Gipfel mit Putin und Trump: Treffen sich zwei Alphamännchen
Vor dem Treffen in Helsinki inszeniert sich Moskau als überlegen. Tatsächlich unterscheiden sich die Interessen von Putin und Trump.
Das Treffen zwischen dem US-amerikanischen und dem russischen Präsidenten beginnt zwar erst am Montag. Doch für russische Medien steht der Sieger schon lange fest. Es ist Kremlchef Wladimir Putin. Seit Wochen beschäftigen sich die staatlichen Medien mit dem bevorstehenden Gipfel in Helsinki. Die Initiative zu diesem Spitzengespräch geht von der amerikanischen Seite aus, betont Moskaus Propagandamaschine unaufhörlich. Soll heißen: Trump will was von Putin – nicht umgekehrt.
Präsident Wladimir Putin, das sollen alle Zweifler im Land verstehen, mischt wieder ganz oben mit. Die internationale Isolation Russlands nach dem Krieg in der Ukraine und der widerrechtlichen Annexion der Krim ist überwunden, so die Botschaft aus Moskau.
Unterdessen hält sich der WM-Gastgeber selbst zurück – ganz so, als sei das Treffen mit Donald Trump nur eine Begegnung unter vielen. Tatsächlich dürfte Putin die Zusammenkunft als Bestätigung werten, mit den USA wieder auf Augenhöhe verkehren zu können. Für das heimische Publikum ist das wichtig, internationale Anerkennung ist Ersatz und Kompensation für andere Mühen. Damit wäre ein erstes Ziel des Gipfels für den Kremlchef schon erreicht.
Was Putin und Trump aneinander bindet, ist auch nach zwei Jahren intensiver medialer Beobachtung und skandalumwitterter Enthüllungen noch nicht geklärt. Für Russland gilt indes: Der Umgang mit US-Republikanern ist einfacher als der mit Vertretern der Demokratischen Partei, die Menschenrechte und politische Forderungen einklagen. Präsident Putin hat sich zu Donald Trump kaum im Detail geäußert. Er schätze ihn als Unternehmer, ließ er wissen. Während Trump laut darüber nachdenkt, ob Putin „eines Tages vielleicht ein Freund“ sein könnte, vermeidet der Kremlchef solche emotionalen Aussagen. Er will sich alle Möglichkeiten offenhalten.
Natürlich haben beide etwas gemein: Sie halten sich ungern an verbindliche Regeln und bevorzugen individuelle Lösungswege. Sie zeigen autokratische Züge und neigen dazu, populistische Maßnahmen als Allheilmittel zu verkaufen. Fehler geben beide nicht zu. Was die Staatschefs voneinander unterscheidet: Putin kommt damit in Russland durch, der US-Präsident ist dagegen noch an demokratische Institutionen gebunden.
Trump ist reich, aber ungehobelt. Er passt nicht in das Bild der US-amerikanischen Oberschicht. Auch Wladimir Putin hat im Umgang mit den Spitzen der westlichen Gesellschaft Schwierigkeiten: Nach dem Rauswurf aus der G8 verschärfte sich der alte russische Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem Westen. Durch Gold und Glanz versucht Moskaus Geldadel, diese Defizite auszugleichen.
Allen persönlichen wie politischen Gemeinsamkeiten zum Trotz vertreten die beiden Staatsschefs in so gut wie allen Themen, die beim aktuellen Gipfeltreffen auf dem Programm stehen, in der Konsequenz unterschiedliche Interessen. So sähe Putin es am liebsten, wenn er Washington für einen neuen Rüstungskontrolldurchgang gewinnen könnte. Auf dieser Ebene wären beide Seiten ganz gleichberechtigt. Die Klärung von Einzelheiten würde Experten überlassen. Trump könnte das wiederum als Fortschritt verbuchen und Putin dazu überreden, sich aus den US-Wahlen im Herbst herauszuhalten. Das wäre für beide ein Gewinn.
Allerdings: Eine Aufhebung der westlichen Sanktionen wird Präsident Putin nicht fordern – zu gering wäre die Aussicht auf Erfolg. Darüber hinaus nützen die Sanktionen dem Kremlchef zu Hause, um seine Wählerschaft zu mobilisieren. Denn nach wie vor lässt sich patriotische Unterstützung in Russland am besten durch eine Krise mit dem Westen erreichen. Auf diesen Hebel wird das Regime Putin nicht verzichten.
Auch in der Ukraine-Frage wird der Kremlchef nicht nachgeben. Dass Trump die Annexion der Krim absegnet, ist ebenfalls nicht zu erwarten – auch wenn er im Vorfeld auch schon mal Verständnis dafür äußerte, was bei diesem Präsidenten aber nicht viel heißt.
In ihrer Syrienpolitik vertreten beide ebenfalls unterschiedliche Interessen: Die USA wollen Moskau dazu bewegen, Irans Rückzug in Syrien voranzutreiben. Putin dürfte dieses Ansinnen Unbehagen bereiten: Er würde sich dadurch mit Teheran überwerfen – und sich noch tiefer in den Syrienkonflikt verstricken.
Russische Beobachter sind daher skeptisch, was den Erfolg dieses Gipfels angeht. Ein Durchbruch in den bilateralen Beziehungen wird nicht erwartet, wohl aber eine langsame atmosphärische Veränderung.
Helsinki wird die russisch-amerikanischen Beziehungen nicht neu definieren. Doch es könnte einen Dialog darüber einleiten, wie sich die komplizierten Verhältnisse zwischen beiden Ländern in Angriff nehmen lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs