Gipfel in Paraguay: Mercosur streitet über Peking
Das südamerikanische Wirtschaftsbündnis ist uneinig: Freihandel mit China oder nicht? Uruguay will Regeln der Gruppe brechen und allein vorpreschen.
Damit hatte Lacalle Pou schon vor dem Gipfel für erheblichen Aufruhr gesorgt. Gemäß der Mercosur-Statuten dürfen die Mitgliedsstaaten solche Abkommen nur gemeinsam und im Konsens aushandeln. Dennoch blieb der bei dem Treffen erwartete Schlagabtausch aus.
Paraguays Präsident Mario Abdo gab den moderaten Gastgeber. Argentiniens Präsident Alberto Fernández versuchte gar eine Annäherung. „Wenn es die Möglichkeit für ein Abkommen mit China gibt, warum analysieren wir es nicht gemeinsam“, sagte Fernández und warnte davor, „nach Einzellösungen zu suchen.“
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro war gar nicht angereist und schickte stattdessen eine unverbindliche Videobotschaft. Wie Lacalle Pou Verhandlungen mit China führen will, ohne einen Bruch mit den übrigen drei Mitgliedsstaaten der Wirtschaftsgemeinschaft zu riskieren, blieb offen. Eine von ihm angemahnte Flexibilisierung der Statuten wurde weder diskutiert noch in der Abschlusserklärung erwähnt, weshalb Lacalle Pou seine Unterschrift unter dem Dokument verweigerte.
Gespielte Harmonie wegen Brasilien-Wahl
Trotz Abwesenheit konnte sich Bolsonaro mit seinem Vorschlag nach einer Liberalisierung der Außenzölle auf Importe aus Nicht-Mercosur-Staaten durchsetzen. So wird die Obergrenze des Einfuhrzolls von 14 auf zukünftig 10 Prozent gesenkt. Die neue Außenzollverordnung ist jedoch mit derart vielen Ausnahmen und Übergangsfristen gespickt, dass auch der protektionistisch ausgerichteten Regierung aus Buenos Aires eine Zustimmung leicht fiel.
Die scheinbare Gipfelharmonie war den kommenden Präsidentschaftswahlen in Brasilien geschuldet. Zwar war es Zufall, dass Brasiliens Arbeiterpartei PT just an diesem Donnerstag den ehemaligen Präsidenten Lula da Silva zu ihrem Kandidaten bei der im Oktober anstehenden Präsidentschaftswahl ernannte. Sollte Lula die Wahl jedoch gewinnen, werden auch im Mercosur die Karten neu gemischt.
Brasilien ist das wirtschaftliche Schwergewicht in der Gemeinschaft und zum einen steht Lula für eine Stärkung des Mercosur. Zum anderen wäre mit Bolsonaro das derzeit größte Hindernis bei der Umsetzung des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur aus dem Weg geräumt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht