Argentinien in der Wirtschaftskrise: Super-Sergio soll es richten

Das kriselnde Argentinien bekommt nach nur drei Wochen schon wieder einen neuen Wirtschaftsminister. Diesmal mit erweitertem Aufgabenbereich.

Sergio Massa im Profil

Neuer Wirtschaftsminister in Argentinien: Sergio Massa Foto: Patricio Murphy/imago

BUENOS AIRES taz | Argentinien bekommt ein Superministerium. Künftig wird Sergio Massa die vereinten Ministerien von Wirtschaft, Produktion und Landwirtschaft leiten. Das gab Präsident Alberto Fernández am Donnerstag bekannt. Damit will er das Vertrauen in seine Regierungsfähigkeit zurückgewinnen. Sobald Massa sein bisheriges Amt als Präsident des Abgeordnetenhauses abgegeben habe, werde er als Minister für das Superministerium vereidigt, erklärte Fernández.

Damit ist die erst vor drei Wochen als Wirtschaftsministerin eingesetzte Silvina Batakis das Amt wieder los. Ihre Entlassung zeigt, wie überstürzt der Umbau des Kabinetts war. Noch tags zuvor war sie zum Antrittsbesuch beim Internationalen Währungsfonds in Washington. Während ihres Rückflugs wurde in Buenos Aires ihre Absetzung beschlossen.

Der Streit in der Regierungskoalition über die Richtung der Finanz- und Wirtschaftspolitik war nach Batakis Amtsübernahme weiter eskaliert. Koalitionsintern wurde bereits ein Auseinanderbrechen der Regierung befürchtet. Am Donnerstag zogen dann die Provinzgouverneure die Notbremse. Mit Nachdruck verlangten sie eine Einigung und Kabinettsumbildung.

Zentrales Problem ist das permanente Haushaltdefizit. Für dessen Finanzierung gibt es wegen des von den internationalen Banken als hoch eingeschätzten Risikos neue Kredite allenfalls noch zu einem horrenden Zinssatz.

Hohe Zinsen bei schwachem Peso

Doch statt Einsparungen im Haushalt vorzunehmen, lässt die Regierung die Notenpresse rotieren. Allein im Monat Juni wurden von der Zentralbank über eine Billion Peso zusätzlich in Umlauf gebracht. Um die Ausweitung der Geldmenge etwas unter Kontrolle zu halten, wird für eine Festgeldanlage in Peso ein Jahreszins von sagenhaften 61 Prozent angeboten. Doch selbst dieser Zinssatz liegt unter der Inflationsrate, die für dieses Jahr auf zwischen 76 und 100 Prozent geschätzt wird. Wer kann, kauft Dollar. Der Referenzwert liegt inzwischen bei 320 Peso, vor drei Wochen waren es noch 260 Peso.

Solchen Zahlen stehen für die wachsende Armut. Experten sprechen von einer strukturellen Armut, in der 30 Prozent der 47 Millionen Ar­gen­ti­nie­r*in­nen seit Jahren leben. Dazu kommen weitere 20 Prozent, deren Armutsursache der rasante Kaufkraftverlust ist.

Dass Argentinien bisher von sozialen Unruhen wie in den Nachbarländern Kolumbien, Ecuador oder Chile verschont blieb, liegt an Sozialhilfeprogrammen, die mit unterschiedlichen Beihilfen die Not von rund einer Million Emp­fän­ge­r*in­nen lindern. Aber auch deren Kaufkraft sinkt stetig.

Während am Donnerstag im Präsidentenpalast das Superministerium zusammengeschneidert wurde, forderten vor dem Gebäude auf der Plaza de Mayo mehrere tausend Menschen ein universelles Grundeinkommen. Dessen Wert soll dem Basiswarenkorb für Lebensmittel entsprechen. Im Juni wären dies umgerechnet knapp 45 Dollar gewesen.

Zwist im Regierungslager

Ob Super-Sergio das verlorene Vertrauen zurückholt, darf bezweifelt werden. Mit seiner Partei Frente Renovador (FR) ist er Juniorpartner in der Regierungskoalition Frente de Todos. 2008/09 war er der Nachfolger von Alberto Fernández als Kabinettchef der damaligen Präsidentin Cristina Kirchner. 2013 trat er mit seiner FR bei den Teilwahlen zum Kongress an und brachte Kirchners damaliger Regierungspartei eine herbe Niederlage bei.

Was Fernández und Massa nach ihrem jeweiligen Abgang als Kabinettchef gemein hatten, war nicht nur die heftige Kritik an Kirchner, sondern auch ihre öffentlichen Beteuerungen, nie wieder mit den Kirchners politisch zusammenarbeiten zu wollen. Keine guten Voraussetzungen dafür, dass diese Regierung ohne Streit bis zum Ende ihrer Amtszeit im Dezember 2023 durchhält.

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