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Grenze zwischen USA und MexikoPeitschenhiebe unter der Brücke

Seit Tagen harren Tausende Geflüchtete aus Haiti am Grenzfluss Rio Grande aus, um in die USA zu gelangen. Polizisten auf Pferden prügeln auf sie ein.

Traum vom Leben in den USA: Migrant am Montag im Rio Grande Foto: Fernando Llano/ap

Berlin taz | Videoaufnahmen von weißen berittenen Polizisten, die mit peitschenähnlichen Gegenständen auf Schwarze Mi­gran­t*in­nen einschlagen, haben am Montag die Diskussion in den USA über die Lage in der Ortschaft Del Rio an der Südgrenze zu Mexiko noch einmal verschärft. „Dies ist ein Schandfleck für unser Land“, schrieb die Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez auf Twitter. Und selbst Biden-Sprecherin Jen Psaki räumte ein, die Bilder seien „schrecklich“.

Unter der Brücke, die an dieser Stelle den Grenzfluss Rio Grande überquert, harren seit Tagen bis zu 14.500 Mi­gran­t*in­nen aus. Die meisten von ihnen stammen aus Haiti. Gerüchte, dass die Grenze zu den USA an dieser Stelle offen und durch den niedrigen Wasserstand des Flusses leicht zu überwinden sei, hatten die Menschen dorthin gezogen. Die meisten der Hai­tia­ne­r*in­nen haben ihr Land schon vor vielen Jahren verlassen und bislang in anderen lateinamerikanischen Ländern gelebt, vorwiegend in Chile, Brasilien und Panama.

Jetzt hat die US-Regierung damit begonnen, die Menschen ohne Einleitung eines Asylverfahrens direkt in Flugzeuge zu setzen und nach Haiti zu fliegen. Mindestens drei Maschinen mit jeweils 300 Menschen an Bord sind bereits in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince gelandet. Mindestens so viele Flugzeuge sollen jetzt jeden Tag nach Haiti fliegen. Betroffene berichten, sie seien von den Sicherheitsbeamten getäuscht worden, als man sie aus Del Rio wegbrachte – sie hätten erwartet, in Unterkünfte transferiert zu werden, stattdessen fanden sie sich auf dem Weg zum Flugzeug.

Haitis Regierung hat inständig um ein Abschiebemoratorium gebeten: Nach Präsidentenmord und Erdbeben sieht sich das Land nicht in der Lage, für die Ankommenden zu sorgen.

Kein Zugang für Jour­na­lis­t*in­nen

Die US-Regierung unter Präsident Joe Biden begründet die Abschiebungen ohne Asylverfahren mit dem sogenannten Titel 42, einer unter der Präsidentschaft Donald Trumps eingeführten Verordnung, die aufgrund der Coronapandemie sofortige Abschiebungen erlaubt.

Jour­na­lis­t*in­nen ist der Zugang zu dem unter der Brücke entstandenen Camp offenbar verwehrt. Im progressiven Nachrichtenportal Democracy Now! berichtet eine Reporterin des Miami Herald, sie habe von allen Seiten versucht, in das Camp zu kommen, sei aber stets von den US-Behörden gehindert worden.

Während US-Präsident Joe Biden ein schon bestehendes Abschiebemoratorium für Hai­tia­ne­r*in­nen verlängert hat, das nach dem schweren Erdbeben 2010 ausgesprochen wurde, gilt das aber nicht für neu ankommende. Und auch von der noch im Wahlkampf angekündigten Erhöhung der Obergrenze aufzunehmender Geflüchteter auf 125.000 Menschen pro Jahr können die Menschen unter der Brücke nicht profitieren – denn die ist noch immer nicht umgesetzt und soll erst ab Oktober gelten.

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2 Kommentare

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  • Möglichkeiten für Asylanträge sollten doch ermöglicht werden laut Biden?!?

    Die humanistisch geprägte westliche Welt zeigt wieder einmal ihre Überlegenheit und den souveränen Umgang mit den nicht verhandelbaren Menschenrechten.

    bravo, ganz toll, super extraklasse

  • Hier zeigt sich wieder die Macht der Bilder. Die Dinge sind schrecklich, keine Frage, aber faktisch ist die Situation an anderen Stellen des Grenzgebietes nicht anders, nur die Bilder fehlen.



    Insgesamt ist es ein Dilemma das die ganze Menschheit betrifft, denn natürlich sichern nicht nur die USA ihre Grenzen.



    Flüchtlingsdramen gibt es praktisch an jeder Grenze der Erde wo es ein starkes Wohlstandsgefälle gibt, nur meistens sind keine Kameras dabei.