Griechenland nach EU-Verhandlungen: „Ihr habt das Land gestürzt“

Es wird Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm für Griechenland geben. Doch die Stimmung in Athen ist angespannt.

Zeitungskiosk in Athen

Wohin geht die Reise? Auch griechische Zeitungen sind sich am 13. Juli. 2015 nicht einig. Foto: dpa

ATHEN taz | Nach einem Verhandlungsmarathon von 17 Stunden in Brüssel einigten sich die 19 Staats- und Regierungschefs der Eurozone am frühen Montagmorgen auf ein drittes Rettungspaket. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras kündigte nach der Sitzung an, die neuen Reformen seien zwar hart, werden aber nicht nur die BürgerInnen treffen, die in den letzten Jahren bereits betroffen waren. Tsipras möchte die Unter- und Mittelschicht stützten und die Reichen zur Kasse bitten.

Nicht alle scheinen an diese Worte zu glauben.“Ihr habt das Land gestürzt“ titelt die linke Tageszeitung I Efimerida ton Syntakton: Eine Rentnerin steht vor der Auslage eines Zeitungskiosk im Zentrum Athens. Aufgeregt zeigt sie auf das Titelblatt der Zeitung. „So ist es“, ruft sie. „Unser Land ist an Europa verkauft worden“.

Sie senkt den Kopf, als ob sie sich wieder beruhigen möchte. „Ich hab kein Vertrauen mehr“, fährt sie fort. „Jetzt haben die sich in Brüssel zwar geeinigt aber letztendlich werden wir kleinen Bürger wieder die Rechnung bezahlen.“

Wenn Tsipras etwas für die Bürger tun wolle, dann solle er das mit der Mehrwertsteuererhöhung lassen. „Die Menschen können ja jetzt kaum noch etwas zahlen. Die letzten Jahre waren hart“, erzählt sie weiter. Von ihrer bereits gekürzten Rente hat sie ihre arbeitslose Tochter unterstützt. Nun macht sie sich große Sorgen, dass die Rente abermals gekürzt wird: „Ich weiss nicht, wie wir dann leben soll. Meine Tochter hat noch immer keinen Job gefunden“. Die alte Frau mit den zurückgesteckten Haaren seufzt und geht mit schweren Schritten davon.

Angst vor dem Ruin

Schräg gegenüber haben Christos und Maria Gergolopoulos ihren Souvlakiimbiss. Auch sie machen sich Sorgen. „Wenn die Mehrwertsteuer steigt, bedeutet dass für uns, das wir die Preise erhöhen müssen, um unsere Ausgaben zahlen zu können“ so Christos Gergolopoulos. Das würde bedeuten, dass weniger Kunden kaufen. „Das weniger kaufen können!“ betont der Mann.

Die GriecheInnen seien jetzt schon sparsam mit ihren alltäglichen Ausgaben. Eine Erhöhung würde die Kaufkraft im Lande nochmals senken. Das würde viele Geschäfte in den Ruin treiben. Er selbst habe hier im touristischen Stadtteil Athens nicht so große Probleme – die Touristen kaufen. Aber er viele seiner Kollegen in anderen Stadtteilen, in denen hauptsächlich GriechInnen leben, hätten schon jetzt Probleme.

Janis Ioanidis ist auf dem Weg ins Büro. Auch er bleibt kurz am Kiosk stehen, liest einige der Zeitungstitel. „Historisches Treffen um den Verbleib im Euro“, titelt die konservative Tageszeitung Kathemerini. „Das wollen sowieso die meisten der GriechInnen“, sagt der Mann. Das sei auch vor dem Referendum vergangene Woche klar gewesen. Doch Tsipras habe sich damit den Rücken vor den Verhandlungen mit Brüssel nochmal stärken wollen. „Das Referendum habe rein gar nichts genützt“, sagt Ioanidis.

Alle die, die mit Oxi, also mit Nein, abgestimmt haben, hätten sich Illusionen gemacht. „Als ob Tsipras dadurch eine bessere Verhandlungsbasis gehabt hätte!“ Der Mann lacht bitter. „Das alles hat so viel Zeit gekostet“, seufzt er.

„Wir brauchen Bargeld“

Ioanidis arbeitet in einer Firma, die in Griechenland importierte Computer verkauft. „Durch die Kapitalverkehrskontrolle ist das ganze Geschäft blockiert. Nichts geht mehr!“ berichtet er. Zahlreiche Container stapelten sich am Zoll, denn die Ware könne nicht mehr bezahlt werden. Die wenigen Produkte die noch in der Firma seien, werden nur noch per Barzahlung verkauft.

„Denn wir brauchen Bargeld. Onlineüberweisungen bringen uns nichts, da wir momentan nicht an unser Geld kommen.“ so Ioanidis. Das alles habe dazu geführt, dass zahlreiche seiner KollegInnen in den Zwangsurlaub geschickt wurden. Von 85 Angestellten in der Firma arbeiten zurzeit nur noch 15. Wann sich der Zustand wieder ändert, sei nicht abzusehen. Vermutlich werden viele seiner KollegInnen Entlassungen rechnen müssen.

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