegenheit, zumindest für ein paar Stunden dem Chaos in den Camps zu entkommen und etwa einen Spaziergang in eine nahe gelegene Stadt oder ans Meer zu unternehmen.

Würde das Verlassen der Flüchtlingslager verboten, könnten Frustration und Gewaltbereitschaft in geschlossenen Camps deutlich zunehmen. Schon heute kommt es gelegentlich vor, dass verschiedene Nationalitäten, etwa Syrer und Afghanen, in Moria oder in anderen Camps aneinander geraten.

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10 Kommentare

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  • Liebe TAZ. Bitte korrigiert eure Zahlen im Text!

    "Die 5.000 Menschen, die derzeit in den Camps verharren, werden vorerst in Hotels untergebracht."

    Gemäss der offiziellen Quelle des "ministry of citizen protection" leben derzeit 38'304 in den Hotspot Camps der griechischen Inseln. Offizielle Kapazität aller Inseln ist 6'178.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Internierungslager" werden im Krieg für Kriegsgefangene gebaut. Z.B. Guantanamo Bay und der "Krieg gegen den Terror".

    Was die griechische Regierung bauen will, heißt "Konzentrationslager". Vgl. die US-Lager für die japano-amerikanischen Bürger*innen während des 2. Weltkriegs oder das System Gulag in der UdSSR.

    Anmerkung:



    In Deutschland hat sich für die Vernichtungslager der Nazis die verharmlosende Bezeichnung "Konzentrationslager" durchgesetzt oder es wird die SS-Abkürzung "KZ" benutzt. Analytisch ist das jedoch nicht haltbar, weil dies die Einzigartigkeit des Holocaust verneint.

  • 9G
    91985 (Profil gelöscht)

    Griechenland - und ganz besonders die Inseln - lebt maßgeblich vom Tourismus. Erfahrungsgemäß bleiben Touristen aber weg, wenn sie in ihrem teuer erkauften Jahresurlaub mit derartigen Zuständen konfrontiert werden. Dementsprechend haben die Griechen gar keine Wahl, wenn sie ihr wichtigstes wirtschaftliches Standbein nicht verlieren wollen. Mit Moralvorträgen aus der Ferne kann man keine Rechnungen bezahlen.

  • Es gilt zu bedenken, dass die Athener Regierung per Gesetz vor 2 Wochen Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) nicht mehr als Asylgrund anerkennen lässt. Es sei denn, jemand kann nachweisen, gefoltert worden zu sein. Männer, Frauen und Kinder, die durch Kriegseinwirkung oder Flucht (Libyen!) traumatisiert wurden werden künftig nicht mehr geschützt. Die Inseln - dazu gehört auch Vial auf Chios - verlassen dürfen nur diejenigen, die eine Chance auf Asyl haben - andere nimmt Erdoghan vom Festland nicht mehr zurück - so der Deal mit der EU. Faktisch werden die Inseln zu Straflagern für Chancenlose und das betrifft vor allem junge Männer aus Afrika und Afghanistan bzw Pakistan. Sie bilden jetzt schon eine 'kritische Masse' auf den Inseln, da sie nichts mehr zu verlieren bzw zu gewinnen haben. Das wird die Konflikte auf den Inseln massiv schüren. Anstatt den Flüchtlingsdeal mit Erdoghan endlich auf den Müll zu werfen und in Europa eine Lösung zu finden, zahlt man Mitzotaikis für die Drecksarbeit mit Schuldenmidnerung. Dabei verschiebt man nur die Probleme in Griechenland - in Resteuropa schaut man weg, schimpft über die angeblich so chaotischen Hellenen und wendet sich dem Advents-Onlineshopping zu .......

  • "Migranten „sollen einsehen, dass sie ihr Geld nur verlieren, wenn sie es Menschenschmugglern anvertrauen“"

    Der Ansatz ist am Ende richtig. Die Staaten müssen in dieser Frage wieder die Steuerung übernehmen. Je höher der Preis der illegalen Migration, desto weniger werden sich so auf den Weg machen.

    Menschen mit Asylgründen fallen leider bei allen Varianten hinten runter.

  • Das die hohen Herren der Politik tatsächlich glauben, den Flüchtenden ginge es nur um Geld. Was für ein abartiges Menschenbild. Es spricht jedoch auch Bande über deren eigene Prioritäten

    • 0G
      08088 (Profil gelöscht)
      @Reyde Lanada:

      Den Flüchtlingen geht es um ein besseres Leben.

      Ob die meisten dies in Griechenland finden, wage ich zu bezweifeln.

  • Wie auch für den Balkan, das Flüchtlingslager Vučjak in Bosnien und Herzegowina, gilt: Deutschland muss die Grenzen wieder öffnen und diese Flüchtenden aufnehmen.



    Ich bin dafür.

  • Welch unnötiger letzer Satz. Welchen Sinn hat das Erwähnen von nationalen Zugehörigkeiten? Der Artikel hätte besser mit eine, Plädoyer für ein menschenwürdiges Leben der Betroffenen plädieren sollen.

    • @Zen Na:

      Gute und berechtigte Frage.

      Es ist gar nicht so selten, dass erwähnt wird, in Flüchtlingsgruppen handle es sich unter anderem um Syrer oder Afghanen.

      Eine Zeit lang wurde auch Eritreer extra benannt.

      Ich tippe drauf, damit soll untermauert werden, dass es sich unzweifelhaft um Flüchtlinge mit eindeutigem Asylgrund handelt, gegen deren Aufnahme man aus moralischen Gründen nichts haben kann.

      Der Mitleidsfaktor bei den Lesern ist größer.

      Würde man die Bengalen und Pakistaner erwähnen, die es zweifellos in Griechenland auch geben wird und für die die Situation dort genauso mies ist, wäre die politische Verfolgung zweifelhaft.

      Und Bürgerkrieg gibt es dort auch nicht.

      Fazit wäre: Auch die Taz macht gern mal emotionalen Journalismus à la Bild.

      Macht wahrscheinlich jede Zeitung gern. Manche trauen sich nur weniger.